Neues Sicherheitsgesetz in Frankreich: Demo fürs Polizistenbild
Künftig sollen Franzosen Polizisten im Einsatz nicht mehr filmen dürfen. Journalistinnen und Journalisten sehen dadurch ihre Arbeit in Gefahr.
Der Artikel zielt gegen all jene, die mit ihren Aufnahmen zeigen wollen, wie die Polizei Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten einsetzt. „Wir sind hier, um die Freiheit, zu sprechen und zu verteidigen“, sagte Edwy Plenel von der investigativen Internetplattform Mediapart bei einer Kundgebung in Paris. Sogar in der Regierungspartei La République en Marche (LREM) sowie bei deren Koalitionspartner Modem regte sich Widerstand gegen das Projekt. Die Modem-Abgeordnete Laurence Vichnievsky sah darin eine „unverhältnismäßige Verletzung der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit“. Der Abgeordnete der linken Partei La France Insoumise, Eric Coquerel, hatte noch gewarnt: „Wenn dieses Gesetz durchkommt, erhält die Polizei das Recht, zu verhindern, dass sie vor Ort gefilmt wird.“
Selbst der Appell der Menschenrechtsbeauftragten Claire Hédon hatte vor der Abstimmung in der Nationalversammlung jedoch nichts gebracht: 146 Abgeordnete hatten für den Passus zu „globaler Sicherheit“ gestimmt, 24 dagegen. In letzter Minute hatte die Regierung dabei den Zusatz hinzugefügt, dass die Informationsfreiheit durch den Text nicht beeinträchtigt werde.
Die Regierung reagierte auf die Kritik, indem sie LREM-Fraktionschef Christophe Castaner vorschickte. Der schrieb in einem Beitrag für die Zeitung Journal du Dimanche: „Zu einem Zeitpunkt, wo man für eine Zeichnung sterben kann, wollen wir euch, liebe Journalisten, sagen, dass wir weiter eure Freiheit verteidigen, zu schreiben und uns aufs Korn zu nehmen.“
Gewalt gegen Demonstrierende wurde vor zwei Jahren bei den Kundgebungen der „Gelbwesten“ besonders deutlich: Damals verloren mehr als 20 Menschen ein Auge durch Hartgummigeschosse der Polizei. Zahlreiche Fotos und Videos zeigten die Polizeigewalt, die sich auch gegen Unbeteiligte richtete.
Innenminister gießt Öl ins Feuer
Kritik an dem Gesetz kam auch vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Der Chefredakteur der Zeitung Le Monde, Jérôme Fenoglio, schrieb außerdem in einem Leitartikel: „Die von Emmanuel Macron berufenen Regierungen und der Präsident selbst haben größte Schwierigkeiten, die Informationsfreiheit zu respektieren.“
Die Äußerungen von Ex-Inneminister Castaner stehen im Gegensatz zu denen seines Nachfolgers Gérald Darmanin. Er hatte Artikel 24 vorangetrieben. Der politische Ziehsohn von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hatte sogar noch gefordert, dass sich Journalistinnen und Journalisten vor der Berichterstattung über Demonstrationen bei den zuständigen Präfekten akkreditieren sollten. Mehr als 40 Medien reagierten darauf und schrieben: „Es braucht keine Akkreditierung, um unseren Beruf frei im öffentlichen Raum auszuüben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“