Neues Buch von Matthias Wittekindt: Nur irgendeine Art von Wahrheit
Matthias Wittekindts Roman „Die Brüder Fournier“ tarnt sich als Krimi, ist aber eher ein Gesellschaftsroman. Es geht um ein merkwürdiges Brüderpaar.
Im Grunde ist es Etikettenschwindel, wenn Matthias Wittekindt seine Bücher als Krimis bezeichnet. Auch sein neues – „Die Brüder Fournier“ – ist ein Gesellschafts- und Entwicklungsroman, der sich in erster Linie für die seelische Dynamik einer Gruppe Jugendlicher interessiert – wobei nicht unterlassen wird, die nötigen Krimi-Elemente zu berücksichtigen.
Es gibt Tote, und die Frage, wer dafür verantwortlich ist, trägt bis zum Ende. Dass es einer der Brüder Fournier gewesen sein dürfte, wird von Anfang an angedeutet.
Matthias Wittekindt: Die Brüder Fournier. Kriminalroman. Edition Nautilus, Hamburg 2020, 270 Seiten, 18 Euro
Ihrem Lebenslauf folgt Wittekindt von 1966 bis in die unmittelbare Vergangenheit. Die Fournier-Eltern führen in einem Brüsseler Vorort eine erfolgreiche Confiserie, für die Kinder bleibt kaum Zeit. Vincent, der Jüngere, wirkt durchgeistigt, den profanen Anforderungen des Lebens nicht gewachsen, weshalb sein ein Jahr älterer Bruder auf ihn aufpassen soll.
Doch Iason ist nicht minder sensibel, zudem mit einer außergewöhnlichen Sinneswahrnehmung ausgestattet. Überfordert ist er, wenn es darum geht, andere Menschen zu verstehen, da wirkt er fast autistisch. Und weil er stark und wild ist und ein ausgeprägtes Sensorium für Gerechtigkeit hat, macht er Fehler. Er zündelt, prügelt sich und gerät ins Visier von Jugendamt, Staatsanwaltschaft und Psychiatrie.
Wie gewohnt erzählt Wittekindt dieses Psychodrama in einer vordergründig kühl referierenden, sachlichen Sprache, die suggeriert, die Oberhand über den Stoff zu wahren. Die Kunst besteht darin, diesen Eindruck immer wieder durch verunsichernde Zeichen zu konterkarieren.
Am Ende sind wir zwar über alles einigermaßen gut informiert, Bescheid wissen wir aber nicht. Dass man nie mehr als nur „irgendeine Art von Wahrheit“ zu erfahren fähig ist, könnte als Moral dieses magischen Romans durchgehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau