Nordkorea-Besuch vom Google-Chef: Botschafter der digitalen Außenwelt
Der Kopf des weltgrößten Internetunternehmens, Eric Schmidt, besucht den stalinistischen Staat. Angeblich war sein Aufenthalt rein privater Natur.
PEKING taz | Was hat der prominenteste Advokat des freien Internets ausgerechnet in Nordkorea zu suchen, dem letzten noch immer völlig abgeschotteten Land dieser Welt? Offiziell behauptet Google-Chef Eric Schmidt, er sei nach Pjöngjang gereist, um mit Nordkoreas Führung über die offene Nutzung des Internets zu diskutieren.
Er habe das Regime zu überzeugen versucht, das Internet freizugeben, sagte der Verwaltungsratschef des US-Internet-Giganten auf einem Zwischenstopp in Peking kurz vor seiner Heimreise in die USA. Sollte das Netz zensiert bleiben, werde der kommunistische Staat weiter „zurückbleiben“, habe er Nordkoreas Führung gewarnt.
Vier Tage lang war Schmidt in Nordkorea. Sein Besuch sei rein privater Natur gewesen, beteuerte er. Das US-Außenministerium hatte die Reise des Google-Chefs zuvor heftig kritisiert. Doch auch wenn Schmidt es nicht zugeben wollte – seine Geschäftsinteressen sind unverkennbar. Bilder belegen, dass Schmidt in Pjöngjang mindestens ein IT-Unternehmen besucht hat. Tatsächlich winken Google in Nordkorea lukrative Geschäfte.
Zumindest wirtschaftlich öffnet sich das bislang streng abgeschottete Land langsam der Außenwelt. Der erst seit einem Jahr amtierende Jungdiktator Kim Jong Un hat zuletzt bei seiner Neujahrsansprache eine „radikale Kehrtwende“ angekündigt. „Lasst uns einen wirtschaftlichen Giganten schaffen“, appellierte Kim und nannte explizit den Technologiesektor.
Und der ist in Nordkorea gar nicht so unterentwickelt, wie das sonst abgewirtschaftete Land vermuten lässt. 95 Prozent der insgesamt 24 Millionen Nordkoreaner ist zwar nach wie vor von jeglicher Kommunikation mit der Außenwelt abgeschnitten. Eine komplette IT-Wüste ist Nordkorea aber nicht. Mobiltelefonie etwa gibt es seit 2002. Immerhin eine Million Handynutzer zählt das Land inzwischen – auch wenn sie nicht ins Ausland telefonieren dürfen. Und ein landesweites Intranet gibt es seit 2008.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!