Nicht-binäre Person über Diskriminierung: „Den Leidensdruck nehmen“
Robin Nobicht ist nicht-binär und musste für eine geschlechtsangleichende OP zahlen. Bei binären trans Personen zahlen dagegen die Kassen. Jetzt klagt Nobicht.
taz: Robin Nobicht, Sie klagen vor dem Bundessozialgericht für die Übernahme Ihrer Mastektomie, also die Abnahme der Brust, als nicht-binäre Person. Warum?
Robin Nobicht: Das war für mich keine richtig aktive Entscheidung. Es fing damit an, dass ich bei meiner Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme gestellt hatte, der dann abgelehnt wurde. Es war ein Gefühl, dass das nicht richtig war, was die Kasse gemacht hat. Ich wollte mich wehren, aber ich hatte auch das Gefühl, ich musste mich wehren. Die Gespräche, die ich mit der Gutachterin vom medizinischen Dienst hatte, waren sehr verletzend – sie war nicht empathisch oder informiert. Ich hätte sonst nicht weitermachen können.
Bislang ging das Verfahren schon durch mehrere Instanzen – das Sozialgericht Mannheim gab Ihnen recht, das Landessozialgericht Stuttgart nicht.
ist 25 Jahre alt und spricht aus Sicherheitsbedenken unter einem Pseudonym. Der taz ist der echte Name bekannt. Die Person hat die geschlechtsangleichende Operation in Baden-Württemberg vornehmen lassen, lebt aber mittlerweile in Österreich und forscht dort im Bereich der Biologie.
Ich dachte eigentlich, das ist eine recht simple Sache, dass nach der S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften gehandelt werden muss. Also, dass trans Personen durch geschlechtsangleichende Maßnahmen der Leidensdruck genommen werden soll, ganz unabhängig von der Geschlechtsidentität. Das gilt für nicht-binäre Personen genauso wie für binäre Personen, wie auch das Sozialgericht Mannheim geurteilt hat.
Mit welcher Begründung wurde Ihre Klage in Stuttgart abgelehnt?
Es wurde argumentiert, dass OPs zur Veruneindeutigkeit verboten sind. Das ist aber eine sehr binäre Sichtweise aus 2010, die vor allem seit der Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht zur dritten Option völlig überholt ist. Leider hat sich das Landesgericht von der panikmachenden Stimmung der Krankenkasse leiten lassen, dass mit meiner Klage nicht-binären Personen Anspruch auf alle möglichen OPs geöffnet werden könnte. Dabei geht es hier schlicht um eine OP, die bei anderen trans Personen selbstverständlich bezahlt wird.
Sie sind nicht die einzige nicht-binäre Person, die vor Gericht klagt. Sind Sie mit anderen Klagenden in Kontakt?
Jetzt vor der Klage beim Bundessozialgericht schon. Es ist wichtig, zu wissen, dass ich nicht allein dastehe. Dieses Urteil wird richtungsweisend sein für alle anderen nicht-binären Personen, deren Krankenkassen ihnen diese OP zur Zeit verwehren. Im Moment sind Sammelklagen bei Diskriminierung leider nicht möglich.
Warum nicht?
Es wird als individuelles Problem betrachtet, aber dadurch fällt die emotionale und finanzielle Last auf einzelne Personen, die ohnehin schon direkt durch die Diskriminierung zusätzlicher Belastung ausgesetzt sind. Wir tun uns über die TIN-Rechtshilfe (TIN steht für trans, inter, nicht-binär, Anm. d. Red.) zusammen, es läuft über ein kleines Netzwerk von Anwält_innen, die gut vernetzt sind. Dazu gehören meine Anwält_innen Friederike Boll und Katrin Niedenthal. Wenn Verbände Klagen führen könnten, dann wäre es für die Betroffenen eine deutlich geringe Belastung.
Was erhoffen Sie sich von dem Urteil?
Das Mindeste, was ich mir erhoffe, ist, dass nicht-binäre Personen einen Anspruch auf Mastektomie haben. Richtig wäre, dass andere Maßnahmen wie Hormonbehandlungen ebenfalls berücksichtigt werden. Was wir uns absolut erhoffen, ist ein richtungsweisendes Urteil, sodass medizinische Gutachten bei den Krankenkassen sich an den Wissensstandard halten müssen. Als ich den Antrag gestellt hatte, hat die Person nach einer Richtlinie von 2009 entschieden. Da gab es den dritten Geschlechtseintrag noch nicht mal.
Um wie viel Geld geht es vor Gericht?
Meine Mastektomie kostete circa 5.000 Euro. Allerdings bin ich schneller nach der OP nach Hause, um die Kosten möglichst gering zu halten. Ich war nur zwei Nächte in der Klinik. Die meisten Menschen bleiben nach einer Mastektomie drei bis fünf Tage. Der Heilungsweg zu Hause war sehr belastend. So eine OP ist anstrengend, bauchmuskeltechnisch war alles durch. Mein Partner war da und ist mehrmals in der Nacht mit mir aufgestanden. Sonst hätte ich Krankenpfleger_innen bezahlen müssen. Selbst wenn ich das Geld wiederkriege, ändert das nichts an der Sache, dass ich nicht die richtige Verpflegung hatte. Das lässt sich nicht ändern, nicht berichtigen.
Was tun Sie, wenn die Krankenkasse vor Gericht Recht bekommt?
Im Moment versuche ich, mich damit nicht auseinanderzusetzen. Für meine eigene Gesundheit kann ich das nicht. Ich hatte die OP schon, direkte körperliche Auswirkung hat das nicht, aber ich finde es schrecklich, mir das ausmalen zu müssen. Es ist eine mangelnde Wertschätzung. Aber notgedrungen werden wir uns in dem Fall wohl an das Bundesverfassungsgericht wenden müssen.
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