Nordkorea sagt für Olympia in Tokio ab: Boykott wegen Corona

Nordkoreas Olympia-Absage verstärkt die Debatte über die Zukunft der Spiele. Zudem hatte Japan auf Diplomatie mit der Volksrepublik gehofft.

Nordkoreanische Sportfans schwenken Fähnchen

In Tokio ohne sie: Nordkoreanische Fans bei den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang Foto: Xinhua/imago

TOKIO taz | Die Meldung vom Dienstag liest sich zunächst so nüchtern wie eine Gebrauchsanweisung. Schon Ende März seien „alle relevanten Personen“ der Sportwelt in einer Videokonferenz zusammengetroffen, schreibt Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Nachdem die Würdenträger namentlich erwähnt sind, kommt ganz zum Schluss die eigentlich wichtige Notiz: „Im Treffen diskutierte das olympische Komitee der Demokratischen Volksrepublik Korea die Vorschläge seiner Mitglieder und entschied, an den 32. Olympischen Spielen nicht teilzunehmen.“

2018 bei den Winterspielen schickte Nordkorea im letzten Moment noch ein Team

Als erster Staat hat Nordkorea damit den Spielen von Tokio offiziell eine Absage erteilt. Es ist ein Beschluss, der zunächst überrascht. Noch in der KCNA-Meldung selbst, die zum Schluss das Fernbleiben Nordkoreas von Olympia verkündet, wird zu Beginn aufs Gegenteil hingedeutet. So haben die Verantwortlichen bei ihrem Treffen „die Notwendigkeit betont, kontinuierlich die Zahl der Medaillen bei internationalen Wettbewerben zu erhöhen“, damit auf diese Weise „über den Zeitraum des neuen Fünfjahresplans im ganzen Land Begeisterung für Sport angetrieben wird.“ Doch diesen Sommer gehe die Gesundheit vor. Man wolle die Sportler vor der Pandemie schützen.

Für die Organisatoren der Olympischen Spiele von Tokio ist das aus mehreren Gründen eine äußerst schlechte Nachricht. Schon vor einem guten Jahr war es der Verzicht nationaler olympischer Komitees gewesen, der die geplante Durchführung der Spiele unmöglich machte. Nach laut geäußerten Zweifeln von Athletinnen hatten die NOKs aus Kanada und Australien beschlossen, im Sommer 2020 keine Sportler nach Japan zu schicken. Daraufhin mussten die Organisatoren in Tokio zurückrudern.

Grundsätzlich stellt sich diese Frage mit der Absage aus Nordkorea nun erneut. Seitens des Organisationskomitees oder der japanischen Regierung gab es hierzu am Dienstag noch keine klare Stellungnahme. Japans Olympiaministerin Tamayo Marukawa sagte nur, man versuche noch, „die Details zu bestätigen“. In Tokio will man es offenbar noch nicht ganz wahrhaben.

Das Regime von Kim Jong Un gilt als unberechenbar

Ohnehin ist möglich, dass ein Fernbleiben von Nordkorea nicht dieselbe Wirkung entfalten wird wie jenes von Kanada und Australien vor einem Jahr. Das liegt einerseits an der sportlichen Schwäche der Volksrepublik: Bei den Spielen 2016 in Rio hat Nordkorea gerade mal sieben Medaillen gewonnen. Australien und Kanada aber holten je 29 und 22 Medaillen, gehören regelmäßig zu den stärksten Nationen.

Ein weiterer Grund, warum sich Tokios Organisatoren durch Nordkoreas Absage womöglich nicht von ihren Plänen abbringen lassen, ist Politik. Das Regime um Kim Jong Un gilt als unberechenbar. Schon bei den bislang letzten Olympischen Spielen, im südkoreanischen Pyeongchang 2018, war bis kurz vor Beginn der Veranstaltung unklar, ob überhaupt irgendwer aus Nordkorea kommt. Am Ende schickten die verfeindeten Bruderstaaten sogar ein gemeinsames Team im Frauen-Eishockey ins Turnier.

Sollte aber der Beschluss, den die Staatsnachrichtenagentur am Dienstag verkündete, final sein, wären die Folgen für „Tokyo 2020“ schwer. Denn dem Organisationskomitee gehen immer mehr Gründe verloren, mit denen es einer skeptisch gewordenen Bevölkerung erklären kann, warum die Spiele doch stattfinden müssen. Ein Grund hätte Diplomatie sein können: Japan und Nordkorea verbindet nicht nur eine schwierige Vergangenheit, weil Korea bis Ende des Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte japanische Kolonie war.

Japans Politiker versuchen seit Langem, einen weiteren Konflikt zu lösen. Über die vergangenen Jahrzehnte sind immer wieder Personen aus Japan gekidnappt und nach Nordkorea gebracht worden. Bei fünf Personen ist eine Rücksiedlung nach Japan gelungen, bei zwölf weiteren bemüht sich die Diplomatie schon jahrelang. Um dieses für die japanische Gesellschaft hochemotionale Thema endgültig zu lösen, hätten die Olympischen Spiele einen seltenen persönlichen Gesprächsrahmen bieten können. Nun wohl nicht mehr.

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