Notwendiger Abschied von Gefährtinnen: Gar nicht mehr beste Freundinnen
Es ist Sommerpause. So hat unsere Kolumnistin auch mal Zeit, um herauszufinden, wieso sie offensichtlich ein unausstehlicher Mensch geworden ist.
S ommerferien. Auf meinem Radiokolumnensendeplatz laufen Wiederholungen, und daran, wie entspannt ich bin, merke ich, wie anstrengend eine wöchentliche Kolumne ist.
Ständig filterst du alle Wahrnehmungen nach verwertbaren Anekdoten. Jede Wunde, die dir zugefügt wird, musst du künstlich vergrößern, um den Schmerz als Material zu benutzen, damit andere darüber lachen können.
Nun ist Sommerpause, und ich darf einfach so verletzt sein. Ich hab nämlich zwei meiner engsten Freundinnen verloren. Ich bin offensichtlich ein unausstehlicher Mensch geworden. Nun nutze ich die Ferien, um herauszufinden, wie das passieren konnte.
Vielleicht fing alles mit meinem Therapeutinnenwechsel an. Ich mach jetzt Analyse. Die neue Therapeutin sagt gar nichts. Sie guckt nur. Und brummt. Sie macht nicht mal Notizen. Manchmal stellt sie eine Frage. Und irgendwann guckt sie auf die Uhr und sagt: „Die Zeit ist jetzt leider um.“ Und es ist absolut irre für mich, einen Raum zu haben, in dem ich das ganze Gepäck mal abstellen und ordnen kann, das ich so mit mir rumschleppe, und ich hab tatsächlich nicht das Gefühl, der Frau zu viel zu sein.
Das bin ich nämlich meistens. Zu viel. Zu laut. Zu direkt. Auf der Bühne mag das noch angehen. Da hat mein überbordendes So-Sein einen ordnenden Rahmen, mein innerer Freak eine Manege, in der er im Kreis rennen und Faxen machen kann, bis das Publikum vor Lachen von den Stühlen fällt. Aber im persönlichen Umgang schien das für andere unerträglich. Dachte ich.
In entgegengesetzte Richtungen bewegt
Und dann ging es mit meiner besten Freundin auseinander. Wir waren seit 20 Jahren die engsten Gefährtinnen, aber unmerklich hatten wir uns in entgegengesetzte Richtungen entwickelt, was die Lebensentwürfe betraf, politische Überzeugungen, Sichtweisen. Und dann krachte es mit der zweiten Freundin. Beide eint, dass sie sich selbst nicht wichtig nehmen und keine Ansprüche erheben. Sie sprechen nicht einmal für sich. Sie verteidigen ihre Kinder, schimpfen über ihre Partner.
Nie sagen sie, was sie selbst wollen oder auch nur brauchen. Nie würden sie etwas fordern. Und meine Rolle als Freundin war die der Zuhörerin all ihrer Klagen. Ich sollte Mitleid spenden, Advocatus Diaboli spielen, damit sich das Elend nachher nicht mehr so elend anfühlte. Ich konnte nicht mehr ertragen, wie klein sie sich machten. Und sie fanden mich zu groß, zu laut, zu fordernd.
Ich hab mich nie zuvor getrennt. Ich fand mich selbst so schrecklich, dass ich nur dankbar war, wenn jemand anderes es überhaupt mit mir aushalten wollte. Wahrscheinlich ist dieser Selbsthass das Problem. Also dessen Abhandenkommen. Eine verunsicherte 25-Jährige, die in verrauchten Kneipen auf Lesebühnen steht und Geschichten über schlechten Sex vorliest, ist nun mal leichter zu mögen als die 40-jährige Romanautorin mit Kind, die jeden Montag im Radio rumnervt.
Unsichtbarkeit abschaffen
„Gehört das wirklich hierher?“, fragte jemand auf Twitter, als ich schrieb, dass sich die Trennungen richtig anfühlen. Und ich dachte, genau das ist der Kern des Problems. Frauen sollen und (und das macht mich so wütend) wollen die Klappe halten. Leise, dünn und flexibel sein. Auf jeden Fall nicht bedrohlich. Frauen sollen sein wie Tampons. Aufnahmefähig, sauber, unsichtbar, hilfreich. Leicht zu entsorgen. Auf keinen Fall sollen Frauen ihre als privat definierten Konflikte in die Öffentlichkeit tragen.
Genau das ist aber mein Job. Und der aller schreibenden, performenden und irgendwie sichtbaren Frauen. Ich eigne mich gut als Zielscheibe. Denn ich bin laut, ich stehe auf der Bühne, und ich mache jedes meiner Probleme zum Politikum. Denn das Private ist politisch.
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