Neues Berliner Abgeordnetenhaus: Zurechtruckeln
Fast sechs Wochen nach der Berlin-Wahl fand sich das neue Parlament zur konstituierenden Sitzung zusammen und nahm die Arbeit auf.
Das Parlament habe nun vier Monate den Protest zur Offenhaltung des Flughafens Tegel ignoriert, hat sich jüngst die gleichnamige Initiative beklagt. Verwunderlich ist das allerdings nicht: Bis auf einen Zwischentermin gleich nach den Sommerferien – der im Zeichen des Wahlkampfs stand –, hat das Abgeordnetenhaus über vier Monate nicht getagt, als es an diesem Donnerstag zum ersten Mal seit der Wahl vom 18. September zusammenkommt. 75 der Frauen und Männer im Plenum gehörten zuletzt nicht dem jetzt 160 Sitze großen Parlament an, fast die Hälfte davon gehören den beiden neuen Fraktionen von AfD und FDP an.
Im Mittelpunkt des Interesses steht klar die AfD-Fraktion, am linken Rand des Plenarsaals untergebracht, wo zuletzt die Piraten saßen. Was für nur gelegentliche Zuschauer genauso verwirrend ist wie die Position der Linksfraktion am rechten Rand des Halbrunds. Es ist eine Frage der Blickrichtung – entscheidend für „links“ und „rechts“ ist schon seit dem 19. Jahrhundert nicht die Zuschauerperspektive, sondern die des Präsidiums.
Dort sitzen an diesem Donnerstagvormittag zwei Frauen zusammen, zwischen denen 50 Jahre liegen. Weil es wie immer in der ersten Sitzung noch keinen gewählten Parlamentspräsidenten gibt, leitet die älteste Abgeordnete die Sitzung, diesmal die 69-jährige SPDlerin Bruni Wildenhein-Lauterbach. Und die holt sich als Unterstützung ins Präsidium die vier jüngsten Abgeordneten, darunter eben die 19-jährige Grüne June Tomika.
Viel gibt es nicht zu tun an diesem Tag, weder Gesetze zu verabschieden, noch Vorlagen der Regierung zu besprechen. Und doch gibt es schon einen Konflikt in der noch zu bildenden rot-rot-grünen Koalition. Die Grünen fänden es nämlich gut, wenn eine Oppositionsfraktion den Chef des Hauptausschusses stellt, des wichtigsten Parlamentsausschusses. Die Linke findet das auch nicht schlecht. Schlagworte sind bessere Kontrolle der Regierung durch die Legislative und Ähnliches.
In einen Ausschuss verlagern
Bloß die SPD mag nicht – sie stellt derzeit mit Fréderic Verrycken den Ausschusschef, und der hat seinen Job nach allgemeiner Einschätzung in den letzten Jahren gut gemacht. Man macht, was man immer macht, wenn man eine Kontroverse gerade nicht lösen kann – man verlagert das Ganze in einen Ausschuss, der das in Ruhe rechtlich prüfen soll.
Es sind Details, die in diesem Zusammenhang auffallen. Da redet zu diesem Thema nämlich nach den drei parlamentarischen Geschäftsführern von SPD, CDU und Linkspartei für die Grünen nicht deren bisheriger Kollege Benedikt Lux, sondern der erstmals ins Parlament gewählte Parteichef Daniel Wesener. Lux, bislang ein Vorderbänkler der Fraktion, sitzt nun in der letzten Reihe – abgelöst oder in Wartestellung für einen Staatssekretärsposten?
Die Fraktionspressestelle mag nicht bestätigen, dass Wesener, der ja auch für ein Senatorenamt im Gespräch ist, ihn abgelöst hat: (Wieder) gewählt habe man am Dienstag nur die beiden Fraktionschefinnen. Und dass Lux ganz hinten sitzt, soll damit zu tun haben, dass die Abgeordneten ihre Plätze untereinander ausgelost hätten. Dabei überrascht bloß, dass eine Auslosung ergeben haben soll, dass Wesener und seine Ko-Parteichefin Bettina Jarasch direkt hinter den beiden Fraktionschefinnen sitzen.
Lange sitzt Wildenhein-Lauterbach nicht da vorne, denn nach eineinhalb Stunden ist auch der dauerhafte Parlamentspräsident mit großer Mehrheit gewählt, Ralf Wieland, der das Amt schon in der vergangenen Wahlperiode hatte.
Duell als Machtprobe
Die eigentliche Abstimmung hatte er zwei Tage zuvor in der SPD-Fraktion gegen seine interne Mitbewerberin Iris Spranger gewonnen – traditionell stellt die größte Fraktion den Präsidenten. Nur 24 der 160 Abgeordneten votieren in geheimer Abstimmung nicht für ihn – genau so viele Mitglieder hat die AfD-Fraktion. Seine Stellvertreterinnen werden Cornelia Seibeld (CDU) und Manuela Schmidt (Linke).
Das Duell Wieland-Spranger galt auch als Machtprobe zwischen Regierungschef Michael Müller und Raed Saleh, der Müller zuletzt heftig kritisierte. Am Donnerstag suchte Saleh in Sitzungspausen gut sichtbar für Kameras und Fotofragen die Nähe Müllers – von Kluft keine Spur, sollte wohl die Botschaft sein.
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