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Neues VergabegesetzHamburg gönnt sich Tariftreue light

Hamburg versucht die Quadratur des Kreises: Neues Vergabegesetz soll Tariftreue gewährleisten und Geld sparen. Gewerkschaften kritisieren Ausnahmen.

Die Kellner beim Hamburger Matthiae-Mahl müssten Tariflohn kriegen – aber kein Weihnachtsgeld Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Wann immer die Stadt Hamburg oder öffentliche Unternehmen in Zukunft Aufträge etwa für Caterings oder Büromöbellieferungen ausschreiben, sollen fortan neue Regeln gelten: Am Dienstag hat der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) seinen Entwurf für die Reform des Vergabegesetzes vorgestellt.

Fortan soll Tariftreue ein ausdrückliches Kriterium für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Unternehmen werden. Die Stadt Hamburg preist die Regelungen als „sozial, effizient, krisensicher“ – doch Gewerkschaften fordern schon jetzt Nachbesserungen.

Um die Auftragsvergabe künftig sozialer zu gestalten, will die Stadt Hamburg neue Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Branchenübliche Tariflöhne werden somit für alle auftragnehmenden Unternehmen zwingend. „Stadt und Staat haben als Auftraggeber eine Vorbildwirkung,“ erklärte der Finanzsenator in der Landespressekonferenz. „Wir haben eine Chance, hier Benchmarks zu setzen.“

Die neuen Regelungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge sind das Ergebnis intensiver Gespräche zwischen der Stadt Hamburg sowie Ver­tre­ter*in­nen von Wirtschaft und Gewerkschaften. Letztere begrüßen grundsätzlich die gesetzlich vorgegebene Tariftreue, die die Reform mit sich bringt.

DGB fordert Nachbesserungen

„Es ist wichtig und richtig, dass sich der Senat die Tariftreue bei seinen öffentlichen Vergaben explizit ins Gesetz schreibt,“ teilt Tanja Chawla, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Hamburg mit. „Es darf nicht länger sein, dass Kol­le­g*in­nen auf öffentlichen Baustellen nur den Mindestlohn bekommen und nicht Löhne entsprechend den gültigen Tarifverträgen.“ Die Lohnhöhe dürfe nicht zum Wettbewerbskriterium verkommen und geltende Standards unterhöhlen.

Dennoch fordert der DGB bereits jetzt Nachbesserungen. In seiner aktuellen Formulierung enthalte das Gesetz Begriffe, die sehr schwammig auszulegen seien. „Insbesondere die Anwendung der branchenspezifischen Tarifverträge muss fest verankert werden,“ ordnet die Hamburger DGB-Vorsitzende Chawla ein. Sie führt aus, dass das Gesetz so sicher formuliert sein müsse, dass die Tarifbindung auch in Zukunft eingehalten werden müsse. Aktuell heißt es im hamburgischen Vergabegesetz nämlich lediglich, die Tarifverträge sollten „zugrunde gelegt“ werden, was jedoch noch keine Rechtsverbindlichkeit ausdrückt.

In Hamburg sollen „die jeweils geltenden Branchentarifverträge mit tariffähigen Gewerkschaften als Grundlage genommen“ werden für Verordnungen des Senats, die die Mindestentgelte regeln, so heißt es in der Pressemitteilung des Senats. Ab 2024 sollen sie alle zwei Jahre überprüft werden. Es geht dabei allerdings ausschließlich um die Stundenlöhne, nicht um weitere Tarifvereinbarungen.

Dagegen sieht beispielsweise das saarländische Gesetz vor, dass sich die Vergaben sich an den „Branchentarifverträgen orientieren“ müssten, wobei auch Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen sowie Zuschlagszahlungen ausdrücklich berücksichtigt werden sollen. Davon ist in der Hamburgischen Fassung bisher keine Spur. Mit der Präzisierung solle laut Chawla die Gefahr ausgeschlossen werden, dass die Verordnung „je nach politischer Konstellation zum Spielball“ werde.

Darüber hinaus kritisiert der DGB auch die festgesetzten „Schwellenwerte“ als zu hoch. Aktuell greift die Regelung nämlich erst, sobald Lieferungen und Dienstleistungen einen Schwellenwert von 100.000 Euro überschreiten. Bundesweit sei dieser laut DGB „mit Abstand“ der höchste.

Das Gesetz soll auch Geld sparen helfen

Die Stadt preist diese Regelung mit dem Verweis auf Effizienz als „vereinfachtes Beschaffungsverfahren“ an. Dennoch bleibt nach aktuellem Stand offen, ob sich Unternehmen auch dann an tarifliche Festlegungen halten müssen, wenn die Aufträge unter dem Schwellenwert liegen. „Damit besteht aus unserer Sicht ein ernstzunehmendes Risiko, dass sich das Gesetz selbst abschafft,“ kritisiert Tanja Chawla weiter.

Dressel rechtfertigt die Klausel: Weil aktuell zu wenig Unternehmen auf öffentliche Ausschreibungen bieten würden, will die Stadt Hamburg mit der neuen Vergaberegelung den Wettbewerb zwischen potenziellen Auftragnehmern anheizen. „Wir erleben eine herausfordernde Zeit, weil wir einem Anbietermangel ausgesetzt sind,“ erklärte Finanzsenator An­dreas Dressel in der Landespressekonferenz. Schlussendlich soll die neue Vergabeordnung der Stadt Geld einsparen, damit sie zukünftig nicht mehr auf wenige teure Anbieter angewiesen ist. „Mit dem Gesetz wollen wir anwendungsfreundlicher werden,“ heißt es von Dressel.

Der Senat will in der nächsten Zeit Verbände mit einbeziehen, um das Gesetz noch in diesem Jahr umsetzen zu können. Da kann dann auch der DGB seine Kritik anbringen. Der blickt deshalb „optimistisch auf den laufenden Prozess und die anstehenden Ergänzungen“.

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