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Neurobiologie-Kritik auf dem taz.labSein schräges Beharrungsvermögen

Felix Haslers Buch „Neuromythologie“ ist klug. Es verstört die Richtigen. Bei einer Begegnung gibt er einen kritischen Einblick in die Neurobiologie-Szene.

Alles quatsch, die Wissenschaftlichkeit der Gehirnforschung? Bild: reuters

BERLIN taz | Er sieht auf den ersten wie auf den zweiten Blick eher wie ein Hippie aus oder wie ein Caffe-latte-Nerd zeitgenössischer Prägung, der dauernd im szenigen „Oberstolz“ abhängt. Goldene Brille, ein leicht gelichteter Lockenschopf, etwas wirr gehalten. Was auffällt - ein Mann von Ende vierzig und bester Laune, von starker Vitalität bei größter Freundlichkeit. Wir sprechen über sein Buch „Neuromythologie“, das in der Wissenschaftscommunity der Neurobiologen für Furore sorgt, ja schlimmer noch, Nervosität stiftet.

Ohne hier auch im Entferntesten nur den Jargon dieser Szene der Gehirn-, Gedanken- und Gemütsforscher imitieren zu wollen, darf man sagen: Hasler, gebürtiger Liechtensteiner, hat die gründlichste und eisigste Kritik dieses in den jüngsten Dekaden hoch subventionierten Wissenschaftsspiels verfasst. Er sagt: Sogenannte bildgebende Verfahren, von denen behauptet wird, sie könnten Depressionen, Alkoholismus oder Süchtiges überhaupt erklären, taugen nichts. Nicht jedenfalls für das, was sie vorgeben zu erklären.

Mit technisch-computeroid gewonnenen Bildern von Gehirntätigkeiten lasse sich Subjektives nicht lesen, nicht kenntlich machen. Was ein Mensch denkt und weshalb er gerade das tut, was er träumt - und nichts anderes -, sei unmöglich in schrillen Tomographien aus Gehirnregionen abzubilden.

Dieser Mann und sein Buch konnte und kann von den Szientisten seines Milieus nicht abgetan werden. Denn Hasler ist selbst einer von ihnen, nicht in erster Linie Literat oder Journalist. Promoviert wurde er an der Universität Bern mit Forschungen über die Psychopharmakologie halluzinogener Pilze - also über jene Stoffe, die uns auf Trips schicken, führten wir sie uns zu.

Felix Hasler

Felix Hasler spricht auf dem taz.lab (10.30 Uhr) unter der Überschrift „Was würde die Fledermaus denken? Über die Deutungsmacht der Hirnforschung - eine Mixtur aus Größenwahn und Plapperseligkeit“ über seine Befunde.

Das ist ja alles nicht erwiesen

Nein, dieser Naturwissenschaftler war zu einem geeigneten Moment mutig genug, in seinen beruflichen Kontexten zu fragen: Stimmt das eigentlich, dass etwa Depression mit dem Fehlen von Serotonin zu tun hat? Gibt es darüber Studien, die seriöserweise diesen Namen verdienen? Oder ist das Milliardengeschäft der Pharmaindustrie mit Antidepressiva eines, das, wissenschaftlich gesehen, auf unsicherer Wissensbasis generiert wird? Hasler stand eines Tages auf, sagt er, und ließ verlauten: Das ist ja alles nicht erwiesen!

Es gibt KollegInnen, die nach Lektüre seines Buches zum „Neuro Bubble“, zum Hype um bildgebende Verfahren in der Psychiatrie etwa, sagen: Der Hasler, der sagt uns etwas, das so grundstürzend ist wie die Erkenntnis, dass die Erde um die Sonne kreist - nicht umgekehrt. Dieser Liechtensteiner räumt nun ein, sein Buch würde er inzwischen weniger beißend, deprimierend schreiben.

Ja, Umgänglichkeit auch im Streit um Paradigmatisches ist ihm eine Tugend. Gleichwohl hat er, gerade als Teil der Wissenschaftselite der Humboldt-Uni, schon ein neues Projekt beantragt bei der Volkswagenstiftung im Bereich Experimentelles. Thema: Kann Kunst dort genug Wissen generieren, wo die Wissenschaft nicht weiterkommt?

Der Akzent liegt auf dem Wort: Wissen. Das ist schräg, mutig gefragt - und verspricht, ja erfindet Zukunft des Wissens. Man wünsche ihm und seinen KooperandInnen (Christian Keller, Wissenschaftshistoriker, und Magaly Tornay, Künstlerin) Gelingen.

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8 Kommentare

 / 
  • R
    radikal

    @von Neurowissenschaftler:

    Was für ein blanker Unfug."

     

    Träum weiter, alder.

     

    Die Buchbesprechung und das Teil hier -

    mögen nicht der hit sein;

    aber das offensichtliche Sitzen im

    - was man früher Elfenbeinturm nannte,

    kann auch nicht die Lösung sein.

     

    Einfach mal den Ferni anschalten und

    staunen, was da alles auf der Neuro-Schiene

    als denier cri angepriesen wird.

     

    Und daß der Autor keine rausweisenden Lösungen anbietet;

    so what ? er verhehlt ja gar nicht, daß kleine Brötchen

    backen angesagt ist, nicht vollmundige große Sprüche.

     

    Chargaff hat das mal anläßlich seines - vergeblichen - Versuches,

    ein Moratorium im Gen-Forschungsbereich zu installieren,

    mit dem plastischen Bild versucht deutlich zu machen:

    " Wir haben von dem Wissenschaftsgebirge, das möglicherweise zudem unendlich ist,

    ein paar Splitter abgebrochen und glauben nun, wir könnten - pars pro toto - auf den Rest

    schließen."

     

    Wem das Buch nicht paßt, zu kurz greift:

    haut rein - schreibt was besseres;

    wir tumben Laien sind gespannt.

  • N
    Neurowissenschaftler

    Was für ein blanker Unfug.

     

    Zunächst: Was haben Zweifel an der kausalen Rolle von Serotonin bei Depression mit der Aussage zu tun mit „Bildern von Gehirntätigkeiten lasse sich Subjektives nicht lesen“? Und was hat das wiederum mit den kriminellen Machenschaften der Pharmaindustrie zu tun? Egal.

     

    Aber das man hier so tut als sei es eine bahnbrechende Erkenntnis, dass man mit herkömmlichen wissenschaftlichen Erklärungen (‚descriptions of spatiotemporal and formal structures‘, wie der Philosoph sagen würde) die Phänomenologie des Geistes und menschlicher subjektiver Erfahrung nicht erklären kann, schlägt dem Fass den Boden aus. Spätestens seit der wachsenden Bedeutung der Philosophy of Mind (in den 1990er Jahren) ist dies jedem ‚Neurowissenschaftler‘ der diese Bezeichnung verdient bekannt.

     

    Ich empfehle David Chalmers „The conscious mind“ (1995) und folgenden Link: http://consc.net/papers/nature.pdf

     

    Als langjähriger TAZ-Leser bin ich entsetzt von der Stümperhaftigkeit dieses Artikels.

  • L
    lowandorder

    JAF - mit nem Nachbrenner;

    & - klar: Frisur, Brille, outfit, Nerd-nich-Nerd?

    =welches Lokal. Gähn.

     

    "…hätte es heute nicht so …!?"

    gebongt; aber - wenn nich, warum nich?

    und wie denn dann?

    verschwunden in Latte…!? tja - so geht's.

     

    In der Sache:

    Wer mit Haeckel, Thomas Kuhn, Paul Feyerabend,

    Heinz von Foerster, Chargaff auf- und gewachsen ist,

    freut sich über und an so einem Buch, seinem impetus

    und dem Märchen von den neuen Kleidern 2.0.

     

    In der Realität:

    fand ich's gar nicht witzig, was dementsprechend

    in den sog Nachzulassungsverfahren

    für Altarzneimittel zutage trat.

    Eine Vielzahl dieser - bis dato nichtgeprüften! - Arzneimittel vor Inkrafttreten

    des Arzneimittelgesetzes von 1976!!( 1999 waren das noch über 30.000 Altverfahren!!),

    hatten zwischenzeitlich ( 1999ff) ein Karriere durch

    absolut grundverschiedene Anwendungsgebiete durchlaufen.

    UND - waren dementsprechend fleißig und gewinnbringend -

    für die Industrie verordnet worden.

    " Als Mittel gegen eingeschlafene Füße und als sanftes Schlafmittel

    gestartet - jetzt grad mal als schweres Herzmittel on the road."

    Zumal sich der Verdacht erhärtete, daß die Großen - Merck etc - sich ohnehin

    via Schoß Schröder, Merkel usw den Umweg über Gerichte sparten.

    Und die Industrie nur Phantasienamen der Wirkstoffe,

    nicht aber deren wissenschaftlich-chemische Klarname

    rausrückt.

  • D
    DrTop

    Und wer Spaß dran hat, liest dann gleich bei Peter Fuchs, Das Gehirn- ein ökologisches Organ weiter.Seine These: die Milz ist so klug wie das Gehirn- muss stimmen, der Mann sitzt auf der Jaspers Professur in Heidelberg-ein Meisterwerk, die Neuroreduktionisten werden geschreddert.

  • F
    FMH

    Ich empfehle zum Thema Craig Bennetts Versuche bei welchem einem Lachs Fotos von Menschen mit bestimmten Gesichtsausdrücken vorgelegt wurden und seine Reaktionen darauf im MRT gemessen wurden. Das funktionierte sehr gut, obwohl das Tier tot war.

  • G
    Geldmaschine

    Gibt den Kindern eine Maschine und sie fangen das Spielen an.

    Der kulturell Code ist seit langem dystopisch auf den Kopf gestellt.

    Manch wissenschaftlicher Betrieb ist sehr religiös geworden.

    Kaum haben hunderttausende Fakten und misshandelte Kinder der klerikalen Pädophilie das Licht der Welt erblickt, kam aus der kieler Uni:

    "MRT kann Pädophilie erkennen"

    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/wissenschaft/1686734/

    mit der Behauptung einher, das viele Menschen pädophil sind und nicht das Zölibat als eine Ursache in der Kirche gilt.

    "Pädophilie ist in Deutschland weitaus verbreiteter als bisher angenommen. Der Kieler Professor für Sexualmedizin Hartmut Bosinski nennt erschreckende Zahlen:"

     

    Alleine die gesamten Testreihen und Aufbau lassen für logisch denkende Menschen sehr stark an dem Ergebnis zweifeln. Natürlich war die USA sehr erfreut, Gedankenverbrecher einsperren ist eine Kriegsart, ein Ziel und fördert den Umsatz, wenn schon kaum U-Boote verkauft werden, so können Versicherungen ihre Versicherten genauer klassifizieren.

    Immer dem Geld nach. Mit Geld gibt es universitär passende Ergebnisse.

    "Die neue MRT-Methode soll in Zukunft Straftaten verhindern. Dadurch, dass Menschen rechtzeitig erkennen, dass sie pädophil sind. Und gezielt therapiert werden. Das ist das Ziel der Kieler Sexualmediziner."

     

    Wissenschaftlich peinlich pikant ist das VMAT2 Gen, das Gottes-Gen welches von jeder monotheistischen Religion und ihre Brüdern fieberhaft gesucht wird. Ob das auch therapiert werden kann?

    Hoffentlich ändert sich nach der A. Schavan etwas.

    Sieht aber leider nicht so aus, die EU hat gigantische Fördergelder zur Verfügung gestellt.

  • O
    Ottoheinz

    Nein; ich kenne weder das Buch noch dessen Autor-/en/

    in. Nur die Kopplung der Worte Depression und

    Serotonin mit bildgebenden Verfahren und "Erkenntnissen

    " erweckten inneren Widerspruch; hier wurden die Grenzen zwischen Wissenschaft und sogenannter Parapsychologie überschritten. Ich empfehle in diesem

    Dschungel von Wissen, Nichtwissen, Nichtwissenwollen

    und raffinierter Geschäftemacherei einen gewissen

    seligen Gerichtsmediziner der Humboldt-Universität

    Berlin - Prof.Dr.mult. P r o k o p - und seine

    Ausführungen zum Thema "Übersinnlichkeit" als

    Richtschnur und Wegweisung zur Wahrheit.

  • F
    frankenstein

    ok, erst las the mind, neuromykologie, dann erkannte es neuromytho . . ., dann las es, und mußte gähnen. wie war das nochmal mit der ersten und bis jetzt letzten weltraumbestattung? und erst die vergesslichkeit, depremierend. aber die uk-briten sind doch die gewinner der eurokrise(zypern), oder?