#NotTooYoungToRun-Aktion in Nigeria: Eine junge Politik für ein junges Land
Mehr als zwei Drittel der knapp 200 Millionen Einwohner Nigerias sind jünger als 30. Zu Wahlen antreten dürfen sie nicht. Aktivisten wollen das ändern.
Doch über zwei Drittel der gut 190 Millionen Nigerianer sind jünger als 30. Viele der Kandidaten, die sich 2019 um das höchste Staatsamt schlagen wollen, könnten ihre Großväter sein, die seit Jahrzehnten Spitzenpositionen bekleiden oder aus Politikerfamilien stammen, in denen Ämter weitergereicht werden.
Simon Obi hat davon die Nase voll. Der 27-Jährige ist Direktor der „Greenlight Initiative“, die für gesellschaftlichen Wandel kämpft. „Wir fordern Inklusion“, sagt er, hält in der Hand eine nigerianische Flagge und zeigt auf das Logo seines weißen T-Shirts. Darauf steht „I Support #NotTooYoungToRun“. Seine Organisation ist eine von mehr als 50, die einen Gesetzentwurf unterstützt, der seit einem Jahr in Nigeria Furore macht. Das Mindestalter für Präsidentschaftskandidaten soll von 40 auf 35 Jahre sinken, das für Parlamentskandidaten von 30 auf 25.
Die Chancen stehen gut, da beide Parlamentskammern bereits zugestimmt haben. Auch auf Länderebene gibt es große Unterstützung. Es fehlt jedoch an der Unterschrift von Präsident Buhari. Mitte März hat auch Obi in Abuja für diese demonstriert und war dabei, als Vertreter von Yiaga (Youth Initiative for Advocacy Growth and Advancement), die den Protest koordiniert, ein Schreiben an einen Regierungsvertreter übergaben. Dokumentiert wird all das mit unzähligen Selfies.
Rund 62 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind arbeitslos
Obi begründet sein Engagement so: „In einem Land, in dem nicht alle in die Politik eingebunden werden, kann es zu Gewalt kommen. Mit dem Gesetz soll Demokratie gestärkt und etwas gegen Ungleichheit getan werden.“ Viele junge Nigerianer sehen das ähnlich. Eine Frau, die in seiner Nähe steht, erzählt, dass sie 1984 geboren wurde. Damals war Präsident Buhari schon einmal als Militärherrscher an der Macht. Inzwischen ist die Frau 33, und Buhari ist wieder Präsident.
Egal, mit wem man in Nigeria spricht: Junge Menschen fühlen sich abgehängt – nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in den Großstädten. Selbst mit guter Ausbildung sind die Jobaussichten schlecht. Das nationale Statistikamt schätzte vergangenes Jahr, dass knapp 62 Prozent der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos oder nur geringfügig beschäftigt sind. Nachhaltige und ernsthafte Initiativen von Politikern, um mehr Chancen für die Jugend zu schaffen, bleiben aus.
„Menschen müssen unkonventionell denken“, sagt Uche Chuta. Über die Einfallslosigkeit zahlreicher Amtsinhaber ärgerte sich der heute 39-Jährige vor einigen Jahren so sehr, dass er 2015 bei der Gouverneurswahl im Bundesstaat Abia antrat. Er war einer der jüngsten Kandidaten in ganz Nigeria. Er verließ die damals regierende Peoples Democratic Party (PDP) und wurde von der United Democratic Party (UDP) aufgestellt. Im Wahlkampf erlebte er, dass junge Bewerber oft isoliert sind.
Sich aufstellen zu lassen ist langwierig und teuer
Die Wahl verlor er. Seine Erfahrungen möchte Chuta in den kommenden Monaten an Nachwuchspolitiker weitergeben, damit sie daraus lernen.Jungpolitiker in Nigeria stehen oft aber noch vor ganz anderen Problemen. Es ist ein langwieriger und teurer Prozess, überhaupt von einer Partei als Kandidat aufgestellt zu werden. Die Rechtsanwältin Ayisha Osori hat ihren Versuch, PDP-Kandidatin für das Repräsentantenhaus bei den Wahlen 2015 zu werden, im Buch „Love Does Not Win Elections“ aufgezeichne. Sie beschreibt darin zahlreiche parteiinterne Hindernisse.
#NotTooYoungToRun ist also keine Garantie, dass Kandidaten tatsächlich jünger werden und mehr Chancengleichheit herrscht. Für Simon Obi hat die Initiative trotzdem viel erreicht, sogar ohne Buharis Unterschrift: „Sie vereint die Jugend.“ Tatsächlich hat es überall im Land Demonstrationen für #NotTooYoungToRun gegeben. Obi bleibt deshalb optimistisch: „Wir werden 2019 die Welt schocken und einen Jugend-Präsidenten wählen. Wir sind doch alle der PDP, des APC und welcher Partei auch immer überdrüssig.“
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