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Neuwahlen in Ägypten angekündigtSechs Monate Übergangszeit

Spätestens in einem halben Jahr soll ein neues ägyptisches Parlament gewählt werden. Auch die von der Opposition kritisierte Verfassung wird überarbeitet.

Kammerspiele in Äygpten: Mansur löste nach Mursis Sturz das Oberhaus umgehend auf. Bild: dpa

KAIRO dpa | Der ägyptische Übergangspräsident Adli Mansur hat einen Zeitplan für eine Änderung der Verfassung und Parlamentswahlen vorgelegt. Innerhalb von etwa einem halben Jahr soll nach dem am späten Montagabend vorgelegten Dekret ein neues Parlament gewählt werden.

Zuvor soll die umstrittene, islamistisch gefärbte Verfassung überarbeitet und abgeändert werden. Die liberale und linke Opposition hatte die Verfassung aus dem Jahr 2012 abgelehnt. Über den neuen Text soll in einem Referendum abgestimmt werden. Nach dem Zusammentreten des Parlaments sind Neuwahlen für das Präsidentenamt vorgesehen.

Der islamistische Präsident Mohammed Mursi war vergangene Woche nach Massenprotesten von den Streitkräften abgesetzt worden. Der Erklärung Mansurs seien Konsultationen mit den politischen Gruppierungen vorangegangen, die den Sturz Muris unterstützt hatten, hieß es in Kairo.

Am Morgen war die Lage eskaliert. Bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und dem Militär in Kairo wurden nach offiziellen Angaben mindestens 51 Menschen getötet und 435 weitere verletzt. Das Militär gab an, Bewaffnete hätten den Offiziersclub der Republikanischen Garde stürmen wollen. Zuvor hatte es in Kairo Gerüchte gegeben, dass sich Mursi dort aufhalten könnte. Die Muslimbruderschaft sprach hingegen von Angriffen auf friedliche Demonstranten beim Morgengebet. Die Muslimbrüder riefen für Dienstag zu neuen Protesten auf.

USA wollen weiter zahlen

International sorgten die jüngsten Ausschreitungen für große Besorgnis. Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich „bestürzt“ über den Gewaltausbruch. Alle Verantwortlichen müssten jetzt besonnen agieren und auf „Gewalt in jeder Form“ verzichten.

Der britische Außenminister William Hague erklärte: „Es ist wichtig, dass in Ägypten schnell eine Rückkehr zu demokratischen Prozessen stattfindet.“ Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu twitterte: „Ich übermittle dem ägyptischen Brudervolk mein Beileid.“

Die USA wollen trotz des Sturzes des gewählten Präsidenten Mursi weiterhin Militär- und Finanzhilfen an Kairo zahlen. Die Programme würden zumindest vorerst fortgesetzt, machte Regierungssprecher Jay Carney am Montag in Washington klar. „Es wäre nicht im besten Interesse der USA, unsere Hilfsprogramme für Ägypten sofort zu ändern“, sagte Carney auf Fragen von Journalisten.

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1 Kommentar

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  • A
    aurorua

    In Staaten die sich seit Jahrhunderten auf patriarchalische Stammesgesellschaften Gründen, in denen bei der breiten Masse Aufklärung und Bildung (insbesondere bei Frauen) von einer mittelalterlichen Religion abgewürgt wird, kann Demokratie nur sukzessive zu religiös verblendeten Staatsformen führen. Der islamistische Gottesstaat, oder eben Bürgerkrieg ist vorprogrammiert. Siehe Irak, Syrien und demnächst auch wieder verstärkt Afghanistan.

    Die vermeintlich demokratischen Staaten, in denen Wirtschaft, Wachstum, Gewinnmaximierung und daraus resultierende Totalüberwachung und Spionage die Regel sind, sollten zunächst einmal vor der eigenen Türe kehren, bevor sie das Heil unserer PSEUDODEMOKRATIEN -die nur den Reichen und Superreichen nützt- in die Welt tragen wollen.