Neues Musikvideo von Lily Allen: Die Ärsche der Anderen
Die britische Popsängerin Lily Allen bekommt für ihr neues Video „Hard out Here“ viel Kritik. Sie soll einen schwarzen Tanzstil missbraucht haben.
Die neue Single der Popsängerin Lily Allen soll eine feministische Hymne sein. Schreibt die britische Presse. Sie ist jedenfalls recht erfolgreich. Innerhalb eines Tages gab es eine Million Klicks auf YouTube. Nach vier Jahren Pause ist Allens Comeback damit gelungen.
„It’s hard out here for a Bitch“ singt Allen im Refrain. Es ist eine Anspielung an die Rapper von Three Six Mafia aus dem US-Bundesstaat Tennessee, die für den Track „Hard out Here for a Pimp“ 2006 einen Oscar gewannen. Eine Ode an den Pimp, den Zuhälter, als sich sorgendes Mitglied der Community. Und ein perfektes Ziel für die 28-jährige weiße Britin Lily Allen, die kein Problem damit hat, sich mit der Welt anzulegen.
Das Video zu „Hard out Here“ ist eine Satire auf das Musikbusiness. Lily Allen liegt nach der vierten Schwangerschaft auf dem OP-Tisch und bekommt Fett abgesogen. Neben ihr regelt ein alter weißer Musikmanager per Smartphone ihre Late-Night-Auftritte und dirigiert die Schönheitschirurgen. Die Musikindustrie degradiert viele Frauen zu Objekten – keine originelle Erkenntnis, aber leider wahr.
Wer ist hier das Objekt?
Nur, wer bei „Hard out Here“ eigentlich wen zum Objekt degradiert, ist komplizierter. In der nächsten Einstellung steht Allen vor einer Gruppe aus überwiegend afroamerikanischen Tänzerinnen. Sie tragen alle enganliegende Bikinis, die Kamera gleitet an ihren Hüften entlang, schließlich wackeln sie mit den Arschbacken. Und Lily Allen? Die steht im geschlossenen Anzug daneben und haut den Tänzerinnen auf den Champagner-beträufelten Hintern.
„Ironisches Twerking“ nennt die Indierock-Website Pitchfork diese Bewegungen. Ironisches was? Twerking – eigentlich ein Tanzstil aus den US-Südstaaten. Mann beziehungsweise Frau spannt die Beine an und wackelt mit den Arschbacken. DJs und gesampelte Geisterstimmen rufen dazu: „Twerk it“ oder „Bounce that ass“. „Bounce – noch so ein Ausdruck, ein HipHop-Stil aus New Orleans.
Empfohlener externer Inhalt
Dort kam das Twerking Anfang der Neunziger auf, später wurde es zu einem Standard im Südstaaten-HipHop – und zur Projektionsfläche für weiße Mittelschichtskids. Auch die Sängerin Miley Cyrus hat sich in einem Musikvideo für die eigene Stilisierung beim Twerking bedient – sie ist beileibe nicht die einzige.
Und schon ist man mittendrin im Schlamassel. Denn sobald Twerking von den Tanzflächen in die Musikvideos wandert, verlieren die Tänzer ihre Handlungsmacht. Riskiert man im Club für ein allzu auffälliges Starren eine Ohrfeige oder einen Drink auf dem T-Shirt, erlaubt die Kamera eine Inszenierung des Tanzstils für einen voyeuristischen Blick, der die tanzenden, afroamerikanischen Frauen auf ihren Körper reduziert – eine Einladung zum Glotzen ohne Folgen.
Sexistisch sind die anderen
Und diesen Blick teilt auch Lily Allen. „I don’t need to shake my ass cause I got a brain“, singt sie – als ob sich das in irgendeiner Form ausschließen würde. Sexistisch sind in dieser Lesart die anderen: die afroamerikanischen Rapper mit ihren „Hoes“ und „Bitches“ und ihrer Arschwackelei. Und nicht der weiße Mann von der Plattenfirma, der die Verträge abschließt und somit entscheidet, welche Formen von HipHop überhaupt ein großes Publikum erreichen dürfen.
„Im Video geht es nicht um Rassen. Überhaupt kein bisschen“, twitterte Allen am Mittwochabend und zeigte kein Verständnis für die Kritiker, die sich zwischenzeitlich in zahlreichen Posts in der Blogosphäre geäußert haben. Allen, an einer Eliteschule erzogen und mit einer Filmproduzentin als Mutter und einem TV-Moderator als Vater gut vernetzt, mag sich nichts vorwerfen lassen. Schließlich hat sie mit „Fuck you“ eine Hymne gegen Homophobie und Rassismus im Repertoire.
Die Satire in „Hard out Here“ geht trotzdem daneben, denn sie funktioniert nur, weil Allen ihre eigene Smartness über die Abwertung der anderen inszeniert: der schwarzen Frauen, die für sie mit dem Arsch wackeln.
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