Neues Album von Pink: Gibt es im Himmel eine Bar?
US-Sängerin Pink bringt ihr neues Album „Trustfall“ heraus. Das ist mit Powerpop und Balladen recht wechselhaft, vielleicht auch einfach erwachsen.
Ob Beyoncé mit dem musikalischen Rückgriff auf ihrem Album „Renaissance“, oder Kylie Minogue mit „Disco“: Der Mainstream tanzt! Nun ist auch US-Künstlerin Pink auf den Dancefloor-Zug aufgesprungen – allerdings nicht über die gesamte Distanz ihres neuen Albums „Trustfall“ hinweg, sondern lediglich in einigen Songs.
Da wäre zum Beispiel der pluckernde Titelsong, der mit einer rasiermesserscharfen elektronischen Kickdrum einsetzt. Wenn die 43-Jährige, die eigentlich Alecia Beth Moore heißt, dazu singt: „What if we just fall / I’m not going without you / And you’re not going alone“, überträgt sie den Vertrauensfall, der häufig am Ende eines Coachings steht, auf eine Beziehung.
„Never Gonna Not Dance Again“ lädt sogar im Songtext selbst zum Tanze: „I want my life to be a Whitney-Houston-Song (I wanna dance)“ singt Pink da, eingerahmt von klassischen Disco-Beats und schmatzenden Funkbässen. Manchmal sieht selbst die nach außen ziemlich tough wirkende Pink, die an der US-Ostküste in Pennsylvania geboren wurde, nur noch einen Ausweg: Eskapismus. Verständlich, da Pink in den vergangenen Jahren einiges durchzustehen hatte.
Die Sängerin verlor zwei Menschen, die ihr nahe waren. Ihr Vater Joe Moore erlag 2021 dem Krebs, auch die Nanny ihrer beiden Kinder überlebte ihre Krebserkrankung nicht. Ihnen hat Pink den Auftaktsong gewidmet. In der Ballade „When I Get There“ fragt sie sich, ob das Leben nach dem Tod wohl weitergeht: „Is there a bar up there / Where you’ve got a favourite chair / Where you sit with friends / And talk about the weather“.
Pink: „Trustfall“ (RCA/Sony Music)
Im dezent groovenden „Feel Something“ erstellt die US-Künstlerin gar ein Psychogramm. In dem Songtext bekennt sie, dass liebende Personen sich auch im Weg stehen können. Einfach, weil sie noch nicht bereit sind, sich selbst zu lieben und die Liebe zu anderen Menschen mit weit geöffneten Armen anzunehmen. Trotzdem hört man Pink beim Singen von solchen emotionalen Tieftauchgängen gern zu. Auch „Just Say I’m Sorry“, ein gefühlvolles Duett mit dem Countrystar Chris Stapleton, ist Breitwandkino.
Pulsierende Synthesizer
Weitere Gäste sind die US-Folk-Rocker The Lumineers im sphärischen „Long Way to Go“ und das schwedische Folk-Duo First Aid Kit im akustisch gehaltenen „Kids in Love“.
Völlig anders, nämlich als Powerpop-Hynme, kommt „Hate Me“ daher. Wenn Pink imaginären Feinden mit ihrer kraftvollen Stimme entgegenschleudert: „So hate me, hate me / I’m the villain you made me, made me“, fegt draußen vor dem Fenster ein Sturm. „Runaway“ schlägt mit pulsierenden Synthesizern in die gleiche Kerbe, schnodderig haut Pink die Zeile „Being good never felt quite right“ raus.
So bringt sie mit brachialen Klängen ihre Vorstellungswelt zum Einstürzen, bis sich die Vortragende in der Pianoballade „Lost Cause“, dann wieder auf eine sensible Seite besinnt und darum bittet, man möge sie nicht als hoffnungslosen Fall abstempeln.
In der Midtempo-Nummer „Turbulence“ bleibt Platz für Mehrdeutigkeit. Mit „You and I / Happy ending and tragedy combine“ scheint Pink auf ihre turbulente Ehe mit dem Motocross-Sportler Carey Heart anzuspielen, Passagen wie „The panic is temporary / But I’ll be permanent“, könnten aber genauso gut auf eine Panikattacke hinweisen. Will man das überhaupt wissen?
Geschickt lotst Pink ihre Hörer:innen über eine musikalische Achterbahnfahrt. Bei ihr verstecken sich hinter einer hübschen Fassade zuweilen herzergreifende Geschichten. Obgleich die Musikerin diesmal auf Songs mit politischen Botschaften, wie „Dear Mr. President“ und „Irrelevant“, verzichtet, trifft ihr Album durchaus einen Nerv.
Gewiss war sie nicht die Einzige, die während der Coronapandemie auf sich selbst zurückgeworfen wurde und deshalb mal ein bisschen intensiver in sich hineingehorcht hat. Mit ihren neuen Stücken definiert Pink erwachsenen Pop. Damit holt sie Fans auf der ganzen Welt an Bord.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!