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Neues Buch über das MutterseinPerfektionismus deutscher Mütter

Die Journalistin Mareice Kaiser hat ein Buch über modernes Muttersein geschrieben. Unsere Autorin irritieren die viel zu hohen Ansprüche deutscher Mütter an sich selbst.

Großes Glück mit Schattenseiten: Mutter sein Foto: Michael Schick/imago

Als ich Mareice Kaisers Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ gelesen habe, bin ich wütend und traurig geworden. Fast so wütend, fast so traurig wie das Buch. Kaiser ist Journalistin und Chefredakteurin des feministischen Onlinemagazins edition f.

Im Jahr 2018 hat sie für zett.de einen Artikel über den gesellschaftlichen Druck geschrieben, der auf Frauen lastet, die Mutterschaft und Karriere unter einen Hut kriegen wollen, und wurde dafür mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. Ihr neues Buch basiert auf diesem Artikel.

Ich bin fast eine deutsche Mutter jetzt – wohne seit 20 Jahren in Deutschland, und für 16 dieser 20 Jahre war ich eine Mutter. Vielleicht keine deutsche Mutter, aber immerhin eine Mutter in Deutschland. Und für die meiste Zeit Alleinerziehende. Ich wohne hier, erziehe hier, fühle mich unwohl hier. Ich hasse meine Kinder manchmal. Auch ich versuche, dass niemand es mir ansieht, dass ich die Art Mama bin, die manchmal ihre Kinder schlagen will.

Ich schäme mich dafür: für die Gewalt in mir, für das Unglück, die Unzufriedenheit, das mit Elternsein in diesem Land, in dieser Gesellschaft verbunden ist. Ich fühle mich manchmal leer. Wie eine Versagerin.

Die Autorin

dieses Textes, Jacinta Nandi, ist Buch- und taz-Autorin und betreibt den taz-Blog „Riotmama“. Das Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ von Mareice Kaiser erschien am 20. April im Rowohlt Verlag.

In Mareice Kaisers Buch habe ich mich erkannt: in der Leere, im Kaputten. Deutschland ist anders als meine Heimat England, aber auch ähnlich: In beiden Ländern leben wir Mütter in einer Gesellschaft, die zu viel verlangt und uns zu oft alleine lässt. Es wird zu viel verlangt und dann, wenn die Mütter kaputt gehen, wird ihnen die Schuld daran gegeben. Daher kommt diese Leere und diese Einsamkeit.

Nie gut genug sein

Man weiß, als Mama kannst du nie gut genug sein. Denn du sollst nie gut genug sein. Es herrscht Victimblaming und Momshaming und man kann es nie jemandem recht machen. Man soll es niemanden recht machen. Denn die Idee der modernen Mutterschaft in Deutschland wie in England ist, dass man versagen muss – nur die Methodik ist in ihren Details anders.

Kaisers Buch beschreibt sehr genau diese Scham darüber, dass man nur „rechtzeitig“ die Kinder abholt aus dem Kindergarten oder dem Hort. Ich kenne diese Scham. Manchmal habe ich beim Rennen von der Straßenbahn zum Hort gedacht, ich hätte mich nicht mehr geschämt, wenn nun christliche Fun­da­men­ta­lis­t*in­nen mir an der Straße „Du Schlampe, du hättest doch abtreiben sollen!“ zugerufen hätten. Aber es gibt manches in Mareice Kaisers Buch, was ich nicht verstanden habe – und das hat mich irritiert. Ich wohne doch so lange hier und müsste es eigentlich verstehen. Will ich es einfach nicht verstehen?

An einer Stelle im Buch zum Beispiel steht, dass deutsche Mamas jetzt unter Druck stehen, wenn ihre Kinder Schnuller benutzen. Anscheinend sollen sie keine Schnuller benutzen. Das macht mich fassungslos. Keines meiner beiden Kinder nutzte Schnuller, aber mit beiden habe ich es lange versucht, Stunden und Stunden verschwendet, ihnen das Lutschen an einem Schnuller beizubringen. Beim Großen hat es nie geklappt, der Kleine war nur einen Nachmittag lang Schnullerkind – und ich stolz.

Es ist deprimierend, zu erkennen, dass etwas, bei dem ich versagt habe, von deutschen Müttern deklassiert wird. Wie kann es sein, dass ich nie bemerkt habe, dass wir nicht mehr Schnuller nutzen sollen? Ich kam mir vor wie diese Ostdeutschen, die plötzlich fragen, wer Cate Blanchett ist: Ich erinnere mich noch vage daran, dass es schlecht für die Zähne sein soll. Aber verboten? Seit wann? Was ist los mit mir? Was ist los mit Deutschland?

Es ist einfach: der Perfektionismus. Deutsche Mamas wollen perfekt sein, und du nicht. Du bist eine ausländische Schlampe, und es ist dir egal, wenn deine Kinder Schokolade essen. Ich finde, diese Erklärung haut nicht hin. Ich habe perfekte Kinder, und ich will für sie die perfekteste Mama sein. Aber irgendwie ist der Perfektionismus der deutschen Mama anders als meiner: er ist langweiliger, freudloser – deutscher eben.

Gurkenscheiben und Lustige Taschenbücher

Es hat mich damals genervt, als mein Teenager klein war und eine deutsche Freundin mir sagte, dass „Lustiges Taschenbuch“ lesen kein „echtes“ Lesen sei. Kaisers Buch hat mich oft daran erinnert. Tagelang dachte ich an die Stelle, wo sie erzählt, dass sie Gurken auf den Teller machte, obwohl sie wusste, dass das Kind sie wahrscheinlich nicht essen würde.

Das nervte mich nicht (das mache ich auch) – aber mich nervte ihre Anerkennung der Tatsache, dass sie diese Gurke nur für das Ansehen brauchte, nicht für das Kind. Es ging nur um den Akt, eine gesunde Gurke auf dem Teller zu platzieren, weil es so sein muss. Ich war sehr wütend darüber – und danach, beim Teller beschmücken, immer noch.

Wer, denkst du, dass du bist, wollte ich das Buch anschreien. Ich dachte an meine Mama, die immer ein bisschen „Grün“ auf den Teller legte, „nur zur Deko“, und wenn wir gesagt haben, „Mama, wir essen kein Gemüse“, sagte sie immer, „ist doch nur Deko“, und hat wie eine Hexe gelacht. Meine Mama fand’s okay, wenn wir das grüne Zeug nicht aßen, während die deutschen Mütter sich Vorwürfe machen, nur aus Statusgründen den Teller zu schmücken? Warum sind deutsche Mütter so hart mit sich?

Die deutschen Eltern von heute, das beschreibt Kaiser sehr genau, finden die deutsche Kindererziehung, die sie selbst bekamen, besonders gewalttätig, besonders grausam, sehr deutsch, weil es auch mit der Nazizeit zu tun habe. Aber ich finde diese Gewalt nicht deutsch. Auch ich bin, wie alle Kinder damals aus meiner Schule in Großbritannien, zu Hause geschlagen worden. Was mir eher deutsch vorkommt, ist die Art und Weise, wie man versucht, die Gewalt in den eigenen Eltern und in sich selbst zu leugnen und zu verdrängen.

Vielleicht führt das zu dieser Leere, die mir leerer vorkommt als die Leere in mir? Kann eine ausländische Mama in Deutschland sich jemals so sehr hassen wie eine deutsche Mama? Vielleicht muss dieser Perfektionismus sich härter anfühlen, wenn man Teil der Gesellschaft war, bevor man Mutter geworden ist – und Ambitionen hatte. Die Wahrheit ist, bevor ich Mutter wurde, war ich nicht Teil der Gesellschaft, und nach zwanzig Jahren hier bin ich immer noch draußen. Ich soll eigentlich gar keine deutsche Mama sein. Und jeder weiß das, die AfD weiß das, aber auch die Grünen.

Mamas sollten weniger ambitioniert sein

Erst, als ich meinen Großen gebar, hatte ich endlich Recht auf Sozialhilfe. Durch seine Geburt bin ich quasi ein Mensch in Deutschland geworden – anders als die deutschen Mütter, die so unglücklich sind, weil ihre Kinder sie Geld und Karriere gekostet haben, hat meins, (erzählt das bitte nicht Beatrix von Storch) mir Sicherheit und ein Existenzminimum gegeben.

Ich will damit nicht sagen, die deutschen Mamas seien selbst schuld an ihrem Unwohlsein. Das wäre zu einfach und zu verlockend. „Habt euch nicht so, ihr Helikopter-Mamas!“, sagen in Deutschland ja oft dieselben Leute, die, wenn ein Kind später als 21 Uhr ins Bett geht oder seine Mütze verliert, sofort das Jugendamt anrufen.

Ich finde nicht, dass deutsche Mamas sich ändern müssen, auch wenn ich keine bin. Ich finde nicht, dass deutsche Mamas weniger ambitioniert sein sollten. Die deutsche Gesellschaft sollte ambitionierter sein, die Mamas mit ihrem Unwohlsein nicht alleinzulassen.

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16 Kommentare

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  • Es stimmt schon, das es bei uns in Deutschland eine unübersehbare Flut von Erziehungsratgebern gibt. Wir sind wohl auch das einzige Land, das einmal 17 verschiedene Schulformen hatte.



    Ich persönlich glaube, das mit der gleichzeitigen Entwurzelung und Köpfung der pädagogischen Entwicklung durch die Nazis Deutschland sich immer noch nicht gefangen hat und weiterhin durch die pädagogische Landschaft taumelt. Es hilft natürlich nicht gerade, dass sich die Pädagogik zur Zeit in allgemeiner Aufbruchstimmung befindet und es noch nie zuvor so viele verschiedene pädagogische Ansätze gab.



    Des Weiteren liegt vieles wohl auch an der deutschen Unart, es gerade in der Erziehung besser als alle anderen zu wissen und dies dann auch ungefragt jedem lauthals mitzuteilen.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das Elternsein ist so unterschiedlich wie das Menschsein eben auch unterschiedlich ist.



    Ich hab' allerdings den Eindruck, dass viele Probleme einfach Wahrnehmungsschwierigkeiten sind. "Ich bin schlau, dann kann mein Kind nicht doof sein" ist vermutlich die populärste Fehleinschätzung.



    Ich glaube, dass biologistische und dynastische Perspektiven in Deutschland besonders dominant sind - und die falsche Logik in diesen Perspektiven perpetuiert sich dann nicht gebremst von Reflektion.



    Man gerät dann bei der Ursachenforschung für etwaige Misstöne tief im Wald von Dunning-Kruger.



    Auch wenn ich selbst oft in Versuchung bin: Der erste Schritt ist die Anerkenntnis, dass nicht alle anderen blöd sind. Der zweite Schritt macht sich dann oft von ganz alleine...

  • Mich irritiert der Artikel - und auch das Buch dahinter. Es wird sehr verallgemeinernd über die deutschen Mamas gesprochen, die sich alle unwohl fühlen und die alle Vorurteile gegenüber nicht-deutschen Mamas haben. Ich bin Mutter in Deutschland und fühle mich absolut nicht unwohl. Und ich will auch nicht perfekt sein. Sätze wie "Aber irgendwie ist der Perfektionismus der deutschen Mama anders als meiner: er ist langweiliger, freudloser – deutscher eben" empfinde ich als sehr ungerecht all den "deutschen" Mamas gegenüber, die ihre Kinder mit Freude, einer guten Portion Unperfektionismus und einigem Süßkram erziehen. Davon gibt es nämlich gar nicht so wenige.

    • @Steffa:

      Dem kann ich als deutscher Papa mit viel Erziehungs- und auch Auslandserfahrung zustimmen. Die deutschen Mamas und Papas "im Allgemeinen" gibt es genauso wenig wie "die englischen Mums and Dads". Auf ein paar kulturelle Tendenzen lasse ich mich gern breitschlagen, aber wir sollten uns auch von einem unnötigen weil falschen Nationalismus in den Köpfen befreien.

  • Was mich am meisten irritiert, außer die forciert vulgäre Ausdrucksweisen, ist, dass die Bloggerin sich so sehr vom "deutsch sein" absondert. Sie ist seit 20 Jahren hier. Wer da nicht ein wenig der Kultur und Identität angenommen hat, empfinde ich als so intolerant und intolerant, dass ich alles andere auch nicht mehr ganz ernst nehmen kann.



    Ich bin Mama in Deutschland. Ebenfalls 20 Jahren hier und fühle mich ebenso Deutsch wie meine "andere" Identität. Und ich fühle mich keineswegs unwohl.



    Ich denke die eigene Haltung hat sehr viel hiermit zu tun. I

  • Warum wird nicht über der Perfektionismus deutscher Väter geschrieben?

  • Das größte Problem deutscher Mamas dürfte der auf mangelnder Selbstsicherheit beruhende Konformismus sein. Was "man" als Mama tun "muss", wird Frau von allen Seiten eingehämmert, und ist oft so kurzlebig, widersprüchlich und -sinnig wie Ernährungsempfehlungen.

    Hinzu kommt der deutsche Hang zum Missionieren Da wird argwöhnisch geschielt, ob die Nachbarin alles "richtig" macht, und bei "Verstößen" geshitstormt. Sei es bei der Kindererziehung, sei es bei der Mülltrennung, der Wahl des Verkehrsmitels, der "gesunden" Ernährung, etc. Dieses humorlose Puritanertum ist das deutsche Problem, und nicht nur auf Mutterschaft begrenzt.

    Verunsicherte Mütter sind willige Konsumentinnen von Beratungsliteratur, "Förder"spielzeug, "Superfood", Nachhilfe usw., eine ganze Industrie. Soviel zum Nicht-Gut-Genug-Sein-Sollen.

    Den Erzählungen meiner Mutter nach habe ich Schnuller als Kind übrigens konsequent verweigert. Wozu "muss" ein Kind eigentlich ständig an etwas rumnuckeln? Damit es die Klappe hält und nicht stört, wenn es unbeholfen versucht, Wörter der Muttersprache zu formen? Bei Bedarf habe ich den Bettbezug zernagt, oder meine Mutter gab mir ein Tomate zum Lutschen - das rote Bällchen wollte ich unbedingt haben, den Gummi habe ich ausgespuckt.

    Viele junge Mütter sind unselbstständig und unsicher, und fixieren sich deshalb zwanghaft auf das, was "man" machen "muss". Es wäre gesünder für alle Beteiligten, auch mal aufs Bauchgefühl zu hören, alle Klugsch[PIEP] zu ignorieren, und das Kind nicht als eine zu optimierende Ressource zu betrachten. Ein Kind, dass gelernt hat, selbstständig Probleme zu lösen, kann später auch einen vergeigten Schulabschluss ggf. selbst nachholen. Ein Kind, dass stets in Watteschichten gehüllt war, wird schon am ersten Tag der Berufstätigkeit scheitern, wenn keine Mama mehr hilft. (Gott, solche Helikopterkinder musste ich einarbeiten. Stichwort: Erlernte Hilflosigkeit. Jeder Hilfsarbeiter mit zweitem Bildungsweg war da lernfähiger.)

    • @Schnetzelschwester:

      Klasse! Sehr treffend auf den Punkt gebracht!

  • Am Ende ist es doch so, dass zu viele Menschen einem Idealbild folgen.

    Es wird der Konflikt mit dem eigenen Kind gescheut. Dem Kind wird der Freiraum genommen, eigene Konflikte zu lösen. Aus jeder Kleinigkeit wird eine Mücke gemacht. Statt Liebe erfahren Kinder zunehmend materielle Aufmerksamkeit. Es gibt zu viele Spielplätze und zu wenig Natur. Eltern verlernen es, sich auf ihr eigenes Gefühl zu verlassen und lassen sich von Ängsten leiten.

    Ich wurde vor 4 jahren dumm angeguckt, dass meine 5jährige Tochter alleine mit dem Laufrad zu ihrer Freundin durchs Dorf fahren durfte.

    Aber unter 4 Augen geben dann doch fast alle Eltern zu, dass sie ihr Kind eigentlich auch frei und eigenverantwortlich erziehen wollen. Nur können sie meist aus Angst nicht loslassen. Irgendwas kann ja immer passieren.

    Idealbilder gab es schon immer in einer Gesellschaft. Nur sollte die kindliche Erziehung das Ziel verfolgen, dass die Kinder lernen, was sie selber glücklich macht und ein Gefühl für sich selber entwickeln. Hierbei muss man natürlich die Balance finden und man darf sich selber nicht vergessen.

    Ich bin in einer tollen Familie aufgewachsen. Wenig Geld, viel Liebe. Es sind Fehler passiert in der Erziehung. Aber ich habe gelernt, dies zu reflektieren und zu akzeptieren. Fehler sind menschlich und gehören in eine "gute" Erziehung. Ratgeber sind nicht so ideal. Man sollte vielleicht eher sein Kind verstehen und die Erziehung ein Stück weit anpassen.

    Meinte Tochter z.b. scheut keine Konflikte mit uns Eltern. Würde ich mich jedesmal versuchen, durchzusetzen, so würde ich vermutlich irgendwann den Draht verlieren. Also soll sie einfach mal frech sein, auch wenn andere das als schlecht erzogen interpretieren.

    Einen Ratgeber habe ich doch gelesen. Ich weiß nicht mehr den Namen. Das Thema war aber nicht die Erziehung des Kindes, sondern der Umgang mit den eigenen Ängsten als Eltern, dass man sich von diesen in der Erziehung nicht leiten lässt. Diesen Ansatz würde ich eher empfehlen!

  • "Denn die Idee der modernen Mutterschaft in Deutschland wie in England ist, dass man versagen muss".

    Sorry, Leute, nicht für jedes Gefühl ist "die Gesellschaft" verantwortlich. Es gibt so viele Möglichkeiten heute für Mütter, sich zu informieren - oder es zu lassen.



    Oder, was doch die meisten tun, sich gezielt zu suchen, was zum eigenen Stil und den Überzeugungen passt.

    Warum sich von den paar Besserwisser*innen, die es immer gibt überhaupt beunruhigen oder gar reinreden lassen? Man kann sich das höflich, aber sehr klar verbitten.

    Wenn man denn für sich weiß, dass man ein Mensch ist, nicht perfekt ist, nicht perfekt sein muss und einfach mehr oder weniger sein Bestes versucht - dann ist das keine Kunst.

    Nein, das bedeutet WIRKLICH nicht, alles perfekt zu machen. Aber erwachsen zu sein und damit zu leben, dass das Leben keine Notenstrasse ist. Dass man Emotionen hat, auch negative. Ist doch letztlich nicht nur mit Kindern so: Ich kann Fehler machen, ich werde Fehler machen - aber was solls, sind auch nur ein paar im Verhältnis zu meiner Anstrengung und meinem ERFOLG.

    Wer, wenn nicht ich kann sagen: Ja, für mich, für meine Verhältnisse, in meiner Situation ist mein Leben erfolgreich!

    Ein paar ganz normale Kinder, nicht ohne Schwierigkeiten, SELBSTVERSTÄNDLICH; ziemlich anständige Menschen, nicht ganz auf den Kopf gefallen, unperfekt - und sicher in Zukunft auch keine perfekten Eltern.

    Und nochmals sorry, ich sehe echt nicht, was daran jetzt besonders "deutsch" sein soll - und bin der Meinung, dass Kinder von überall her durchaus auch anders erzogen werden können - habe auch gerne gelesen, wie manche Indigene oder Skandinavierinnen mit Kindern umgehen - und davon gelernt, wo es mir ans Herz ging oder einleuchtete. Wie interessant, das mal mitzubekommen - ich habe keine Schwierigkeiten, auch mal mit einer Italienerin über Kindererziehung in D und in I vernünftig zu reden - spannend für alle Seiten, oder?



    Könnte noch viel schreiben, trotzdem guten Tag noch!

  • Es würde ja schon helfen, wenn mal alle verinnerlichen (ja, da mucc ich mich selbst auch dran erinnern), dass wir sowieso ein ganzes Dorf brauchen, um ein Kind großzuziehen. Eine Mutter allein reicht halt einfach nicht. Hat schon meine Uroma immer gesagt. Sie musste es wissen. Sie hatte viele Kinder, viele Nachbarskinder und noch mehr Enkel. Aber sie war auch nie ganz allein mit ihnen betraut.

  • "Man weiß, als Mama kannst du nie gut genug sein. Denn du sollst nie gut genug sein. Es herrscht Victimblaming und Momshaming und man kann es nie jemandem recht machen. Man soll es niemanden recht machen. Denn die Idee der modernen Mutterschaft in Deutschland wie in England ist, dass man versagen muss – nur die Methodik ist in ihren Details anders."

    Diese gesellschaftliche Verschwörung hätte ich doch gerne etwas genauer erklärt bekommen. Weshalb ist das so, wer ist alles Verschwörungsteilnehmer und falls es wieder einmal der alles und nichtsaussagenden Begriffe "strukturell" und "systematisch" bedarf, wäre ich dankbar den Mechanismus, natürlich für einen Laien wie mich verständlich, etwas definiert zu bekommen.

    • @Hampelstielz:

      Es ist für ganze Industrien wichtig, dass es viele zu vielen Themen verunsicherte Menschen gibt, denen sie dann die Lösungen zu ihrem "Problem" verkaufen können.

      Schauen Sie nur mal, was über die Jahrzehnte abwechselnd als "gesunde" Ernährung propagiert wurde, welche Gefahren an die Wand gemalt wurden/werden, wenn man sich abweichend verhält - und wer an der Angst der Menschen mit Fake-Food verdient.

      Genauso läuft es bei politischen Parteien jeglicher Couleur: erst verunsichern, dann die (eigene) Lösung anbieten.

      Je verunsicherter (also sich nicht gut genug fühlend) die Mütter sind, um so besser verkauft sich "Unterstützung" von Beratungsliteratur über wahlweise "pädagogisch wertvolles", "ökologisch sauberes" oder "digital-elektrisches" Spielzeug, bis hin zu Vitaminpillen und Nachhilfe für Schüler/innen. Milliarden Menschen wuchsen und wachsen zwar ohne all das heran, aber "das ist/war nicht gut genug!"

      Mütter, die sich nicht verunsichern lassen (sei es, dass sie in einem anderen Kulturkreis sozialisiert wurden, sei es, dass sie schon mehrere Kinder haben), werden gerne Zielscheibe von kollektivem Shaming - Wie kann die nur! Wie rückständig! Wie suboptimal!

      Das diffuse Unbehagen der Autorin hat einen handfesten Hintergrund: Wirtschaft.

      Außerdem gibt es immer Mütter, die sich am vermeintlichen Versagen anderer Mütter hochziehen und sich "besser" fühlen, wenn sie herumkritteln können. Wenn alle alles richtig machen würden, was täten die denn dann?

  • Moin, denke es ist heute ein Phänomen in praktisch jedem gesellschaftlichen Bereich: Die eigene Wahrheit wird als absolut genommen und jedeR der/die ausschert ist einE KetzerIn und muss ans Kreuz. Es gibt nur noch Freund/Feind-Denken. Kein wohlmeinendes Entgegenkommen, kein Hineinversetzen in das Gegenüber. Nicht in gesellschaftlichen Debatten, nicht in der Politik, in den "sozialen" Medien schon gar nicht. Dazu kommt, dass jedes Thema unglaublich überhöht wird. Schnuller, oder nicht? Wen kümmerts? Witzigerweise gibt imho seit ca. 12 Generationen (Erziehungs-) Ratgeber, davor konnte man über 300.000 homo sapiens ohne erziehen (oder auch nicht).

    • @WirdSchonWerden:

      Finde ich gut. Eben dieses Wohlwollen dem anderen samt seiner Meinung (solange diese "friedlich" bleibt) gegenüber. Man muss nicht dergleichen Meinung sein, aber akzeptieren, dass es mehrere Arten zu leben und zu fühlen gibt. Dies gilt im übrigen auch für internationale Beziehungen - der "Westen" kann sich nicht mal vorstellen, dass die eigene Art zu leben und Politik zu machen, nicht die einzig richtige ist und dass es zu akzeptieren ist, dass andere Völker anders leben WOLLEN. Das nennt man Souveränität. Bin eine ausländische, seit langem in Deutschland lebende Mutter eines mittelerweile erwachsenen Kindes, lange alleinerziehend. Aber nie unglücklich deswegen gewesen. Verstehe das ganze "Genölle" nicht. Dies liegt nicht an der Gesellschaft, dies liegt, Entschuldigung, an der Lebenseinstellung und am Charakter. Denn - Überraschung! - Gesellschaft das sind WIR. All die, die sich von der "Gesellschaft" irgendwie falsch behandelt fühlen, sind selbst Teil der Gesellschaft, sind somit gewissermassen die Gesellschaft. Also,.. wünsche allen ein zufriedenes Leben. Liebt einfach eure Kinder, geniesst die Zeit mit Ihnen. Und überlegt, ob ihr wirklich welche bekommen wollt und nicht nur "weil es sich so gehört". Menschen gibt es nämlich genug auf der Erde.

    • @WirdSchonWerden:

      300.000 Jahre