Norwegische Band Motorpsycho: Der Rock und die Sache mit dem Bart

Motorpsycho haben ihre musikalische Heimat in den Siebzigern. In Berlin zeigten sie auf einem Konzert, dass das jede Menge Gegenwart bedeutet.

Drei Musiker von Motorpsycho im Porträt

Haarige Sache und gut so: Motorpsycho Foto: Terje Visnes

Die Haare im Gesicht. Der Bart. Er markiert auch in der Popmusik das Prinzip Mann, und das natürlich in seiner ganzen Fragwürdigkeit, da muss man sich nur mal die Eckpunkte anschauen bei der ganzen bärtigen Spannbreite, bitte sehr, da wäre zu einem der Comic-haft zum Ausrufezeichen gewachsene Bart bei den erdigen Bluesrockern ZZ Top und auf der anderen Seite hat man so ein Vollbart-mit-Abendkleid-Statement von Conchita Wurst, wofür es ja einen grandiosen Sieg beim Eurovision Song Contest gab.

Ein Wettbewerb übrigens, bei dem eher selten Bärte zu sehen sind.

Zwischen den oben angedeuteten Eckpunkten gibt es den Bart im Pop zum Beispiel als Ausweis des ungebärdig Widerspenstigen oder bloß als Hipster-Signatur, manche tragen ihn wirr und zauselig als Ökosiegel des Kulturbelassenen, wie das seit den nuller Jahren gern von amerikanischen Songwritern wie Will Oldham oder Bon Iver gemacht wird, die doch ihre Lieder in bodenständiger Scholle gedeihen lassen wollen.

So eben wie immer schon. Und wie es auf ewig sein soll. Wo der Bart scheinbar einfach so getragen wird und dazu die langen Haare und für den richtigen Vintage-Look unbedingt noch die Jeans dazu.

Motorpsycho: „Kingdom of Oblivion“ (Stickman/Soulfood)

Tour: 5. Mai Bremen, 6. Mai Köln, 18. Mai Wien, 19. Mai Winterthur, 21. Mai Reutlingen, 22. Mai München, 23. Mai Dresden, 24. Mai Bielefeld

So war das früher, so hat es seine Gültigkeit, und schon ist man mittendrin beim Konzert von Motorpsycho, die auf ihrer Tour diese Woche in Berlin im Festsaal Kreuzberg spielten. Eine Band, deren Stücke gern an die Zehnminutengrenze heranquellen und auch darüber hinaus. Wobei sie schon auch Pop kann und ganz bestimmt eine Folk-Lässigkeit, sie versteht sich auf Hardrock und Metal, mag Psychedelisches, Gitarrengeniedel und die Beatles sowieso, was alles von Motorpsycho seit 1989 in unterschiedlichen Mischverhältnissen immer wieder neu abgemessen wird.

Alles Musiken, mit denen eben Anfang der siebziger Jahre der Rock zu sich fand, mit den Jeans und den langen Haaren, und dass sie sich darin richtig wohl fühlt, ließ die Band aus dem norwegischen Trondheim auch im gut gefüllten Festsaal spüren. Wobei sich die Vielfalt der Möglichkeiten, die sie auf ihren Alben durchspielt – das aktuelle heißt „Kingdom of Oblivion – im Konzert mehr auf einen lang ausgespielten und luzide melodiösen Hardrock verdichtet.

Ein prima Headbanger-Stoff, und gleichzeitig eben weich und zärtlich, was dann Motorpsycho von Metal unterscheidet. Bedächtig spielten sie in den Stücken auf die ekstatischen Entladungen hin, und in dieser Musik steckte immer auch noch der alte Chuck Berry mit seiner grundlegenden Erkenntnis, um was es bei so einer Musik gehen muss, the feeling is there, body and soul. Der Körper. Die Seele. Ja, „hail, hail rock and roll“.

Im Festsaal konnte man mit Motorpsycho eintauchen in diese Musik. Wogende Leiber überall vor der Bühne und rundherum Verzückung in den Gesichtern.

Kann man jetzt als eskapistischen Ausflug in ein Gestern bezeichnen. Oder doch als den Beweis für Gegenwärtigkeit.

Vielleicht sollte man sich mal einen Bart wachsen lassen.

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