Niedersachsen bremst Flussvertiefungen: Behaltet euren Schlick gern selbst!
Der rot-grüne Koalitionsvertrag kündigt Gegenwehr gegen Schlickverklappungen aus Hamburg an. Dort motzt die Hafenwirtschaft.
Schwierig: Die Wasserrahmenrichtlinie der EU sieht vor, dass sich der Zustand der Flüsse und Seen verbessern muss. Kämpferisch klingen die Ausführungen in Richtung Bremer und Hamburger Hafenwirtschaft: „Die neunte Elbvertiefung ist ökologisch gescheitert“, konstatiert der Vertrag.
Während die durch sie verursachten „enorm gestiegenen Baggergutmengen“ in den schwarz-roten Regierungsvereinbarungen kein Thema waren, will man nun bei der Verklappung des Schlicks aus der Elb-Fahrrinne nicht mehr mitspielen. Gegen die Nutzung der Vogelinsel Scharhörn als Sedimentklo werde man sogar „nötigenfalls rechtliche Schritte einleiten“.
Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, hat die Ankündigung laut dpa umgehend als unfreundlichen Akt gewertet. Ob Niedersachsen hier klageberechtigt wäre, ist zwar unklar.
Gesetz gegen die Bürger*innen
Strittig ist aber auch der staatsrechtliche Status der Insel vor Cuxhaven: Zwar beansprucht Hamburg sie seit 1961, doch der Vertrag, der diese Veränderung der Ländergrenzen fixiert, hätte laut Artikel 29 des Grundgesetzes als Maßnahme zur Neugliederung des Bundesgebietes per Volksentscheid bestätigt und dann in ein Bundesgesetz überführt, also von Bundesrat und Bundestag beschlossen werden müssen. Ist nie passiert.
Eine 180-Grad-Wende stellen die Ausführungen zur Weser dar: SPD und CDU hatten 2017 noch angekündigt, das, was Baggerfreunde „Fahrrinnenanpassung“ nennen, „bis Brake“ voranzutreiben. Die neue Regierung will hingegen Widerstand gegen die Pläne ermöglichen, etwa durch Umweltverbände und Bürger-Inis.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht 2016 den damaligen Planfeststellungsbeschluss zur Weservertiefung als rechtswidrig kassiert hatte, hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andi Scheuer (CSU) kurzerhand den Rechtsrahmen geändert. Dieses „Maßnahmenvorbereitungsgesetz“ dient dazu, den Widerspruch gegen spezielle Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen zu torpedieren – darunter auch die Weservertiefung.
Nur das Bundesverfassungsgericht könnte sie noch stoppen, wenn nachzuweisen ist, dass sie unmittelbar jemandes Grundrechte verletzt. „Wir werden beantragen, die Vertiefung der Unterweser aus dem Maßnahmenvorbereitungsgesetz herauszunehmen“, heißt es nun. Geschieht das, hätten auch die anerkannten Umweltverbände wieder die Möglichkeit, ganz regulär gegen die Maßnahme zu klagen – vorm Verwaltungsgericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid