Neues von A Tribe Called Quest: Jazz, Soul und ein Monster
HipHop ist eine bedeutende Kunstform. Das stellen die Alben von A Tribe Called Quest und NxWorries mal wieder eindrucksvoll unter Beweis.
„Niggas in the hood living in a fishbowl / Gentrify here, now it’s not a shit hole“: A Tribe Called Quest sind wütend. Seit dem letzten Lebenszeichen der New Yorker Rap-Pioniere (1998) mag HipHop vollends mainstreamtauglich geworden sein, doch ATCQ interessiert das wenig: Auf ihrem neuen Werk „Thank you for your Service … We got it from here“ rappen sie virtuos über Gentrifizierung als Folge von schlechter Wohnungsbaupolitik und thematisieren die Marginalisierung von AfroamerikanerInnen – so kurz nach der Wahl Donald Trumps ist das ein klares Statement.
Hell war die Aufregung im HipHop-Universum, als die Crew aus dem New Yorker Bezirk Queens im Oktober ihr Comeback verkündete. Auch, weil einige Monate zuvor Gründungsmitglied Phife Dawg an Diabetes verstorben war – mitten in der Produktion des Albums. In den Neunzigern veröffentlichte die Crew fünf Alben, seither trat sie eher sporadisch in Erscheinung.
Aber ihre street credibility, hervorgerufen durch die heisere Kodderschnauze von Rapper Phife Dawg und seinem wohlüberlegt sonoren Widerpart Q-Tip, ist und bleibt unnachahmlich: Afrozentrismus, schmutzige Witze, Konkurrenten anpflaumen – all das entstand stets im Kollektiv.
Für das neue Werk kehrten neben den beiden Rappern auch Urmitglied Jarobi White und Produzent Ali Shaheed Muhammad zurück. Mit dem fulminanten Track „We the People …“, dessen Titel den Appell der US-Verfassung übernimmt, zeigt sich das Quartett in fantastischer Form. Auf einer peitschenden Kickdrum und einem rollenden Bass fordern Phife und Q-Tip auf, die Augen aufzumachen: „All you mexicans, you must go […] Muslims and gays / Boy we hate your ways“. Gereimt wurden diese Zeilen während des Wahlkampfs.
Auf musikalischer Ebene bildet Jazz in Form von Samples den Sound von ATCQ. Vom Jazz übernimmt die Crew auch die Freiheit, keinen ihrer neuen Tracks ins klassische Muster – jeweils in 16 Stanzen getaktete Reime – zu zwängen. Und die Gäste strengen sich an: Busta Rhymes spuckt Boshaftes („Mobius“), Schnulzenkönig Elton John (!) liefert die Coda („Solid Wall of Sound“). Auch das Talent Anderson.Paak. überzeugt. Auf Facebook schrieb der Kalifornier euphorisch, er fühle sich „geehrt, dabei zu sein!“.
Hot Topic der Westküste
Anderson.Paak surft ohnehin auf einer Erfolgswelle, seit seinem Auftritt auf Dr. Dres Album „Compton“ gilt er als hot topic der Westküste. Sein neuestes Projekt ist zusammen mit dem Produzenten Knxwledge unter dem Künstlernamen NxWorries entstanden. Es heißt „Yes Lawd“ und ist völlig unpolitisch. Vielmehr lebt die Musik von ihrem Vibe. Man hat sofort Asphalt vor Augen, durch Autolichter eingefärbten Rauch, der aus Gullideckeln emporsteigt, und halbseidene Figuren in lila Pelzmänteln.
Paaks Stimme zieht HörerInnen sofort in seine Sexfantasien. Er imaginiert sich in die Rolle des supersexistischen Pimps, was auch Aufarbeitung seiner Vergangenheit ist: Als Kind wurde Anderson.Paak Zeuge, wie sein eigener Vater die Mutter misshandelte. Erste Gehversuche als Musiker scheiterten, zwischendurch lebte Paak mit Familie obdachlos in einem Auto.
A Tribe Called Quest: „Thank you for your Service… We got it from here“ (Epic Records/Sony) und NxWorries: „Yes, Lawd!“ (Stones Throw Records/Groove Attack)
Im direkten Vergleich mit A Tribe Called Quest hört man deutlich, dass Paaks Reimtechnik noch nicht ausgereift ist, „Yes, Lawd!“ lebt eher durch die Musik, die von Knwledge stammt. Der Mann aus Philadelphia schneidert dem Kalifornier aus unzähligen Soul-Samples bestehende Hooklines. Das Ergebnis klingt angenehm nach Rumpelkammer, in der sich ein Besenstiel über den kaputten Staubsauger an die zusammengeknüllte Matratzenfolie drückt – es raschelt und knistert an allen Ecken.
Festzuhalten bleibt: Auch US-HipHop-Künstler dürfen nach Trumps Wahlsieg unpolitisch sein. Sogar A Tribe Called Quest, die haben ihr Albumfinale zwar „The Donald“ getauft, damit verneigen sie sich aber vor ihrem verstorbenen Rapper Phife Dawg. Noch einmal feiert er in „The Donald“ Auferstehung, und seine Kollegen nennen seinen Namen 34 Mal. Keine Sekunde geht es dagegen um das gelbhaarige Monster, das bald ins Weiße Haus einziehen wird. Trotzdem, Erinnerung ist die beste Medizin, besonders in schwierigen Zeiten.
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