Nordkoreanische Raketentests: Mittelstrecke als Vorspiel

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kim Jong Un auch Langstreckenraketen zündet. Doch an einem Krieg haben weder Pjöngjang noch Washington Interesse.

Von Nordkorea veröffentlichtes Foto eines Raketentests am 11. Januar 2022 Foto: KCNA/reuters

Das Frustrierende an Nordkoreas jüngsten Waffentests ist nicht so sehr, dass das Kim-Regime seit einigen Wochen wieder so häufig zündelt wie seit Jahren nicht mehr. Denn viele der getesteten Raketen lassen sich getrost unter der Kategorie „leichte Provokation“ abbuchen. Was jedoch wirklich Anlass zur Sorge gibt, ist der Ausblick auf die Zukunft: Ohne Frage steht schon bald ein großer Paukenschlag aus Pjöngjang bevor – in Form einer Langstreckenrakete.

Der Test auch von Interkontinentalraketen ist nur eine Frage der Zeit, schließlich tastet sich Nordkorea bereits in kleinen Schritten an diese neue Eskalationsstufe heran. Sollte sich Machthaber Kim Jong Un besonders selbstbewusst fühlen, könnte er die Langstreckenrakete sogar während der Olympischen Spiele im benachbarten Peking hochgehen lassen. Aber das gilt zum Glück als unwahrscheinliches Szenario.

Nichtsdestotrotz sollte sich die internationale Staatengemeinschaft darauf einstellen, dass der nordkoreanische Atom-Konflikt wieder denselben Stellenwert einnimmt wie zu der Zeit, als der ehemalige US-Präsident Donald Trump frisch ins Amt gewählt wurde. Damals dominierte das kleine Land in Ostasien die Schlagzeilen. UN-Resolutionen verbieten Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen, die auch einen nuklearen Sprengkopf tragen können. Vor drei Jahren scheiterten die Verhandlungen zwischen Washington und Pjöngjang über das Atomwaffenprogramm spektakulär und ruhen seither.

Zynisch betrachtet, schreit Nordkorea mit seinem militärischen Säbelrassen nur nach Aufmerksamkeit, um von der internationalen Staatengemeinschaft wirtschaftliche Konzessionen zu erpressen. Das mag die Patt-Situation auf den Punkt bringen, macht aber die Lage nicht minder gefährlich: Zwar wollen in letzter Konsequenz weder Pjöngjang noch Washington Krieg miteinander, doch in dieser hochgefährlichen Provokationsrochade kann jede Fehleinschätzung zur ungewollten Eskalation führen.

Das bestmögliche (und auch wahrscheinlichste) Szenario ist mittelfristig ein Festhalten am Status Quo: Nordkorea wird in sicheren Abständen sein Atomprogramm vorantreiben und der Westen wird die Wirtschaftssanktionen gegen das Land auf absehbare Zeit beibehalten.

Für große Teile der Welt mag diese Lösung akzeptabel erscheinen, doch für die meisten Nordkoreaner ist der Ist-Zustand zutiefst menschenunwürdig. Die ohnehin unter Mangelernährung und bitterer Armut leidende Bevölkerung Nordkoreas hat eine bessere Zukunft verdient; eine Zukunft, in der ihr Staatsoberhaupt nicht die raren Ressourcen des Landes in Form von phallischen Raketengeschossen in die Luft verpulvert.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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