Neue Studien zu Plastik: Mehr Müll durch Freihandel

Das Mercosur-Abkommen öffnet Märkte für schmutzigen Kunststoff, zeigt eine Greenpeace-Studie. Laut WWF ist klar, auf wen die Kosten abgewälzt werden.

Plastikmüll im Meer

Diese Tüte hat ihren Weg in den indonesischen Ozean gefunden Foto: Reinhard Dirscherl/Imago

Buenos Aires taz | Die Kosten der Plastikverschmutzung sind in den ärmeren Ländern weit höher als in reichen Regionen. Das ist das Ergebnis eines Berichts der Naturschutzorganisation WWF. „Wer zahlt für die Plastikverschmutzung?“ fragt der World Wide Fund for Nature und kommt zu der Antwort: „Das derzeitige Plastiksystem wälzt den Großteil der Kosten auf diejenigen ab, die am wenigsten in der Lage sind, die Last zu bewältigen, ohne diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die die Produkte überhaupt erst herstellen und verwenden“, sagt Alice Ruhweza vom WWF.

Vorgerechnet wird, dass die Kosten der Plastikverschmutzung in ärmeren Ländern weit höher sind als in reichen. „In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen liegen die ‚wahren Kosten‘ von Plastik acht bis zehnmal höher, obwohl dort pro Kopf fast dreimal weniger Plastik verbraucht wird als in Ländern mit hohem Einkommen“, heißt es in dem Bericht.

Analysiert werden die strukturellen Ungleichheiten in der Plastik-Wertschöpfungskette, von der Gewinnung der Rohstoffe über die Produktion, die Verwendung, die Entsorgung bis hin zur Umweltverschmutzung durch Plastikmüll. Aufgeschlüsselt werden die ‚wahren Kosten‘ dieser Wertschöpfungskette und wer sie hauptsächlich zu tragen hat. Die Länderfallbeispiele Brasilien, Kenia und Indonesien geben einen konkreten Einblick in die Situation vor Ort.

Während der WWF-Report die globale Situation analysiert, befasst sich eine Greenpeace-Studie mit dem Thema „Das schmutzige Plastikgeheimnis der Europäischen Union – Wie das EU-Mercosur-Abkommen den Handel mit Einwegkunststoffen steigern wird.“ Das Abkommen mit dem Mercosur „steht in krassem Gegensatz zu den laufenden Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen, das die Plastikproduktion deutlich reduzieren und die Plastikmüllverschmutzung beenden soll, sowie zur EU-Gesetzgebung, die darauf abzielt, den Plastikverbrauch zu reduzieren und Plastikmüll zu vermeiden“, kritisiert Greenpeace.

In der EU verboten, nach Südamerika verkauft

In der kommenden Woche findet in Nairobi die dritte UN-Verhandlungsrunde über ein globales Plastikabkommen statt. Wunsch der UN ist es, die Umweltverschmutzung durch Plastik bis 2040 massiv einzudämmen.

Die Greenpeace-Untersuchung zeigt, wie ein Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay die Zölle auf Kunststoffexporte aus der EU nach Südamerika abschaffen wird. Abgeschafft würden auch Zölle auf Kunststoffartikel, deren Handel und Verwendung innerhalb der EU verboten sind, etwa auf Plastik-Einwegbesteck, das seit 2021 EU-weit verboten ist, aber mit einem Zollaufschlag von bis zu 18 Prozent weiter in die Mercosur-Länder verkauft wird. Diese würden im Rahmen des Freihandelsabkommens schrittweise wegfallen. Plastikbesteck, das vorwiegend zum einmaligen Gebrauch bestimmt ist, gehöre zu den am häufigsten in der Umwelt vorkommenden Plastikverschmutzungen.

Lebensmittel- und Getränkebehälter aus Polystyrol sind seit 2021 auch in der EU verboten. Allerdings kann Polystyrol mit einem Einfuhrzoll in die Mercosur-Länder weiterhin verkauft werden. Ähnlich verhält es sich mit PVC, dessen Verbot die EU derzeit erwägt. In beiden Fällen würde der Einfuhrzoll von bis zu 14 Prozent in den Mercosur mit dem Abkommen abgeschafft werden.

Laut einer Greenpeace-Analyse der UN-Datenbank Comtrade stammten im Jahr 2022 knapp über 20 Prozent aller Plastikimporte der Mercosur-Staaten aus der EU. Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Kunststoffen in den Mercosur, nach den USA und China. Es sei deshalb geradezu heuchlerisch, wenn die Europäer auf internationalen Konferenzen wie den anstehenden Verhandlungen in Nairobi große Reden über die EU-Umweltpolitik hielten, so Greenpeace. Gleichzeitig treibe Brüssel einen Handelsvertrag voran, der die negativen Folgen der europäischen Wirtschaft auf die Umwelt und die Gesundheit in andere Länder verlagere, betont die Umweltorganisation.

Es sei zwar schwierig abzuschätzen, wie stark sich die Abschaffung der Zölle auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit genau auswirken würde. Allerdings würde sie „neue Anreize für die Kunststoff- und petrochemische Industrie in Europa schaffen, weiterhin umweltschädliche Kunststoffe für den Export in Drittländer zu produzieren“, so die Studie.

Die Lösung: Mehrwegsysteme

Unterdessen verweist ein dritter Bericht einer Umweltorganisation auf die naheliegendste Lösung der Plastik-Krise: Mehrwegsysteme. Laut der US-amerikanischen Meeresschutzorganisation Oceana würden bis zum Jahr 2030 mehr als eine Billion Einwegplastikflaschen überflüssig, wenn weltweit nur 10 Prozentpunkte mehr Mehrwegflaschen benutzt würden. Dabei werde etwa ein Drittel der weltweit verkauften „Ready-to-drink“-Softdrinks in den USA und China verkauft, die sich beide durch sehr niedrige Mehrwegquoten auszeichneten: In den USA gibt es überhaupt keine Mehrwegsysteme, in China liegt die Mehrwegquote bei einem Prozent.

In Ländern wie Äthiopien oder den Philippinen hingegen werden mehr als 40 Prozent der auf dem Markt befindlichen Getränke in Mehrwegsystemen verkauft. „Es ist an der Zeit, dass die Abfüllunternehmen in den Industrieländern einen Schritt nach vorne machen und dass Unternehmen wie The Coca-Cola Company und PepsiCo Mehrwegverpackungssysteme in der ganzen Welt ausbauen“, sagt Dana Miller von Oceana.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.