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Neues „Islamgesetz“ in ÖsterreichNur noch unsere Imame

Ein „Islamgesetz“ soll in Österreich der Religion und ihrer Ausübung strenge Regeln auferlegen. Nicht alle Muslime finden das gut.

Hätte die Regierung gern auf deutsch: Ein Besucher im Islamischen Kulturzentrum Wien. Bild: dpa

WIEN taz | „Umstritten“. Mit diesem Attribut bleibt das neue Islamgesetz behaftet, auch nachdem es am Mittwochnachmittag im österreichischen Nationalrat abgesegnet wurde. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen, und das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ), ein Verband von Muslimen unterschiedlicher islamischer Denkschulen, will es vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen.

Das neue Gesetz regelt den Anspruch auf Seelsorge, gesetzlich anerkannte Feiertage, das Einhalten innerreligiöser Speisegebote in öffentlichen Einrichtungen, aber auch das Funktionieren islamischer Vereine. Der Punkt, der am meisten Empörung hervorgerufen hat, ist das Verbot der Finanzierung von Vereinen und Imamen aus dem Ausland.

Die Konsequenzen sind enorm. Denn von den rund 300 in Österreich tätigen Vorbetern werden über 60 vom türkischen Staat bezahlt. Mehmet Görmez, der Präsident des Amts für religiöse Angelegenheiten in der Türkei, zeigte sich entsprechend empört. Das Gesetz würde Österreich um hundert Jahre zurückwerfen, schreibt er, denn es gefährde die Einheit der Muslime.

Das bisherige Islamgesetz stammt aus dem Jahre 1912 und wurde erlassen, nachdem Österreich 1908 die ehemals osmanischen Provinzen Bosnien und die Herzegowina annektiert hatte. Das neue Gesetz wurde unter dem Eindruck zunehmender islamistischer Gewalt formuliert. Auch aus Österreich zogen junge Männer und Frauen in den Dschihad nach Syrien und in den Irak. Ende vergangenen Jahres wurden mehrere „Hassprediger“ festgenommen, denen vorgeworfen wird, ihre Anhänger zu radikalisieren oder gar für den Krieg zu rekrutieren.

„Nicht übermäßig klug“

Damit kein radikales Gedankengut in Moscheen und Bethäusern verbreitet werden kann, sollen Imame fortan in Österreich ausgebildet werden. Das Gesetz verlangt außerdem die „Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran), der den Inhalt in der deutschen Sprache wiedergibt“.

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) schlug sogar vor, dass nur eine einheitliche deutsche Übersetzung des Korans verwendet werden dürfe. Der Wiener Islamwissenschaftler Bert Fragner hält die Forderung, dass alle islamischen Gruppen eine von ihnen akzeptierte deutsche Fassung des Korans vorlegen sollen, für „nicht übermäßig klug“.

Nach den Anschlägen von Paris sah sich die Regierung darin bestätigt, dass Muslime strenger überwacht werden sollten. Das Gesetz enthält Sonderregelungen, die keiner anderen Glaubensgemeinschaft zugemutet werden. Bei der russisch-orthodoxen Kirche oder den Zeugen Jehovas hat auch niemand etwas gegen Finanzierung aus Moskau oder den USA einzuwenden.

Dem Votum im Parlament war eine längere Diskussion und ein Dialog mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) vorausgegangen. Deren Vorsitzender Fuat Sanac hatte vergangene Woche eine Stellungnahme veröffentlicht, die von der Regierung trotz darin geäußerter Bedenken als Einverständnis gelesen wurde. Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ) hat Sanac und der IGGiÖ das Misstrauen ausgesprochen und will das Gesetz bekämpfen. Die Regierung und der Nationalrat könnten davon ausgehen, „dass wir eine Zwangskirche niemals akzeptieren werden“, so Ibrahim Yavuz vom NMZ: „Unser Widerstand gegen islamfeindliche Politik und Hetze ist noch lange nicht zu Ende.“

Einverstanden sind hingegen die Aleviten, die als eigene Glaubensgemeinschaft anerkannt sind. Insgesamt biete das neue Islamgesetz mehr Rechtssicherheit, heißt es in einer Stellungnahme, „und fördert somit die Integration aller Alevitinnen und Aleviten“.

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3 Kommentare

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  • oh weh!

    die éclairissiotie greift immer weiter um sich.

    • @christine rölke-sommer:

      Haben Sie nicht noch einen Spiegel-Termin?

      • @KarlM:

        mit nem éclair wie Sie eins sind?

        bestimmt nicht.

         

        schade, dass der korrespondent nicht auf die verfassungsrechtliche problemstellung näher eingegangen ist.