Neuwahl in Griechenland: Beben unter der Akropolis
Nach der gescheiterten Präsidentenwahl schieben sich die Parteien die Schuld zu. Die deutsche Linkspartei sieht ein „Zeichen der Hoffnung“.
BERLIN/ATHEN taz/dpa | Die gescheiterte Wahl zum griechischen Staatspräsidenten am Montagmittag trug Kandidat Stavros Dimas mit Fassung: Er habe das Ergebnis erwartet, sagte er vor Journalisten. Führende Politiker der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia zeigten sich dagegen verärgert: Noch vor einem Treffen mit Staatspräsident Karolos Papoulias kündigte Ministerpräsident Antonis Samaras Neuwahlen für den 25. Januar an und warnte vor denjenigen, „die das Land ins Abenteuer stürzen wollen“.
Es war eine Kampfansage an die linke Syriza-Partei von Oppositionschef Alexis Tsipras. Der Vizepräsident des Parlaments, Jannis Tragakis, setzte noch einen drauf: Die Opposition führe das Land zu Neuwahlen, obwohl die Mehrheit des griechischen Volkes dies gar nicht wünsche, schimpfte der konservative Politiker.
Fotis Kouvelis sieht das anders. Der Chef der linksgerichteten Splitterpartei Demokratische Linke, die früher als Mehrheitsbeschaffer für Premier Samaras agierte, sich aber mittlerweile eher zur Linksopposition hingezogen fühlt, klagte: Wenn einer Neuwahlen erzwingt, dann sei dies Samaras höchstpersönlich, da er die für März 2015 geplante Präsidentenwahl vorziehe.
Fast pastoral klang die Reaktion von Alexis Tsipras: „Die Verträge der Sparpolitik sind Vergangenheit. Die Zukunft hat begonnen. Ihr sollt optimistisch und fröhlich sein“, verkündete der Oppositionschef.
Seine Gegner – allen voran Premierminister Samaras – bezeichnete er als „Merkelisten“, die das Spardiktat aus Berlin in die Tat umsetzen. Tsipras setzt auf die Stimmen von Millionen Griechen, die im Zuge der Sanierung, der Reformen und der Sparprogramme in den vergangenen vier Jahren ihre Arbeit verloren haben, ihr Einkommen um 25 Prozent schrumpfen sahen und die jungen Leute. Jeder Zweite von ihnen ist ohne Arbeit.
Finanzieller Druck
Analysten bemerken jedoch, dass Tsipras früher oder später von der Realität eingeholt werden wird. Ohne Einigung mit den Geldgebern wird schon Anfang März Ebbe in Athens Kassen sein.
Finanzminister Gikas Hardouvelis fühlt den Puls der Märkte – er weiß, was noch kommen könnte. „Anfang März könnten wir ein Problem haben“, sagte er am Montagnachmittag. Das griechische Hilfsprogramm läuft Ende Februar aus. Banker in Griechenland sprechen seit Wochen von ihrer Angst vor einem „Bank Run“. Aus diesem Grund sorgen sie dafür, dass alle Bankautomaten ausreichend mit Geld bestückt sind. Schon einige wenige defekte oder leere Bankautomaten könnten eine Panik auslösen, sagt ein Bankdirektor aus der Athener Vorstadt Peristeri. Die griechische Börse sackte nach der missglückten Präsidentenwahl um bis zu elf Prozent ab.
Unterdessen erklärte der Internationale Währungsfonds am Montagnachmittag, seine Zahlungen an Griechenland bis zur Bildung einer neuen Regierung auszusetzen. Die nächste Kredittranche könne erst danach ausgezahlt werden.
In Deutschland warnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Griechenland vor einer Abkehr vom Reform- und Konsolidierungskurs gewarnt. „Die harten Reformen tragen Früchte, sie sind ohne jede Alternative", sagte er am Montag in Berlin.
„Wenn Griechenland einen anderen Weg einschlägt, wird es schwierig.“ Neuwahlen würden das Land nicht von getroffenen Vereinbarungen entbinden. Ganz anders reagierten Politiker der Linkspartei: „Die Neuwahlen sollten niemandem Angst machen. Sie sind ein Zeichen der Hoffnung und bieten die Chance, die europäische Idee wiederzubeleben, die Angela Merkel mit ihrer Austeritätspolitik zu zerstören im Begriff ist", sagte Parteichef Bernd Riexinger der taz.
Die Neuwahl sei „kein Grund zur Furcht, sondern zur Freude für Europa“, sagte auch Außenpolitiker Stefan Liebich der taz. „Mit Tsipras' Syriza sind echte Verhandlungen nötig.“
Seit der Parlamentswahl 2012 ist die konservative Nea Dimokratia von Ministerpräsident Antonis Samaras stärkste Partei mit 29,66 Prozent der Stimmen und 129 Sitzen im Parlament.
Als zweitstärkste Partei (26,89 Prozent) agiert das Linksbündnis Syriza, das aufgrund des Wahlrechts nur 71 Sitze hält.
Auflösungserscheinungen zeigt die sozialistische Partei Pasok, die sich 2012 noch als drittstärkste Partei mit 7,51 Prozent und 33 Sitzen behaupten konnte.
Das gilt auch für die rechtspopulistische Gruppierung Unabhängige Griechen. Derzeit würde sie wohl kaum die 3-Prozent-Hürde schaffen.
Dagegen darf die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte weiterhin auf ihren Wiedereinzug ins Parlament hoffen; 2012 kam sie auf 18 Abgeordnete.
Als Mehrheitsbeschaffer diente Samaras nach der letzten Parlamentswahl die Demokratische Linke mit damals 17 Abgeordneten, die laut Umfragen keine Zukunft mehr hat.
Dagegen darf die orthodoxe Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) auf ihre Stammwähler hoffen. Mit 4,5 Prozent verbuchte die KKE 2012 das schlechteste Wahlergebnis ihrer Parteigeschichte und schaffte dennoch den Einzug mit 12 Abgeordneten. (jp)
Bekommt Syriza den Sitz-Bonus?
Alles deutet darauf hin, dass der Wahlkampf vor der Abstimmung Ende Januar mit harten Bandagen geführt werden wird – zumal der Sieger nach geltendem Wahlrecht mit einem großzügigen Sitz-Bonus belohnt wird: 50 Sitze bekommt die stärkste Partei geschenkt und kann somit auch bei einer Minderheit der Stimmen eine starke Mehrheit im Parlament erhalten.
Mit diesem Kniff sollten Volksparteien vor radikalen politischen Kräften beschützt werden. Ausgerechnet Syriza könnte diesmal vom Sitz-Bonus profitieren. Selbstverständlich ist das nicht. Möglicherweise wäre die Linkspartei auf Partner angewiesen – genauso wie derzeit Regierungschef Samaras, der notgedrungen mit der sozialdemokratischen Pasok des Außenministers Venizelos koaliert.
Ob die Sozialisten für Tsipras als Juniorpartner taugen, erscheint jedoch fraglich, zumal der ehemalige Regierungschef Giorgos Papandreou überraschend andeutet, eine neue sozialistische Partei gründen zu wollen, die seinem politischen Erzfeind Venizelos Konkurrenz macht.
Erstmals seit Wiederherstellung der griechischen Demokratie im Jahr 1974 müssten in diesem Fall die Sozialisten der Pasok um ihren Wiedereinzug ins Parlament bangen.
Überschattet wurde der dritte Wahlgang der Präsidentenwahl von Protestaktionen der rechtsextremen Partei Goldenen Morgenröte. Die Abgeordneten der Neonazis sitzen derzeit in Untersuchungshaft und warten auf ihren Prozess wegen illegalen Waffenbesitzes und Mitgliedschaft an einer Verbrecherorganisation – dürfen aber trotzdem mitwählen.
Nur wenige Sekunden, nachdem Parlamentspräsident Meimarakis das Ergebnis der Abstimmung bekannt gab, schrien die rechtsradikalen Volksvertreter ihre Kollegen an und sagten sinngemäß: „Wir warten auf euch.“ Will heißen: Nach der Parlamentswahl sollen auch die heutigen Regierungspolitiker ins Gefängnis kommen.
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