Neues Album von US-Indieband DIIV: Gute, böse und kochende Frösche
Die New Yorker Indierockband DIIV geht auf ihrem neuen Album „Frog In Boiling Water“ allerlei Verschwörungsmythen und US-Volkssagen nach.
Im Allgemeinen machen wir uns wahrscheinlich wenig Gedanken über das Wohlbefinden von Fröschen. Dabei scheint es dem kleinen glitschigen Getier nicht besonders gut zu gehen. Okay, Frösche sind auf Verkehrswarnschildern zu sehen, das aber auch nur, weil sie überproportional oft von Fahrzeugen überfahren werden.
Sie müssen seit 2016 zudem für die Alt-Right-Bewegung als Meme herhalten, und wenn sie mal geküsst werden, verwandeln sie sich in einen aufrecht gehenden Zweibeiner, der sich mit solch trivialen Dingen wie Steuererklärungen und Lohnarbeit befassen muss.
Manchmal dient der Frosch auch als Grundlage für empirisch begründete Metaphern und kann damit wenigstens einen kleinen Gewinn im popkulturellen Feld für sich verbuchen. „Frog in Boiling Water“ heißt das neue, mittlerweile vierte Album der US-Shoegaze-Dreamgrungeband DIIV. Ob das seine Frösche glücklich macht? Man weiß es nicht. Obwohl, wenn sie das Album hören könnten, dann vielleicht schon.
Roman von Ökoliterat Quinn
DIIV, die Indieband aus dem New Yorker Stadtbezirk Brooklyn, bezieht sich nach eigenen Aussagen mit ihrem Albumtitel auf ein Kapitel des 1996 erschienenen philosophischen Romans „The Story of B“ des Öko-Literaten Daniel Quinn.
DIIV: „Frog In Boiling Water“ (Fantasy/Concord/Universal)
auf Tour im November 2024
Die Metapher des Froschs im kochenden Wasser existiert aber schon länger und besagt, dass ein Frosch, der in kochendes Wasser gesetzt wird, alles unternehmen würde, um diesem zu entkommen. Setzt man einen Frosch allerdings in kaltes Wasser und bringt dieses langsam zum Kochen, dann verfällt er in eine Art Schockstarre und bleibt bis zu seinem Tod darin sitzen. So weit, so wenig subtil.
Denn worauf DIIV damit hinauswollen, dürfte klar sein. Klimakatastrophe, Turbokapitalismus, Kriege. Und alle fallen in eine kollektive Schockstarre.
Musik klingt nicht problembeladen
Die Musik auf „Frog in Boiling Water“ klingt aber gar nicht problembeladen. Anders als seine Vorgängeralben, aber auch anders als der Titel es suggerieren würde. Es gibt nicht die großen Hits, wie „Blankenship“ oder „Doused“, aber die hat die Band ja auch schon geliefert. Das Album ist vor allem eines: ein Referenzmonster, das klingt wie aus einem Guss. Ob Film, Literatur oder Musik, es scheint, als haben die vier Künstler alles, was sie jemals an Kultur konsumiert haben, in die Songs eingewebt.
So ist die Geisteshaltung des Protagonisten von „Everyone out“ geprägt vom Willen nach einem gesellschaftlichen Umsturz, der es ihm ermöglicht, selbst die Macht an sich zu reißen. Ist damit etwa Trump gemeint? DIIV verweisen im Songtext konkret auf Post-Humanismus und Akzelerationismus.
Das erläutert die Band in ihrem eigenen Podcast „The DIIV Podcast“ (Warum ist denn hier niemand auf „Deep-DIIV“ als Titel gekommen?), in dem sie ohnehin viel Wissenswertes um die Musik herum mitteilt. Beispielsweise, dass einige Sounds des Songs mit einem Kasettenrekorder in der Wüste aufgenommen wurden. Ob das aber nun Froschlaute oder Vogelstimmen waren, da ist man sich Band-intern uneinig. Es klingt aber eher nach Vogelgezwitscher als nach Froschgequake.
Vom Podcast zur Website
Der Podcast ist nicht das einzige Begleitmaterial zu „Frog in Boiling Water“. Zur Vorabsingle „Soul-net“ hat die Band eine Website angelegt, die beim Ansteuern wirkt, als befinde man sich mitten in den tiefsten Gehirnwindungen eines Verschwörungsideologen, der zugleich auch noch Online-Marketing betreibt: kein schöner Ort. Und genau diese Themen behandelt der Songtext auch. Die Omnipräsenz von Werbung im Alltag und Verschwörungsmythen als Ersatzreligion.
Wunderbar verkopft ist die Musik von DIIV und trotzdem entlässt sie die Hörerin beschwingt aus der Realität, obwohl es selbige zum Thema macht. Womöglich ist es das konsequenteste und demokratischste Album der 2011 gegründete Band bis dato. An nahezu keiner Stelle überlagert ein Instrument das andere und auch der Gesang von Zachary Cole Smith ist darauf angelegt, sich in diese Entität zu integrieren.
DIIV können zwar den Herd mit dem Topf voll kochendem Wasser nicht ausstellen, bauen dem Frosch, der darin sitzt, aber einen kleinen Hochsitz, auf dem er die Geschehnisse beobachten und in Ruhe „Frog in Boiling Water“ hören kann. Die Amphibien werden es ihnen danken.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!