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Neues Gutachten zu EnteignungZu teuer oder zu riskant

Der Berliner Rechnungshof hat mal nachgerechnet und hält eine Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen nicht für umsetzbar.

Eine Vergesellschaftung, wie sie „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ fordert, ist aus Sicht des Landesrechnungshofs nicht machbar Foto: Wolfgang Kumm (dpa)

Berlin taz | Der Landesrechnungshof sieht in der Debatte um die Enteignung großer Immobilieneigentümer „keine Möglichkeit, eine Vergesellschaftung mit vertretbaren Risiken umzusetzen.“ Das ist das Fazit eines 24-seitigen Gutachten, das auf der Internetseite der Landesbehörde steht. Nach deren Überzeugung sind entweder die finanziellen oder die juristischen Risiken zu hoch.

Der Rechnungshof um Präsidentin Karin Klingen hatte nicht auf Bitten von Senat oder Abgeordnetenhaus, sondern von sich aus nachgerechnet, was eine Enteignung tatsächlich bedeuten würde. Das geschah laut Klingen und Kollegen, weil eine Expertenkommission 2023 zwar zu dem Schluss gekommen war, dass ein Vergesellschaftungsgesetz nach Artikel 15 des Grundgesetzes möglich ist. „Sie nennt jedoch keine konkrete Höhe einer Entschädigungssumme“, heißt es im Gutachten. Außerdem habe die Kommission in ihrem Abschlussbericht keine Betrachtung der Folgekosten vorgenommen.

Der Rechnungshof hat daher zwei Modelle und deren Kosten und Risiken betrachtet: einmal eine Entschädigung nach Verkehrswert – also nach dem, was die bisherigen Eigentümer bekämen, wenn sie ihre Wohnungen auf dem freien Markt verkaufen würden. Dafür wären hochgerechnet 42 Milliarden Euro fällig. Zum anderen eine Enteignung für eine von der Expertenkommission für möglich gehaltenen niedrigeren Summe zwischen acht und elf Milliarden.

Laut Landesrechnungshof würde selbst dieses zweite Modell „unweigerlich zu Defiziten bei der Bewirtschaftung der zu vergesellschaftenden Bestände führen“.

Die müssten entweder durch höhere Mieten oder Zuschüsse aus dem Landeshaushalt ausgeglichen werden. Der aber befindet sich schon jetzt in krisenhaftem Zustand und steht vor Milliarden-Sparzwang. Und bei höheren Mieten sei eine Vergesellschaftung nicht verhältnismäßig.

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9 Kommentare

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  • Naja da die entsprechenden Gesellschaften nicht ihrer Verantwortung nachgekommen sind, Mietpreise quasi auch willkürlich erhöht haben. Kann man doch auch jene Gerichtsverfahren mit hinzuzählen, wo man dann Entschädigungen abfordern kann und schwupps haben wir eine Gegenfinanzierung. Das Problem ist nur das nur wenige sich an Gerichtsverfahren gegen das Kapital heranwagen. Dabei tut es gar nicht weh.

  • Hätten sie vor einem Jahr gerechnet...oder besser: Gekauft.



    Da war der Kurs von Vonovia nur halb so hoch wie jetzt.

  • Genau diese Kosten hat die Initiative stets bestritten und durch wolkige Berechnungsgrundlagen eine aufkommensneutrale Enteignung in Aussicht gestellt.

    Daher ist die Umsetzung der Enteignung doch ganz einfach. Sie erfolgt wie vorgeschlagen aufkommensneutral durch Zahlung einer Entschädigung aus den Mieten über 30 oder 40 Jahre (zinslos selbstverständlich). Urteilt dann ein Verfassungsgericht, dass die Entschädigung zu gering sei, wird die ganze Sache abgeblasen.

    Ergo, überhaupt kein Risiko für die Stadt und in ca. 5-10 Jahren wissen wir dann Bescheid.

  • Selbst eine Enteignung nach Verkehrswert ist Wunschdenken. Es gibt hunderte Präzedenzfälle bei Braunkohle, Autobahnen etc. - der Standard sind 150% Verkehrswert plus voll erschlossenes Ersatz-Baugrundstück in der weiteren Umgebung. Kein Gericht wird Jahrzehnte eingeübter Rechtsprechung einfach über den Haufen werfen, und bei solchen Konditionen werden die Berliner Eigentümer Schlange stehen und darauf klagen, als Erste enteignet zu werden.

    • @TheBox:

      es gibt keinen einzigen präzedenzfall für vergesellschaftung in der bundesrepublik, da artikel 15 gg (betrifft vergesellschaftung) anders als artikel 14 gg (betrifft enteignung) noch nie zur anwendung gekommen ist.

      alle von ihnen angeführten beispiele stützen sich jedoch auf art 14 gg.

      zum thema vergesellschaftung gibt es in der brd also nicht nur keine "eingeübte rechtssprechung" – es gibt dazu bislang gar keine rechtssprechung.

      • @Pflasterstrand:

        Die Rechtsprechung für Art 14 gilt aber entsprechend, da auch eine Vergesellschaftung eine Enteignung für den Eigentümer darstellt.



        Steht sogar wörtlich in dem Artikel 15, dass Art 14 Abs 3 Satz 3 und 4 entsprechend gelten.

        Daher ist die Rechtsprechung klar eingeübt. Übrigens Jede Enteignung wegen Straßenbau oder ähnlichem basiert auf Art 15.

        Eine Enteignung ist schlicht nicht machbar

        • @Walterismus:

          das ist (wie ihre eigenen ausführungen bereits deutlich machen) falsch. art. 14 gg "entsprechend gilt" lediglich, dass eine entschädigung zu zahlen ist und dass diese "unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen" ist.

          die abwägungsgrundlage, für die art. 15 gg gilt, ist für art. 14 gg jedoch nicht gegeben, nämlich die überführung von "grund und boden, naturschätze(n) und produktionsmittel(n)" in "gemeineigentum oder in andere formen der gemeinwirtschaft". an diesem zweck hat sich jedoch ein gesetz (ein weiterer unterschied zu art 14 gg.) zu orientieren, das die höhe der entschädigung regelt. diese darf folglich gemeinwirtschaftliches handeln nicht verhindern.

          ebenfalls schlicht falsch ist die behauptung, "jede enteignung wegen straßenbau oder ähnlichem " basiere auf art. 15. dieser artikel ist in der brd noch nie zur anwendung gekommen. land für straßenbau oder braunkohlegebiete werden nach art. 14 gg enteignet. ein paar mausklicks genügen, um das zu verifizieren. oder kennen sie das gesetz, dass in deutschland die vergesellschaftung von grund und boden für straßenbauland und braunkohleabbau regelt?

          zuletzt sei ihnen doch noch recht gegeben: eine enteignung ist nicht machbar. aber die ist ja auch nicht beabsichtigt, sondern eine vergesellschaftung auf der grundlage von art. 15 gg.

          • @Pflasterstrand:

            Ihre Vermutung ist Falsch, die Abwägungsgrundlage spielt keine Rolle. Art 15 und Art 14 sind sich in Rechtsfolge und Entschädigungslast gleich.

            Kleiner Exkurs von jemandem der auch Jura studiert und abgeschlossen hat.

            • @Walterismus:

              es gibt wohl so viele meinungen wie es juristen gibt.

              das thema abschließend sei deshalb die lektüre des von viel zu wenigen menschen gelesenen abschlußberichtes der expert*innenkommission empfohlen, verfasst von 13 personen, fast alle volljurist*innen, meist zusätzlich mit venia legendi, die jura ebenfalls studiert und abgeschlossen haben.

              exemplarisch folgende stelle: "Nach mehrheitlicher Auffassung ist das Gebot (Anm: der Verhältnismäßigkeit) jedoch im Falle einer Vergesellschaftung (Art. 15 GG) gegenüber einem Fall einer Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) zu modifizieren. Dadurch ist dem eigenständigen Anliegen einer Vergesellschaftung Rechnung zu tragen, nämlich der Beendigung privatnütziger Verwertung zur Aufhebung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Macht. (...) Zudem ist in der Abwägung privater und öffentlicher Belange dem Anliegen der Vergesellschaftung selbst besonderes Gewicht beizulegen." (s. 14)

              oder diese: "In ihrer Mehrheit ist die Kommission der Auffassung, dass für die Höhe der Entschädigung im Falle einer Vergesellschaftung andere Anforderungen bestehen als im Falle einer Enteignung." (S. 15)

              und dann lohnt zum thema entschädigungslast vielleicht ein letzter blick in art. 15 gg (ja, tatsächlich): hier heißt es furztrocken, dass "Art und Ausmaß der Entschädigung" über ein eigenes gesetz geregelt werden müssen. warum angesichts dieses satzes immer noch immer noch so vehement darauf beharrt wird, dass sich art. 15 und 14 gg in der entschädigungslast gleich seien wird wohl ein rätsel bleiben.