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Null Solidarität gegen Rechts

Von rechtsextremistischen Türken bedroht, vom Jugendamt kaltgestellt: Wilhelmsburger Jugend-Initiative ist in Gefahr  ■ Von Marco Carini

Es geht nichts mehr im Kirchdorfer „Haus der Jugend (HdJ)“an der Krieterstraße. Die vorwiegend von türkischen Jugendlichen besuchte Einrichtung ist nicht nur wegen umfangreicher Umbaumaßnahmen noch bis Dezember geschlossen, auch haben die drei hauptamtlichen Mitarbeiter das Handtuch geworfen und das Jugendamt um ihre Versetzung gebeten. Der Hintergrund des Zusammenbruchs: Mitglieder der rechts-nationalistischen türkischen „Familien Union“sollen erfolgreich versucht haben, Einfluß auf die ZentrumsbesucherInnen zu gewinnen und die dort arbeitenden Pädagogen sogar bedroht haben.

Der Harburger Jugendamtsleiter Holger Reinberg und Jugenddezernent Holger Stuhlmann wollen ab Dezember „einen Neuanfang mit einem neuen Team wagen“. Auf der Strecke bleiben wird dabei die „Sozio-kulturelle Arbeitsgemeinschaft (SKAH)“. Dieser von MitbürgerInnen türkischer Herkunft geführte Verein bot SchülerInnen im HdJ bislang einen „pädagogischen Mittagstisch“inklusive Schularbeitenhilfe an. Zudem hat die SKAH mit bezirklicher Finanzhilfe ein Tonstudio im HdJ einge-richet und angeboten, in Zukunft auch den Cafe-Betrieb in der Einrichtung zu organisieren.

Mit all dem soll jetzt Schluß sein. Weil sich die SKAH als „antinationale, antirassistische und antisexistische“Gruppe versteht, wird sie vom Bezirk dem „linken Lager“zugeordnet. „Da die SKAH ein Bestandteil des politischen Konfliktes zwischen rechten und linken türkischen Jugendlichen in dem Zentrum ist, dürfte ein Neuanfang mit diesem Träger nicht zu machen sein“, sagt Jugenddezernent Stuhlmann. Er bezweifelt die integrativen Fähigkeiten des Vereins.

Der SKAH-Vorsitzende Mustafa Topbas ist empört über solche Aussagen: „Es ist unerträglich, wenn die Behörde eine von außen in das Zentrum hineingetragene Politisierung durch die laut Verfassungsschutz rechtsextremistische Familien Union nutzt, um uns aus dem HdJ herauszudrängen.“Statt „Solidarität“im Kampf gegen diese Gruppe zu beweisen, die als Unterorganisation der ultra-nationalistischen „Grauen Wölfe“bekannt sei, hätten Politik und Verwaltung die „seit Jahren erfolgreiche Arbeit der SKAH zum Abschuß freigegeben“.

Als vor wenigen Wochen Mitglieder der Familien Union unangekündigt im Zentrum erschienen und nach Zeugenaussagen mehrere HdJ-Mitarbeiter bedrohten, sollen sie sogar den ortsbekannten SPD-Politiker Günther Glatz, Mitglied im Wilhelmsburger Ortsausschuß, im Schlepptau gehabt haben. „Die SPD hat sich von diesem Auftritt ihres Funktionärs nicht distanziert“, klagt SKAH-Chef Mustafa Topbas.

Zur Zeit verhandelt das Jugendamt, das aus dem HdJ gern eine politikfreie Zone machen würde, noch mit den SKAH-VertreterInnen über deren weitere Arbeit. Größtes Problem für die Bezirks-Mitarbeiter: Das 70.000 Mark teure Tonstudio wurde vom Ortsausschuß im vorigen Jahr unter zwei Bedingungen bewilligt. Die Nutzungsrechte erhielt die SKAH, als Standort wurde das Haus der Jugend festgelegt.

Beides aber wird in Zukunft kaum noch zusammenpassen. „Die politischen Gremien müssen sich klar entscheiden“, Jugendamtsleiter Holger Reinberg schiebt dem Ortsausschuß den schwarzen Peter zu. Dort jedoch dürfte die Entscheidung gegen die SKAH bereits so gut wie gefallen sein.

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