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Nicht so einig wie befürchtet

Auch wenn der Kanzler extra einen Ethikrat gründete – ein Jahr nach Start der Enquetekommission zur Gentechnik ist dort keine einheitliche Front erkennbar

BERLIN taz ■ Gerade ein Jahr besteht nun die Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“. Und schon jetzt ist klar, dass das Gremium nicht alle geplanten Themen abarbeiten kann. „Unsere Themen entfalten sich mehr und mehr“, sagt Wolfgang Wodarg, SPD-Obmann in der Enquetekommission.

Nicht nur das: Das Bundestagsgremium hat Konkurrenz bekommen durch den „Nationalen Ethikrat“ des Kanzlers. Auf den sind die Mitglieder der Kommission nicht gut zu sprechen. Besonders das Wort „national“ hat viele geärgert. Schließlich, so ist man sich einig, sei es nur ein Beratergremium des Kanzlers, während das einzig demokratische legitimierte – und insofern nationale – Gremium die Enquetekommission sei.

Doch auch wenn sich der Kanzler über die eine oder andere kritische Äußerung geärgert haben mag – auch in dem 26-köpfigen Gremium aus 13 Bundestagsabgeordneten und 13 Sachverständigen findet sich keine Front von Gentech-Skeptikern. Zwar ist auch der CDU-Obmann, Werner Lensing, der Meinung, „biotechnologische Forschung habe keinen Auftrag um den 8. Schöpfungstag“. Doch vom grünen Mitglied Monika Knoche, die von der Menschenrechtsfrage der Moderne spricht – und die als „Frauenfrage, wie es noch keine gab“ beschreibt, trennen Lensing Welten. Während Knoche die Verfügbarmachung des Embryos außerhalb des Mutterleibes um jeden Preis verhindern will, ist Lensing zurückhaltend mit solchen Festlegungen. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird durchaus von Teilen der Union vorsichtig befürwortet, einschließlich der Parteichefin. Auch für Lensing ist eine Aufweichung des Embryonenschutzgesetzes für die PID nicht tabu – „das wäre kein Dammbruch“, so der Unionspolitiker gestern. Selbst bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen ist der Prozess bei den CDU-Politikern in der Kommission noch nicht abgeschlossen.

Edzard Schmidt-Jortzig, Obmann der FDP und ehemals Justizminister, begrüßt sogar beides – wenn er auch klare Indikationen für die PID einführen und nur Stammzellen von bei der Reagenzglas-Befruchtung übrig gebliebenen Embryonen gebrauchen will. Bundesweit sind das nach Schätzungen der Regierung etwas über hundert Embryonen, die laut Embryonenschutzgesetz auch nicht vernichtet werden dürfen. Ilja Seifert, für die PDS im Ausschuss, ist dagegen als Behindertenvertreter gegen PID, stelle sie doch das Existenzrecht Behinderter in Frage.

Einig ist man sich nur noch in einem Punkt: dass bei den anstehenden Entscheidungen über den Umfang des Schutzes von Embryos für Fraktionszwang kein Platz sei. Zwei Parteien sind allerdings schon weit fortgeschritten mit einheitlichen Fraktionsmeinungen: Die FDP hat in ihrem Parteitagsbeschluss bereits klar Ja gesagt zu Stammzellenforschung und PID. Und die Grünen beraten heute in der Fraktion über ein neues Gentechnik-Papier. Der Text, der der taz vorliegt, unterscheidet sich nicht wesentlich von der Diskussionsvorlage vom Dezember, widmet sich aber abwägender und im Ergebnis sehr viel deutlicher den neuen Möglichkeiten.

Die Präimplantationsdiagnostik wird in dem von Monika Knoche, Reinhard Loske, Andrea Fischer, Rezzo Schlauch und anderen verfassten Papier „als eine Methode zur Selektion behinderten Lebens“ abgelehnt. Auch fordern die Autoren ein Fortpflanzungsmedizingesetz, in dem offene Fragen geklärt werden sollen, wie der Umgang mit „überzähligen Embryonen und Keimzellen“. Die Forschung mit embryonalen Stammzellen wird abgelehnt, weil es „menschliches Leben zum Ersatzteillager degradiere“.

Wenn sich auch Grüne und FDP weit aus dem Fenster hängen: Es ist unwahrscheinlich, dass sich der Bundestag noch vor der Wahl mit neuen Gesetzentwürfen beschäftigen wird. Der Kanzler ist strikt dagegen.

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