Neurechte Veranstaltung der AfD: Familientreffen der Verschwörer
AfD-Kreischefs luden zum „Alternativen Wissenskongress“. Es kamen die Verbreiter krudester Thesen: Jürgen Elsässer, Andreas Popp, Eberhard Hamer.
WITTEN taz | AfD-Chef Bernd Lucke hatte die Veranstaltung kritisiert, war am Ende aber machtlos. Am Sonntag fand im westfälischen Witten der selbst ernannte „1. Alternative Wissenskongress“ statt, organisiert von lokalen Funktionären der Alternative für Deutschland rund um den Gütersloher Kreisvorsitzenden Udo Hemmelgarn.
„Alternatives Wissen ist wichtiger denn je. Der Mainstream (und das ist nicht die Mehrheit) dominiert und versucht, die bestehenden Machtverhältnisse zu zementieren. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind immer stärkeren Manipulationsvorwürfen ausgesetzt. Mit der Zwangsabgabe GEZ-Gebühr wird dieser Irrsinn auch noch vom Bürger finanziert. Die Zeit ist reif, für ein eigenes Programm“, hieß es in der Einladung.
„Alternatives Wissen“ hieß für die Organisatoren: einige der bekanntesten neurechten Verschwörungstheoretiker Deutschlands einzuladen, darunter den Publizisten Jürgen Elsässer, Chefredakteur der Zeitschrift Compact. In seiner Auftaktrede warb er für die rechtspopulistische Pegida-Bewegung, referierte die üblichen Verschwörungstheorien zu 9/11 und dem Absturz des Fluges MH17 über der Ukraine. Mit reichlich Medienschelte brachte er die Zuhörer weiter in Stimmung. Journalisten seien Stiefellecker, es werde ein Medientrommelfeuer im Sinne des US-Pentagon auf das Volk gerichtet. Im Publikum schrie jemand „Ami go home!“.
Fast 800 Interessierte waren der Einladung zum Wissenskongress gefolgt, der Hauptsaal des Wittener Saalbaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Aus Sicht der Veranstalter war der Andrang ein voller Erfolg – ein roter Stempel „ausgebucht!“ prangte auf der Großleinwand. Im Publikum waren neben Rentnern und Mittvierzigern auch viele junge Leute. „Man sieht doch: Wir sind rechte Mitte, nicht rechtsextrem“, sagte ein Besucher.
„Staat nur ein Handlanger“
Der zweite Redner, der emeritierte Staatsrechtsprofessor Karl-Albrecht Schachtschneider, fällt durch meist erfolglose Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht auf – zuletzt gegen die Übernahme der Schulden Griechenlands. Er forderte ein Ende der angeblichen Unterwerfung Deutschlands unter das Protektorat der USA.
Auch dabei: Andreas Popp, Lebensgefährte der früheren „Tagesschau“-Frontfrau Eva Herman, dessen Theorien bei den Montagsmahnwachen der Friedensbewegung en vogue sind. Die US-Administration verträte die Interessen der Hochfinanz, sagt Popp. In unserem System sei der Staat nur ein Handlager, die Banken seien die Gewinner der Finanzkrise. Das Geld werde zum Nachteil der Steuerzahler „von fleißig nach reich verteilt“. Das Publikum fühlt sich verstanden. Eine Mittelständlerin jubelt: „Ja – genau so ist es!“
Zum Schluss darf das Publikum Fragen stellen. Eberhard Hamer, Präsident des Mittelstandsinstituts Niedersachsen, beantwortet sie bereitwillig. Ja, die Konzerne würden die Politiker beherrschen, die Altparteien lügen und betrügen: „Die Kanzlerin hört auf zu denken, wenn Obama am Telefon ist“, weiß Hamer. Die Bundesrepublik habe eine Marionettenregierung, „die letztendlich tun muss, was die Besatzungsmacht sagt“.
Vor der Tür protestierten rund 250 Demonstranten gegen den Kongress. „Die sind gekauft worden, sagt man“, raunt Schachtschneider. Elsässer legt einen oben drauf: Der Staat habe die Demo finanziert.
Mitorganisator Sebastian Schulze, Vizechef der AfD im Märkischen Kreis, kündigt eine Fortsetzung der Veranstaltung an. Das nächste Verschwörer-Familientreffen soll in einem Jahr stattfinden. Vermutlich wieder unter Beteiligung der AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP