Nordkorea testet Marschflugkörper: Kim Jong Un zündelt wieder
Nordkoreas Abschuss eines Langstrecken-Marschfluggkörpers ist eine Provokation mit Ankündigung. Er verschärft den Rüstungswettlauf.
Wirklich überrascht sollte die Weltgemeinschaft eigentlich nicht sein, schließlich hatte Machthaber Kim Jong Un bereits im Januar den Test eines Marschflugkörpers angekündigt. Am Wochenende schließlich war es so weit, wie die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA in einer Aussendung bekanntgab. Der neue Flugkörper „von großer strategischer Bedeutung“ wurde sowohl am Samstag als auch Sonntag getestet worden. Die Raketen flogen in ovaler Flugbahn auf Ziele in 1.500 Kilometern Entfernung.
Das US-Militär sprach in einer Stellungnahme von einer Bedrohung für die internationale Gemeinschaft. Auch Seoul und Tokio zeigten sich besorgt. Dass der Waffentest ansonsten mit vergleichsweise geringer Aufmerksamkeit bedacht wurde, hat sicher mit einem gewissen Gewöhnungseffekt zu tun.
Doch auch unter Militärexperten ist die Provokation vom Wochenende als eher geringfügig einzustufen. Denn es handelt sich nicht um eine ballistische Rakete, sondern einen Marschflugkörper mit eigenem Antrieb. Diese unterliegen nicht den internationalen Sanktionen, die die Vereinten Nationen gegen das Land verhängt haben.
Risiko für die Nachbarn
Der Grund dafür ist simpel: Marschflugkörper fliegen wesentlich langsamer und niedriger, haben eine geringere Reichweite und können im Schnitt nur kleinere Sprengkörper mit sich führen. All dies macht sie weniger bedrohlich, wobei eine solche Einschätzung relativ zu betrachten ist: Für die unmittelbaren Nachbarn Japan und Südkorea stellen sie durchaus ein Risiko dar.
Dennoch hält der Test einige wichtige Informationen für die internationale Gemeinschaft bereit. So beweist er doch, dass das Land die kostspielige Entwicklung seines Waffenprogramms auch dann vorantreibt, nachdem die Corona-Pandemie die ohnehin hoch fragile Wirtschaft des Landes grundlegend zerrüttet hat.
Der Raketentest lässt sich auch als Reaktion auf die zunehmende Militarisierung Südkoreas interpretieren. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump und sein Nachfolger Joe Biden haben dafür die Grundlage geschaffen. Sie hatten sukzessive die sogenannten Raketenrichtlinien aufgehoben, die sowohl die Reichweite als auch das Sprengkopfgewicht von ballistischen Raketen reglementieren, die Südkoreas Militär entwickeln darf. Die Richtlinie ist noch ein Überbleibsel des Koreakriegs, auf den sich die jahrzehntealten Alliierten Washington und Seoul geeinigt hatten.
Erst zu Beginn des Monats hatte Südkoreas Armee seine erste U-Boot gestützte Rakete abgefeuert. Zuvor hatte das Verteidigungsminsiterium die Errungenschaft der Kurzstreckenraketen des Typs „Hyunmoo-4“ vorgestellt, die eine Sprengladung von bis zu zwei Tonnen transportieren und die gesamte Landesfläche Nordkoreas abdecken kann.
Gespräche in Tokio
Für Pjöngjang ist dies ein regelrechter „game changer“, denn Südkoreas Militär kann nun potenziell die nordkoreanischen Untergrund-Bunker ins Visier nehmen, in denen das Regime sein Atomarsenal und im Kriegsfall wohl auch seine Staatsführung unterbringen würde.
Nächste Woche werden sowohl Vertreter Südkoreas, der USA als auch Japans in Tokio zu Gesprächen zusammenkommen, um über Strategien zur nordkoreanischen Abrüstung zu debattieren. Dieses Ziel scheint jedoch derzeit immer unrealistischer. Erst im August wurde bekannt, dass Nordkorea einen Atomreaktor seiner Anlage in Yongbyong wieder in Betrieb genommen hat.
Die einzige gute Nachricht ist vielleicht, dass Pjöngjang seit dem spektakulären Scheitern des letzten Gipfels mit den USA in Hanoi noch nicht alle Register auf der Provokationsskala gezogen hat. Wenn Kim eine Interkontinental- oder Atomrakete testen sollte, wird Washington mit Sicherheit nicht nur mit einer „besorgten“ Stellungnahme reagieren.
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