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Nicht ohne die USA – oder doch?

Die USA haben sich mit ihrer Ablehnung von Kioto isoliert. Doch noch ist unklar, ob die übrigen Staaten das Klimaprotokoll ohne die USA ratifizieren. Nach der Zurückhaltung von Australien und Kanada beginnt nun auch Japan zu wackeln

von MATTHIAS URBACH

Der niederländische Umweltminister Jan Pronk gab sich am Wochenende zuversichtlich. Zwar habe US-Präsident George Bush „die erste Krise in den zehnjährigen Klimaverhandlungen“ ausgelöst. Aber immerhin hätten die USA zugesichert, sie wollten ihre Position überprüfen und im Juli in Bonn ein Ergebnis vorlegen, berichtet Unterhändler Pronk, der bereits die gescheiterten Klimaverhandlungen von Den Haag geleitet hatte. „Das ist schon ein Schritt vorwärts“, sagte Pronk. Auch hätten die USA wenigstens ihre Aussage vom März nicht wiederholt, wonach „der Kioto-Prozess tot“ sei.

Pronk hatte am Samstag Umweltminister und hochrangige Experten am Rande des neunten Jahreskongresses der Kommission für nachhaltige Entwicklung in das New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel eingeladen. Dabei unterbreitete er den USA eine Reihe von Vorschlägen und Entgegenkommen, um sie doch noch zu einer Unterstützung des Kioto-Protokolls zu bewegen.

Wie wichtig die USA dagegen das Treffen nahmen, stellten sie bereits durch ihren drittklassigen Unterhändler klar: Sie schickten den stellvertretenden Abteilungsleiter ihres Büros für internationale Umweltfragen, Kenneth Brill. Der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zeigte sich nach dem Treffen entsprechend skeptisch. Notfalls müsse die EU das Protokoll allein mit den Staaten Osteuropas, Russland und Japan ratifizieren. Doch auch er setzt weiter auf Verhandlungen. In Gesprächen mit der Leiterin der US-Umweltagentur EPA in Washingon versuchte er die Amerikaner am Wochenende davon zu überzeugen, dass der Klimaschutz auch wirtschaftliche Potenziale biete. Bush hatte das Kioto-Protokoll mit dem Argument aufgekündigt, es schade der US-Wirtschaft.

Im Waldorf-Astoria versammelten sich insgesamt 25 Minister und etwa 100 weitere Teilnehmer. Die Ablehnung der US-Haltung war beinahe einhellig. Alle Länder erklärten, zum Kioto-Prozess zu stehen. Australien und Kanada schränkten jedoch ein, das Protokoll nicht ohne die USA ratifizieren zu wollen. Auch ohne die beiden Länder und die USA könnte das Protokoll in Kraft treten. Kritisch ist die Haltung der Japaner. Zwar verurteilen sie das Vorgehen von US-Präsident Bush und fühlen sich von dessen jäher Aufkündigung des Protokolls brüskiert. Doch die japanische Umweltministerin Yoriko Kawaguchi erklärte am Samstag nebulös, die Beteiligung der USA sei wesentlich für umfassenden Klimaschutz. In den vergangenen Wochen hatten die Stellungnahmen aus Japan noch beherzter geklungen. Offenbar wittern auch hier die Blockierer Morgenluft und hoffen, aus der neuen Situation noch Erleichterungen im Protokoll herausschlagen zu können.

Andere Länder zeigten sich betroffen: Der Planungsminister der Karibikinsel St. Lucia erklärte, sein Land müsse mit den Folgen häufigerer Stürme und Fluten kämpfen, wie sie Klimaforscher prognostizieren. Für St. Lucia gehe es ums Überleben, sagte der Minister Bishnu Tulsie. Auch aus Afrika gab es besorgte Stimmen. Der Treibhauseffekt bringe mehr Dürren und Überschwemmungen. Der Rückzug der Amerikaner verdamme daher die Entwicklungsländer, sagte Nigerias Umweltminister Alhiji Muhammad Kabir Said.

Noch schärfer äußerten sich die Umweltverbände. Dave Hawkins, Sprecher des US-Umweltverbandes NRDC, warf Bush vor, das Kioto-Protokoll nur abgelehnt zu haben, „weil die Kohle- und Öllobby ihm das gesagt hat“. Der WWF fordert nun eine klare Haltung der EU: „Die fortschrittlichen Länder sollten sich nicht länger durch die Blockadepolitik aus Washington ausbremsen lassen“, verlangte Regine Günther, Klimareferentin vom WWF Deutschland. Man sei der USA bereits sehr weit entgegengekommen. Es mache keinen Sinn, das Protokoll „bis zur Unkenntlichkeit zu verstümmeln“, nur damit die USA dabei sind.

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