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Neues Sachbuch über ArmutFressen statt geben

Der Sozialstaat ruft die Armut hervor, die er bekämpfen soll: Jürgen Borchert analysiert in seinem Buch wachsende soziale Ungleichheit.

Vom Sozialstaat gedisst? Besucher der Trierer Tafel. Bild: dpa

Deutschland sei der „Weltmeister der sozialen Ungerechtigkeit“. Mit dieser Ansage wirbt der Verlag für ein Buch von Jürgen Borchert, dem Vorsitzenden Richter am Hessischen Landessozialgericht. Es heißt „Sozialstaatsdämmerung“.

Darin analysiert der parteiungebundene, einem aufgeklärten linken Spektrum zuzurechnende Jurist, wie Beschäftigte mit niedrigen und mittleren Einkommen sowie Familien mit Kindern durch die deutsche Finanzpolitik systematisch benachteiligt werden. In der Konsequenz bringe der Sozialstaat die Armut hervor, die er bekämpfen solle, argumentiert Borchert.

Zur Buchvorstellung im Haus der Bundespressekonferenz saß neben taz-Autor Mathias Greffrath auf dem Podium Klaus Wiesehügel, der Chef der Baugewerkschaft und möglicher Arbeitsminister in einem von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück geleiteten Kabinett. So war klar, dass Borchert seine Stimme im Wahlkampf erhebt – und gerade deshalb nötigt der Werbeslogan, das Thema zunächst aus gehöriger Distanz zu betrachten. Deutschland – Weltmeister der sozialen Ungerechtigkeit?

Das Buch

Jürgen Borchert: „Sozialstaatsdämmerung“. Riemann Verlag, München 2013, 243 Seiten, 12,99 Euro.

Glücklicherweise existiert in diesem Falle ein eindeutiger Maßstab, um Ideologie von Realität zu scheiden. Der Gini-Koeffizient, zurückgehend auf den italienischen Mathematiker Corrado Gini, dient als international anerkannter Indikator für soziale Ungleichheit. Im Jahr 2012 stand Deutschland auf Platz 15 weltweit, unter 195 Staaten – also dem Weltmeistertitel für Gerechtigkeit wesentlich näher als dem für Ungerechtigkeit. Wobei einzuräumen ist: Die Spreizung zwischen Arm und Reich wird hierzulande größer. Wir rutschen langsam abwärts.

Was meint der engagierte Richter konkret, wenn er seine zornigen Formulierungen niederschreibt? „1965 lebte nur jedes 75. Kind unter sieben Jahren zeitweise oder auf Dauer im Sozialhilfebezug, heute ist es jedes fünfte.“ Angesichts dieser Entwicklungen fordert Borchert: „Lassen Sie uns nicht über politische Bagatellen reden, sondern über die grundsätzlichen Fragen.“ Entgegen dem offiziellen Versprechen belaste der Sozialstaat viele Menschen mehr, als dass er sie fördere, sagt der kritische Richter.

Zulasten der Bedürftigen

Er rechnet vor, dass über die Hälfte der staatlichen Einnahmen aus Sozialbeiträgen und indirekten Steuern stamme, deren prozentuale Belastung für Arme und Reiche gleich sei – mithin die Wohlhabenden bevorzuge. So finanzierten die Bedürftigen das Sozialsystem vornehmlich selbst. Es verbessere ihre Lage nicht.

Um diese Analyse zu untermauern, liefert Borchert einige übersichtliche Tabellen. Sie sollen zeigen, dass eine Familie mit 30.000 Euro Jahresbruttoeinkommen und zwei Kindern nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben weniger Geld zur Verfügung hat, als das garantierte Existenzminimum eigentlich zusichert. Demgegenüber würde die Gruppe der materiell am besten gestellten zehn Prozent der Bevölkerung via Steuern nur rund 15 Prozent der Staatseinnahmen beitragen, so Borchert.

Eine wesentliche Ursache besteht dem Autor zufolge in der Ausgestaltung der Beiträge zur Sozialversicherung. So seien Selbstständige und Beamte nicht verpflichtet, in die allgemeine Versicherung für Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit und Pflege einzuzahlen. Außerdem würden die Beiträge gut verdienender Personen für die Renten- und Arbeitslosenversicherung bei einem Jahresbruttoeinkommen von knapp 70.000 Euro gedeckelt, darüber seien keine Abgaben mehr zu leisten. Reiche könnten sich die Sozialversicherung also sparen. Zu allem Überfluss, argumentiert Borchert weiter, kenne die Sozialversicherung auch kein beitragsfreies Existenzminimum. Selbst wenn sie Kinder zu versorgen hätten, müssten Durchschnittsarbeitnehmer dieselben Sozialbeiträge leisten wie kinderlose Personen.

Sinkende Tendenz Deutschlands

An der Existenz dieser sozialen Unwucht gab es für Arbeitsminister in spe Klaus Wiesehügel nicht viel zu beschönigen. Dies zu tun, war auch nicht seine Absicht, vertritt er doch „ein linkes Programm“ – ein Grund für seine Berufung in Steinbrücks Schattenkabinett. Die Frage allerdings stellte sich: Würde die SPD den Sozialstaat sozialer machen, käme sie an die Regierung?

Die Partei hat sich durchaus vom Hartz-IV-Programm ihres Exkanzlers Gerhard Schröder entfernt. Steuererhöhungen für Reiche und eine Bürgerversicherung gegen Krankheitsfälle, in die alle einzahlen müssten, stehen jetzt auf der Tagesordnung. Dass die SPD aber, sollte sie wirklich regieren, eine Bürgerversicherung ohne Beitragsbemessungsgrenzen für alle vier Zweige der Sozialversicherung einführte und dort auch das Existenzminimum freistellte, braucht niemand zu hoffen.

So besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland auch mit den Sozialdemokraten als Kanzlerpartei auf der Gini-Liste der sozialen Ungleichheit weiter absinkt.

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21 Kommentare

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  • F
    fgjklfgjsfdklg

    Hm, die Ausagen zum einheitlichen Sozialsystem, an dem sich alle beteiligen kann ich teilen.

    Beim Kinderlosen-Bashing aber bitte noch mal den Rechenschieber rausholen: Die Kinderversorger zahlen zwar das gleiche, da der Nachwuchs allerdings frei mitversicherert ist, halbiert sich bei einer Familie mit zwei Kindern und zwei Verdienern der Beitrag faktisch.

    • B
      Besserwisser
      @fgjklfgjsfdklg:

      Leider nur auf den ersten Blick richtig gerechnet - trotz des rausgeholten Rechenschiebers.

      Die Kinder sind nicht "frei mitversichert" !! Der kinderbeitrag ist nur sehr geschickt versteckt im Elternbeitrag. Beispiel: alleinerziehender Vater mit 2 Kindern. Bruttoeinkommen 4.000 Euro/Monat. Krankenkassenbeitrag 7,5 % (Hälfte von 15 % /vereinfacht gerechnet), macht 300 Euro/Monat. Die Kinder erscheinen als "beitragsfrei mitversichert".

      De facto hat der Vater gegenüber den Kindern eine Unterhaltspflicht von 2 x 500 Euro = 1.000 Euro (vereinfacht gerechnet).

      Diese 1.000 Euro sind also gar nicht sein Einkommen. Er müsste eigentlich nur für 3.000 Krankenkassen-Beiträge zahlen, also nur 225 Euro pro Monat. Dafür müssten die Kinder für ihr "Einkommen" von 1.000 Euro ebenfalls Krankenversicherung zahlen, nämlich 75 Euro. Zusammen hätten der Vater und die beiden Kinder also 225 + 75 = 300 Euro/Monat zu zahlen. Die Kinder sind eben nicht "frei mitversichert", sondern zahlen ihren Anteil in dem Monatsbeitrag von 300 Euro (versteckt) mit.

      Ich hoffe, das war nicht zu kompliziert!.

      • @Besserwisser:

        Für die Kinder würden 15% von 1000 Euro, also 150 Euro fällig. Beim Vater zahlt (formal) der Arbeitgeber die Hälfte, die Kinder haben keinen Arbeitgeber, müssen also den vollen Betrag zahlen.

  • T
    themaniac

    Mittelschicht ab 110 000 € brutto? Ich weiß nicht in welchem Land Sie leben oder in welchen Kreisen Sie sich bewegen, aber ich behaupte mal, dass es von DIESER Mittelschicht in Dland nur wenige gibt, dass sind für mich schon eher die oberen 10-20 %.

    Wenn ich irgendwann bei der Hälfte ankomme sage ich Ihnen Bescheid. Und glauben Sie mir, dann werde ich nen großes Fest machen.

     

    Wachen Sie auf aus Ihrer Traumwelt.

  • G
    Gast123

    Die Linke ist die einzige Partei, die sich in sozialen Fragestellungen positiv von den anderen abhebt. Wer ein faireres Sozialsystem will, sollte links wählen...

    • @Gast123:

      Richtig!

  • R
    Ruffels

    @KNUFFI:

    Einem Mitmenschen, der sicherlich keinen Hunger leidet, 1 Euro für ein Brot Laib zu geben und sich deswegen als großzügiger Spender aufzuführen ist schlicht und einfach lächerlich.

  • RW
    Rainer Winters

    @ Day: Meine Worte. Es muss schlimmer werden.

     

    Erst positive Selbstverstärkungen bringen Systeme wie die grassierende Armut zu Fall. Negative Selbstverstärkungen stabilisieren Systeme. Letzteres hieße: Hier ein bisschen kitten, da ein bisschen...

     

    Eigentlich bräuchten wir jetzt noch eine weitere Periode CDU/CSU/FDP, und daaaaannnnn gehts ab.

  • UF
    Ulrich Frank

    @Ein Realist - Nach der aktuellen online-Leser-Umfrage der StZ (22.08., 18:25h bei ca. 8500 abgegebenen Stimmen) sieht das Ergebnis interessant aus: CDU und FDP 11&; SPD 3%; Grüne % Linke & Piraten 67 %; kann und wird sich sich aber noch ändern..., gibt aber Hoffnung ;-)

  • R
    Ruffels

    @Day:

    Sie sind ja der Held des Tages. Geben einem Menschen, ausgemergelt, dem Hungertod nahe, einen ganzen Euro(!), damit er sich einen Laib Brot kaufen kann. Mensch, da hätten Sie doch wenigsten noch etwas für Margarine und Aufschnitt dazugeben können. Werde Sie aber trotzdem für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen.

    • K
      Knuffi
      @Ruffels:

      @Ruffels:

      Man sollte nicht dem ans Bein pissen, der überhaupt auf den Gedanken kommt zu helfen, sondern denen, die da rumstanden und NICHTS getan haben!

      So klein die Geste doch ist, so selten scheint sie immer mehr zu werden. Der Mensch konnte früher nur durch ein MITeinander überleben. Heute ist es eigentlich nur noch ein GEGENeinander. MEIN Haus, MEIN Auto, MEIN Boot. Und hoffentlich alles größer als das vom Nachbarn, denn Neid ist ja was tolles, sagt der neue Herrgott aller, das Fernsehen.

  • D
    day

    Neulich stand ich beim ALDI an der Kasse. Vor mir ein junger Mann mit osteuropäischen Akzent (kein Roma) der Leergut abgeben wollte um das Laib Brot zu bezahlen,das er kaufen wollte. Der Kassierer nahm das Leergut nicht an (kein Pfandflaschen) und so konnte der junge Mann das Brot nicht bezahlen. Das Brot kostete nicht einmal ein Euro. Drum herum standen sie alle mit vollen Einkaufswagen mit Zeug wie Italienische Woche...und der Erinnerung an den letzten Urlaub und klozten den jungen Mann an. Ich gab dem jungen Mann einen Euro. Ein anderer gab dem Mann auch einen Euro.

     

    Fazit: Es muß schlimmer werden!

  • L
    lowandorder

    conclusio:

     

    Weshalb auch Ihr Abwiegeln: " das wird ja sowieso nix" - nicht nur entlarvend herablassend ist, sondern jegliche Empathie für sozial Abgehängte vermissen läßt.

     

    Was angesichts der oben angeführten Veränderungen qua Rechtsprechung verblüfft und sich alles in allem als perfides Abmeiern darstellt, ausgerechnet von einem, der allenfalls die Backen aufbläst, (gehört hat man aber noch nix; sorry und auch nichts nennenswertes mit Hand und Fuß).

     

    Perfide wird es dadurch, daß Herr Koch keine eigene Position hat/darlegt, nur abmeiert oder über Bande diffamiert (wie billig ist das denn?) also im Ergebnis eine derart reaktionäre Attitüde an den Tag legt; die ich in der taz nicht für möglich gehalten hätte

  • L
    lowandorder

    Man, man, man - ein typisches ungenießbares Hannes Koch-Gebräu ; - mach was, nagel mal nen Pudding an die Wand!

     

    Was bitte soll dieses Gewürge sein?eine Buchbesprechung wohl nicht!

     

    Der Aufhänger "Weltmeister der sozialen Ungerechtigkeit vs Gini-Koeffizient - ok; kann - man nehmen.

     

    Aber der Rest? - gahp!

     

    "…(Jürgen) Borchert war an drei die Familienpolitik maßgeblich prägenden Urteilen beteiligt. In den mündlichen Verhandlungen zum „Trümmerfrauenurteil“ 1992 und „Pflegeurteil“ 2001 wurde er vom Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger gehört. Im Herbst 2008 rief der 6. Senat des hessischen Landessozialgerichts, dessen Vorsitzender Richter Borchert ist, das Bundesverfassungsgericht wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zur Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze an. Das Bundesverfassungsgericht folgte 2010 diesem Urteil."

     

    Aha - also jemand, der erkennbar 'nen Arsch in der Hose hat und die Lippen nicht nur spitzt, sondern auch pfeift;

     

    der von Roland Koch bis Die Grünen und Die Linke allewelt schon in sozialen Fragestellungen politisch beraten hat;

     

    ergo - Herr Koch:

     

    der Mann macht keinen Wahlkampf im Sinne unserer Politclowns; nein - der versucht valide Politmodelle im sozialen Bereichen, "auf die Kette zu bringen", Politikern an die Hand zugeben; die Couleur ist ihm eher zweitrangig; wie vielen seiner WeggefährtInnen aus dem Richterratschlag auch ( - doch wohl ihre verschwiemelte 'kritische Vereinigung' !?);

     

    .

  • ER
    Ein Realist

    JEDER klagt über die jetzige Regierung, aber bei Umfragen liegt sie merkwürdigerweise immer noch vorne. Hier sind zwei Videos mit interessanten Daten und Links in den Beschreibungen:

     

    http://youtu.be/fxmeDxyFzQ8

     

    http://youtu.be/6HnBkjuagX8

     

    AUFWACHEN und unbedingt Schwarz-Gelb ABWÄHLEN, da sie sonst ihre bisherige ungerechte Sozialpolitik fortsetzen!!! U. von der Leyen hat schon angekündigt, im Amt bleiben zu wollen!!!

  • SA
    Simon A.

    Wäre der Autor eben nicht "parteigebunden", so könnte er sich mit den Zahlen und Abgabelasten auseinandersetzen.

     

    Waren in den 60er Jahren zwar die Vermögens- und EinkommenUNgleichheit höher, so gab aber es eine größere Dynamik. Der Spitzensteuersatz wirkte bei dem 7x fachen des Durchschnittseinkommens, heute wirkt er bei dem 1,5-fachen! Was gerne von linken Lobbyisten in der Agenda-Reform als Steuersenkung verkauft wurde, wirkte nur ein halbes Jahr, anschließend war es aufgrund des nominal (aber nicht real) steigenden Lohns eine Steuererhöhung (Kalte Progression)! Insbesondere zu Kohl, und vor Kohl massiv durch Schmidt. Reale Sozialdemokratie, nichts neoliberales.

     

    Heute zahlt die Generation, insbesondere also die Jungen, eine Abgabelast von circa 70% bei 3.000 Euro brutto. Das lag in den 60er Jahren bei 35% !! Das heißt, die Hälfte. Das sind Reallohnverluste.

     

    Keine Regierung schafft den "Wohlfahrtsstaat" einzugrenzen bzw. zurückzudrängen und hat auch ihre eigenen Lobbyisten ruhig zu stellen. Wer empfängt diese Steuerlasten? Parallelgesellschaften und kinderlose sind für den Großteil der Kosten verantwortlich. Die Menschen können über die staatliche Verteuerung ihrer Arbeitskraft oftmals auch nicht mehr konkurrieren, und werden von den Steuerzahlern alimentiert. Sozialismus.

     

    49% der "Deutschen" sind Nettostaatsgeldempfänger, zahlen also real keine Steuern. Und unter 110.000 Euro netto bleibt man Bruttostaatsgeldempfänger. Genau diese Mittelschicht (also im Endeffekt alles bis 200.000 € Gehalt) wird ausgebeutet. Die Realität heißt: Dramatische Kürzungen hinsichtlich der Demographie, und Beendigung des Demokratischen Sozialismus. Dann kann man die einfachen Menschen entlasten. Dagegen sorgen Steuern und noch mehr staatlicher Zwang für Lohndruck nach unten (insbesondere im medizinischen Bereich). Es wird mehr Leistung versprochen, auf Kosten der Arbeitnehmer.

    • @Simon A.:

      Oh je, von „Demokratischen Sozialismus“ in den von Ihnen genannten Zusammenhängen zu sprechen, ist nicht nachvollziehbar. Wir haben in Deutschland keinen demokratischen Sozialismus, sondern eine Verfassung, die uns zum Sozialstaatsprinzip verpflichtet. Wie die Lasten und Pflichten dieses Sozialstaatsprinzip verteilt werden, ist allerdings wirklich sehr ungerecht.

      In einem Bereich haben wir jedoch tatsächlich Sozialismus, jedoch nicht demokratisch. Die Verluste der Banken werden sozialisiert und die Gewinne privatisiert. Die Managergehälter und Boni steigen weiter rasant an und gleichzeitig kann weiterhin extrem viel Mist auf den deregulierten Finanzmärkten fabriziert werden. Der Saat und seine gleichgültigen Steuerzahler haben ja einen Blankoscheck ausgestellt.

      Unsere Wirtschaft ist weder demokratisch noch sozialistisch.

      Wenn wir tatsächlich demokratischen Sozialismus hätten, gäbe es wesentlich mehr Genossenschaften, bspw. wie die Volksbanken, die ohne staatliche Stützung durch die Finanzkrise gekommen sind.

      Außerdem wären solche erfolgreichen Genossenschaften, wie die Mondragon Corporation, keine Ausnahme mehr. Diese Genossenschaft wirtschaftet seit Jahrzehnten erfolgreich und behauptet sich gegen jede Wirtschaftskrise. Und das, obwohl dort die Führungskräfte maximal das Achtfache der einfachen Angestellten verdienen.

      • SA
        Simon A.
        @Frederik Nyman:

        Aber die Banken wurden auf Wunsch der SPD in den 70er Jahren bewusst so aufgebaut. Der Staats- und Landsektor spekuliert, um Geld für die Wohlfahrt einzuholen.

         

        Und in Südeuropa das gleiche, um dass wir es bezahlen.

         

        Ja, Bankerboni steigen an, weil der deutsche Markt ja teilweise aufgegeben wurde und der globale nach vorne rückte, der mehr wuchs.

         

        Die Finanzmärkte sind nicht dereguliert, sondern die Produkte. Die Volksbanken und Genossenschaftsbanken sind bilanziell die größten Zocker in Deutschland, und entgegen Privatbanken ohne wertvolle Aktiva! Daher ist das System nur minimal besser wie in Spanien, weswegen der Staat sich versucht zu retten! Eine objektive Berichterstattung ebenfalls nicht vorhanden.

         

        Der örtliche Mittelstand hat auch geringere Löhne und überlebt, ja. Nischenmärkte sind eben Nischen.

         

        Der Staat lenkt die Wirtschaft über den Lobbyismus. Das ist der DGB, Solar, EnBW und die Telekom. Das wird demokratisch abgestimmt. Freier Markt wurde seit Erhard weg ist, dramatisch eingeschränkt. Insbesondere zulasten örtlicher Mittelständler mit Ökosteuern und Co., aber auch mittels intransparenter Vergabepraxis auf kommunaler Ebene durch ver.di-Regelungen.

         

        Da scheinen sie sehr naiv zu sein. Gegen (freiwillige) Genossenschaften kann man nichts haben, wohl aber gegen ausufernder "Wohlfahrtsstaatlichkeit".

        • @Simon A.:

          Die Gläubigen sind glücklich, die Zweifler sind weise. Glauben Sie ruhig weiter daran, dass der freie Wettbewerb und die Selbstheilungskräfte des Marktes ausreichen würden, um die sozialen Probleme eines Staates zu lösen.

          Wie hat mein Wirtschaftsprofessor immer gesagt: „Richtig, die Märkte regulieren sich irgendwann auch von selbst, nur bis dahin sind Millionen Menschen verhungert.“

          Glückwunsch, das wäre dann Sozialdarwinismus.

          Der Lobbyismus besteht aufgrund der undemokratischen Wirtschaftsstrukturen. Wenn Sie freien Wettbewerb möchten, müssten Sie erst einmal die gesamten Monopole und Oligopole zerschlagen, um am Markt ein Polypol zu etablieren, welches erst den FREIEN WETTBEWERB laut Adam Smith garantiert. Das wäre eine Forderung, die als Erstes kommen müsste, bevor gegen den Wohlfahrtsstaat gehetzt wird. Aber diese Forderung finde ich nicht einmal bei der FDP. Also will anscheinend keine Partei mehr freien Wettbewerb. Ich befürchte die Naivität liegt auf Ihrer Seite.

  • F
    FranzK

    Das sind Binsenweisheiten die alle Politiker kennen. Die Auswirkungen des internationalen Neoliberalismus werden erst geändert, wenn es zu einem Krieg oder dem Kollaps des Finanzsektor kommt. So wird es weiter den Niedergang,der unteren 40 % der Bevölkerung,geben. Flankiert wird Er, von Tafeln, Flaschenpfandsammler und Brotkrumen in Form von Euros um den Massenaufstand zu vermeiden. Die psychologische Kriegsführung da bei, übernehmen die Bildzeitung und Privatsender, deren Grundtenor die Aussage ist, das jeder der es nicht schafft eine faule, dumme Sau ist.

  • M
    muh

    Sehr geehrter Herr Koch,

     

    ich danke Ihnen für diesen Artikel und die Probleme die Sie ansprechen. Auch ich denke dass die regressive Ausgestaltung der Sozialbeiträge ein Problem ist und sehe nicht das Problem, wieso die Sozialversicherung nicht auch einen progressiven Verlauf haben sollte.

    Sie argumentieren sehr viel mit dem Ginikoeffizienten und HartzIV, aber ein Blick in die Statistik zeigt, dass sich die Verteilung in Deutschland nicht wirklich ändert (und das bereits vor HartzIV).

     

    siehe hier:

    https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/Tabellen/Einkommensverteilung_SILC.html

     

    siehe hier:

    http://www.amtliche-sozialberichterstattung.de/Tabellen/tabelleA3.html

     

    und leider gibt es frei verfügbar keine Zahlen von vor 2004, also hier:

    http://www.welt.de/wirtschaft/article1098408/Die-Schere-zwischen-Arm-und-Reich.html

     

    Es ist eine leichte Veränderung, aber wenn man häufig die Presse liest, so würde man eher eine Sprung um 0,2 statt 0,02 Punkte vermuten. Es besteht bei vielen aktuellen Armutsstudien auch das Problem, dass diese das Einkommen allein auf Haushaltsebene erfassen. Mit der Tendenz zu mehr Singlehaushalten wird dann, obwohl (evtl.) das gleiche Einkommen vorhanden ist, mehr Armut gemessen.

     

    Der Punkt ist: es gibt definitiv bedenkliche Entwicklungen, aber von einer generell größeren Armut in Deutschland zu sprechen halte ich hier für relativ schwierig, da der Gini-Koeffizient das nur bedingt Zeit und andere Methoden, die sich nur an der Haushaltsgröße orientieren, aktuellen Gesellschaftlichen Entwicklungen nicht Rechnung tragen.

     

    Feuer frei:)