Neukaledoniens Unabhängigkeitsstreben: Neukaledonien wird ein eigener Staat, irgendwie
Einigung in Neukaledonien nach den Unruhen 2024: Das Überseeterritorium im Südpazifik soll ein mit Frankreich assoziierter souveräner Staat werden.

Weil dafür allerdings eine Verfassungsänderung nötig ist, muss die Vereinbarung noch sowohl von der Französischen Republik als auch durch eine Volksabstimmung der gemischten neukaledonischen Bevölkerung ratifiziert werden. In Neukaledonien soll die Abstimmung im Frühjahr 2026 stattfinden.
Sowohl in den Reihen der „Caldoches“, die für einen Verbleib bei Frankreich sind, als auch in der indigenen Bevölkerung der Kanak könnte der Kompromiss wegen der nachhaltigen gegenseitigen Ressentiments nach den schweren Unruhen von 2024 und einer langen Geschichte von gewaltsamen Konfrontationen bei einem Votum durchfallen.
Als „historisch“ wird diese „Einigung für die Zukunft von Neukaledonien“ von allen Beteiligten an den Verhandlungen im Schloss Bougival bei Paris gewertet, weil damit grundsätzlich der Weg des heutigen Überseeterritoriums zu einem souveränen Staat mit eigener Verfassung und Gesetzgebung vorgezeichnet ist.
Wird die Souveränität mehr als ein Stück Papier?
Vorerst soll Neukaledonien ein mit Frankreich assoziierter Staat sein, der wichtige Kompetenzen wie Sicherheit und Verteidigung weiterhin der französischen Republik überträgt. Doch völkerrechtlich soll Kanaky-Neukaledonien bereits nach der Ratifizierung als souveräner Staat von der UNO anerkannt werden. Bisher stand die Inselgruppe östlich von Australien auf der Warteliste der Entkolonisierung.
Was die Bewegung FLNKS (Front de libération nationale kanak et socialiste) in ihrem antikolonialen Kampf nicht erreicht hat, und was die profranzösischen „Caldoches“ bisher rundweg abgelehnt hatten, wird in der Einigung vom Samstag festgeschrieben: Kanaky-Nouvelle-Calédonie (KNC) wird ein Staat, der ein Grundgesetz mit nationalstaatlichen Kompetenzen bekommt, und mit einer Bevölkerung, die neben der bisherigen französischen Staatszugehörigkeit auch eine eigene Nationalität erhält.
Die Frage bleibt, ob die Souveränität mehr als Papier wird. Wie weit sich die ehemalige Kolonie von Frankreich entfernt, könnte später mit qualifizierten Mehrheiten beschlossen werden. Vielleicht haben die Loyalisten diesen Kompromiss akzeptiert, weil sie im neukaledonischen Kongress die Mehrheit haben und nicht befürchten müssen, dass bald eine definitive Ablösung von Frankreich beschlossen wird.
Der Verfassungsrechtler Benjamin Morel kritisiert, das neue Statut gleiche am ehesten den nach dem Ersten Weltkrieg geschaffenen Protektoraten (zum Beispiel Tunesien und Marokko), die in Wirklichkeit an der Vorherrschaft der Kolonialmacht wenig änderten.
Ewiger Streitpunkt Nickel-Abbau
Bei drei Referenden war seit 2018 von einer Mehrheit die von den Kanak geforderte Unabhängigkeit von Frankreich abgelehnt worden, weil die indigene Bevölkerungsgruppe bereits seit Jahrzehnten eine Minderheit (heute ca. 41 Prozent) darstellt.
Für zukünftige Wahlen wurden wegen der Zuwanderung aus Europa und anderen südpazifischen Inseln im Abkommen klare Regeln festgehalten. Nur wer seit mindestens 10 Jahren in Neukaledonien wohnt, bekommt das Stimm- und Wahlrecht und die Staatsbürgerschaft.
Der ständige Streit darüber, wer über die Zukunft von Neukaledonien mitbestimmen darf, hatte 2024 zu schweren Zusammenstößen geführt, bei denen 14 Menschen getötet wurden. Beim Konflikt ging es aber auch um die wirtschaftliche und soziale Benachteiligung der jugendlichen Kanak und um den Abbau des wichtigsten Rohstoffvorkommens Nickel.
Im Abkommen, das einen „Pakt für den ökonomischen Wiederaufbau“ enthält, wird darum unter anderem angekündigt, dass in von den Kanak kontrollierten nördlichen Provinzen eine Anlage zur Nickelverarbeitung geschaffen wird.
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