Niederlage des FC Bayern in Madrid: Senatorenfußball aus Süddeutschland
Die Niederlage des FC Bayern in der Champions League wirft eine Frage auf: Hat Trainer Ancelotti mehr zu bieten als einige reife Herren?
Eine Maschine, in der ein Rädchen perfekt ins andere griff, in der elf Fußballer zwar wie üblich mit 22 Beinen agierten, aber immer mit denselben Gedanken. „Ich fühle mich glücklich, diese Spieler zu trainieren“, sagte Simeone feierlich. „Es war eine unserer besten Partien, seit ich bei Atlético bin.“
Wie gern würden die Bayern das auch sagen: dass sie am Optimum gespielt haben, als es darauf ankam. Auf einer dieser international begutachteten Messen, bei denen sich die Topteams präsentieren, überprüfen und sezieren lassen: Wo steht eine Mannschaft wirklich?
Es war nur ein Gruppenspiel, natürlich, das die Münchner im Calderón mit 0:1 verloren. „Kein Drama“, wie Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge später auf dem traditionellen Klub-Bankett beschied. Aber nimmt man die Partie isoliert, dann muss das Fazit lauten: Die bajuwarische Titelkandidatur in der Champions League hat nicht gerade an Fundament gewonnen.
Neben dem Siegtor von Yannick Carrasco in der 35. Minute trafen die Spanier auch noch Pfosten (Kopfball Torres) und Latte (Elfmeter Griezmann). Sie schossen öfter aufs Tor. Sie litten kaum in der Verteidigung. Wo der 1:0-Sieg an gleicher Stelle im Halbfinale der Vorsaison noch etwas vom Triumph eines Underdogs hatte, wirkte er nun wie der Erfolg eines Favoriten.
Starres 4-3-3-System
Gegenüber dem freudig hupenden und zuvor wie immer feurig seine Mannschaft coachenden Simeone gibt der bedächtige Bayern-Trainer Carlo Ancelotti eher den gemütlichen Sonntagsfahrer. Das ist einerseits seine Art. Andererseits war eine taktische Rückentwicklung der Mannschaft gegenüber dem flexiblen Wundertütenfußball seines Vorgängers Guardiola kaum zu übersehen. Die Bayern spielten ein relativ starres 4-3-3-System und waren anfällig für die Pressing-Attacken Atléticos.
„Vom Gefühl her hatten wir heute ein bisschen wenig Spieler im Zentrum“, sagte Thomas Müller. „Wenn man gesehen hat, wie die Stürmer von Atletico heute gearbeitet haben, dann ist das ein Unterschied gewesen“, kritisierte Jérôme Boateng. Von „fehlendem Killerinstinkt“ sprach Manuel Neuer. Kapitän Philipp Lahm schließlich monierte, „zu viele Spieler haben nicht auf ihrem Niveau gespielt, und da zähle ich mich dazu.“
Das sind viele Faktoren, und so hinterließ der Abend in Madrid eine Vorahnung, dass die erste Saison von Ancelotti komplizierter werden könnte als erwartet. Das fußballerisch hochwertige Erbe Guardiolas neu zu nuancieren und ein bisschen mehr Freiheiten zu gewähren – damit wird es nicht getan sein.
Um der Konkurrenz zu begegnen, der Qualität von Barcelona oder Real Madrid, dem Furor von Atlético, dem Elan von neuen Projekten wie Guardiolas Manchester City oder auch Tuchels Borussia Dortmund, wird Ancelotti einen stringenteren Ansatz benötigen. Dazu gehören womöglich harte Entscheidungen, nicht zuletzt beim Personal.
Lahm, Robben, Ribéry, Alonso
Spieler wie Lahm, Robben, Ribéry – Säulen der besten Bayern-Generation seit den 1970er-Jahren – sind im Herbst ihrer Karriere angelangt, auch Xabi Alonso ist 34 Jahre alt. Doch die Zukäufe der letzten Jahre erreichen bisher nicht dieselbe Qualität (Thiago, Vidal, Costa) oder Ausstrahlung (Lewandowski). Bleibt die Jugend (Kimmich, Coman, Sanches), die in der Startelf diesmal außen vor blieb. Als ihr ausgewiesener Förderer galt Ancelotti noch nie. In Madrid schickte er die älteste Bayern-Elf seit elf Jahren auf den Platz.
Ob in Mailand, London, Paris oder Madrid – kaum ein anderer Weltklassetrainer achtete an allen Stationen immer so penibel auf Hierarchien. Insbesondere in Mailand ist er mit dieser Veteranentreue mit zwei Champions-League-Titeln und einem Finale zwischen 2003 und 2007 glänzend gefahren. Für die nationale Meisterschaft reichte die Puste in acht Jahren Milan allerdings nur einmal.
In München kann man sich das nicht erlauben. Zudem ist das Spiel in der zwischenzeitlichen Dekade physisch noch anspruchsvoller geworden. Atlético gewann auch deshalb, weil es viriler war und acht Kilometer mehr rannte. Mit Senatorenfußball kommt man gegen Typen wie Simeone nicht mehr an.
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