Neues Protestcamp Oranienplatz: Brücken bauen auf dem O-Platz
Mit einem dreitägigen Protestcamp und Festival wollen die Women in Exile den Blick auf geflüchtete Frauen und ihre Kämpfe lenken.
Wenn Geflüchtete auf dem Oranienplatz etwas mit Zelten machen wollen, laufen sie beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nicht gerade offene Türen ein. So auch die Erfahrung von Women in Exile, die dort ab Freitag zu einem Festival und Protestcamp einladen. Die Initiative geflüchteter Frauen entstand 2002 in Brandenburg, um gegen die Bedingungen in den Lagern und die Diskriminierung geflüchteter Frauen zu protestieren.
„Wir hatten Schwierigkeiten, die Genehmigung für das Camp zu bekommen“, sagt Women-in-Exile-Mitglied Joanna Nelles. „Für die Zelte mussten wir eine Sondernutzung beim Bezirk beantragen. Darauf kam erst mal eine Absage und später der Vorschlag, an einen anderen Ort umzuziehen.“ Beim Bezirk heißt es, mit dem Alternativvorschlag sei man Women in Exile bereits entgegengekommen.
Dass das Protestcamp nun doch wie geplant auf dem Oranienplatz stattfinden kann, hängt mit der Rechtsprechung zum Klimacamp vor dem Bundeskanzleramt zusammen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte Anfang Juni geurteilt, dass die dort geplanten Zelte es den Menschen erst ermöglichten, an der Versammlung teilzunehmen, und daher vom Versammlungsrecht gedeckt seien. „Damit hat die Polizei auch unsere Zelte als Teil der Versammlung gewertet und – mit einigen Auflagen – genehmigt“, sagt Nelles. Denn an einen anderen Ort ausweichen, das wollte die Gruppe nicht.
„Der Oranienplatz ist ein historischer Ort für die Flüchtlingsbewegung“, sagt Elizabeth Ngari von Women in Exile. „Wir sind Teil dieser Geschichte, denn wir haben im Oktober 2012, als die Gruppe Geflüchteter aus München nach Berlin gekommen ist, eine Willkommensdemo in Potsdam organisiert und sind gemeinsam mit ihnen zum Oranienplatz gelaufen.“
Vertrauen stärken
Allerdings sei die Situation geflüchteter Frauen damals kaum Thema gewesen. „Wir wollen die Frauen jetzt an diesen Ort zurückbringen und den Blick auf ihre Probleme und ihre Kämpfe richten“, sagt Ngari. Die Gruppe habe außerdem gemerkt, wie schwer es sei, mit anderen feministischen oder flüchtlingspolitischen Gruppen langfristig zusammenzuarbeiten.
„Es scheint wenig Vertrauen zwischen geflüchteten Frauen und feministischen Organisationen zu geben und daher auch keine echte Solidarität“, sagt Ngari. „Sicher gibt es Unterschiede. Aber für uns ist es derselbe Kampf.“ Beim Protestcamp wollen sie daher auch den Austausch mit anderen Gruppen suchen, und – so das Festivalmotto – „Brücken bauen“, um in Zukunft stärker zusammenzuarbeiten.
Bis Sonntag gibt es neben Kulturprogramm und Kinderbetreuung Workshops zu Asylrecht, feministischer Selbstverteidigung, zur Situation afghanischer Frauen sowie feministischer Erziehung und Elternschaft. Während einige der Workshops nur für geflüchtete Frauen offen sind, ist letzterer ausdrücklich auch für Männer geöffnet. Das Festival beginnt am Freitag um 17 Uhr und endet Sonntag um 18 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich