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Neues EinbürgerungsgesetzDoppelpass für alle!

Derya Türkmen
Kommentar von Derya Türkmen

Am 27. Juni ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft getreten. Aus der türkischen Gemeinde rechnet man mit 50.000 Anträgen pro Jahr.

Die Einbürgerungsurkunde verkörpert in der türkischen Gemeinde den Inbegriff des „German Dreams“ Foto: dpa | Fernando Gutierrez-Juarez

L ange wurde diskutiert, lange wurde darauf gewartet: Die Rede ist von der doppelten Staatsbürgerschaft. Das von der Ampel-Koalition formulierte Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, das am 27. Juni in Kraft getreten ist, ermöglicht nun die doppelte Staatsbürgerschaft für alle. Vor allem in der deutsch-türkischen Gemeinde wird die Reform als großer Fortschritt für die Integration angesehen.

Für die deutsch-türkische Community hat die Doppelbürgerschaft eine besondere Bedeutung. Viele Menschen türkischer Herkunft leben seit Generationen in Deutschland, dennoch bleibt oft die unterschwellige Angst, dass politische Veränderungen oder verschärfte Migrationsgesetze ihre Existenz hier gefährden könnten. Die Möglichkeit, sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft zu besitzen, bedeutet für die Betroffenen eine große Sicherheit.

Doch was genau hat sich verändert? Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts wurde zum einen der Mindestaufenthalt für die Einbürgerung verkürzt – von acht Jahren auf nun fünf. Und wer besondere Integrationsleistungen erbringt, kann sich nach drei Jahren Aufenthalt einbürgern lassen. Auch die Sprachanforderungen wurden angepasst: Zuvor musste man ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache aufweisen (B1-Niveau), nun gibt es in bestimmten Fällen sogenannte Lockerungen. Zum Beispiel für ehemalige Gastarbeiter, bei denen die mündliche Verständigung im Alltag ausreichend ist.

Auch die Verlustgründe für die deutsche Staatsangehörigkeit wurden neu definiert, denn dieser Punkt war zuvor nicht detailliert geregelt. Nun kann einem die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden, wenn es zum Beispiel zu einer Kampfbeteiligung in terroristischen Vereinigungen im Ausland kommt. Dies scheint erstmal alles machbar zu sein, vor allem für diejenigen, die sowieso in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Das ist vor allem bei den in den 1990ern geborenen Deutsch-Türken der Fall. Einige haben den türkischen Pass abgegeben, andere haben ihn behalten.

Die neuen Voraussetzungen: einfacher, aber strenger

Die Voraussetzungen für die Einbürgerung sind jetzt einfacher, aber auch strenger. Denn der Fragenkatalog des Einbürgerungstests wurde erweitert. Antragsteller müssen Fragen zum Existenzrecht Israels beantworten. Das soll verhindern, dass Antisemiten die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Damit wird Deutschland das erste Land, das von Einbürgerungsbewerbern verlangt, die Existenz eines anderen Staates anzuerkennen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt: „Wer unsere Werte nicht teilt, kann keinen deutschen Pass bekommen. Hier haben wir eine glasklare rote Linie gezogen und das Gesetz viel strenger gefasst als bisher.“

Trotzdem rechnet Gökay Sofuoğlu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, mit einem starken Anstieg der Einbürgerungsanträge. Viele würden jetzt so schnell wie möglich einen Antrag stellen: „Die Leute haben inzwischen verinnerlicht, dass es eine doppelte Staatsbürgerschaft geben wird.“ Sofuoğlu rechnet mit 50.000 Anträgen pro Jahr, dies sei realistisch. Weniger realistisch jedoch wird eine schnelle Bearbeitungsdauer sein. Schon jetzt gibt es in vielen Städten, vor allem in Berlin, einen „Antragsstau“. Anträge aus dem letzten Jahr müssten erstmal noch bearbeitet werden. Insgesamt sind über 200.000 bei den Behörden in Bearbeitung, in Berlin über 40.000. Wie schnell der Doppelpass Realität wird, bleibt abzuwarten.

Für die Antragsteller jedoch gibt es eine wichtige Deadline: die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Bis dahin möchten diese die grüne Einbürgerungsurkunde, den roten Pass mit dem goldenen Adler und somit das Wahlrecht besitzen. Sofuoğlu appelliert an die Parteien und sagt: „Die Antragsteller sind potenzielle Wählerinnen und Wähler. Wenn man diese gewinnen will, muss man eine entsprechende Politik machen. Dazu gehört, in den Parteien mehr Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen – und Rassismus ernsthaft zu bekämpfen.“

Trotz dieser positiven Entwicklungen bleibt die Realität vieler Menschen in der türkischen Community komplex. So groß die Freude über die Modernisierung ist, so groß ist auch die Angst vor Abschiebung nicht gänzlich verschwunden, besonders in Zeiten politischer Instabilität und dem Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte.

„Ich habe den deutschen Pass, den türkischen habe ich abgegeben. Ich bin ja auch schließlich hier geboren“, sagt Ozan, ein Spätibesitzer aus Neukölln, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Und er ergänzt: „Auch, wenn mir der türkische Pass nichts bringt, würde ich ihn jetzt beantragen. Aber ich habe Angst, dass mir dann der deutsche weggenommen wird. Nehmen wir an, die AfD kommt nächstes Jahr an die Macht. Dann könnten die mir meinen deutschen Pass entziehen und mich dann in die Türkei abschieben. Oder nicht?“

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Derya Türkmen
Seit Oktober 2023 Chefin vom Dienst im Berlin Ressort
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3 Kommentare

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  • Der deutsche Pass schützt Deutsch-Türk:innen so wenig vor der „Remigration“ wie der Verzicht auf den türkischen. Auch der Geburtsort und die Länge des Aufenthaltes der Vorfahr:innen sind vollkommen einerlei. Und auch die Rücknahmebereitschaft der „Herkunftsländer“ ist gleichgültig, weil die völkische Rechte für alles eine Lösung parat hat. Im Zweifel wird der Doppelpass sogar dazu führen, dass Betroffene als erste für „nicht integriert“ erklärt werden. Das alles möchte nur keine:r verstehen, scheint mir, denn es ist ja nur „Protest gegen ideologische, links-grüne Politik der Ampel“.

  • Es wäre gut, auch für Ursprungsbewohner einen Doppelpass auszugeben, für Länder in denen keine Nazis an die Macht kommen.

    • @M. S.:

      Die Artikelüberschrift verspricht das ja auch.

      "Doppelpass für alle!"

      Ich hätte auch gern einen.