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Neues Album von Kai DegenhardtAltbacken, aber schön

Ein bisschen aus der Zeit gefallen, aber irgendwie okay: Der Liedermacher Kai Degenhardt hat ein neues Album, „Auf anderen Routen“, veröffentlicht.

Das neue Album des ausgewiesenen Antifaschisten ist nicht wirklich aufrüttelnd Foto: Jefferson Santos/Unsplash

„Natürlich mache ich politische Lieder – was auch sonst.“ Das sagt Kai Degenhardt, der seine Musik selbst zum „Singer-Songwriter-Genre, das hierzulande unter ‚Liedermacherei‘ läuft“, zählt. Damit übernimmt er die Rolle seines sehr berühmten Vaters, des Sängers und Autors Franz Josef Degenhardt. Dieser verstarb im Alter von 80 Jahren 2011.

Sein 1964 geborener Sohn hat den linken Star rund zwanzig Jahre auf seinen Tourneen begleitet und auf den letzten Alben des Vaters auch für einen neuen Sound gesorgt – es gab nun schnelle Beats und unkonventionelle Arrangements, zudem steht außer Zweifel, dass der Sprössling ein weitaus besserer Gitarrist ist als sein Vater.

Sah man die beiden live, so zog sich Kai ganz hinter Franz Josef zurück, der Ältere sang und dozierte, machte lächelnd sein unverwechselbares „Deidadadeideidei“, während der Sohn die Band gab.

Auf anderen Routen

Kai Degenhardt ist Multiinstrumentalist, spielt Gitarre, Bass, Klavier und steuert computergenerierte Sounds zu. Nun hat er sein sechstes Album veröffentlicht, „Auf anderen Routen“ heißt es, und Kai Degenhardt hat die Aufnahmen mit einer Band eingespielt. Das hat seinem Sound gutgetan, es macht ihn satter – wiewohl das nicht heißen soll, dass Degenhardt nicht auch allein gut produziert. Kai Degenhardts Stimme ähnelt nun durchaus der seines alten Herrn, allerdings singt er nicht so spitz – und singt sowieso nicht wirklich, zumeist erzählt er eher kleine Geschichten zur Musikbegleitung.

„Güterzüge rattern, quietschend / Kommt die letzte Straßenbahn zum Stehen / Hermann knipst das Licht aus, denkt / Verdammt, das muss doch auch noch anders gehen / Und weiß es längst: / Denn ohne Streik wird gar nichts gehen“. Das sind die letzten Verse des Songs „Nachtlied vom Streik“. Degenhardt bedient die klassischen Bilder des politischen Liedes, „Den Gewehrlauf im Genick / Wurde ich wortlos überstellt“ („Die Überfahrt“). Der ausgewiesene Antifaschist singt über das nukleare Desaster, Völkerrecht, Joblosigkeit, über korrupte Finanziers und kleine Kellner. Er singt genauso von verlorenen Lieben, von Bachbirken und Mauerseglern.

Das Album

Kai Degenhardt: „Auf anderen Routen“ (Plattenbau/Broken Silence)

Es wird geraubt und gedemütigt, man ist allein und ratlos, doch es gibt Hoffnung: „Da war Dein Lachen / Und es wurde Gesang.“ Oder: „Wenn ich zurück bin, sagt sie, / braten wir Äpfel im Kamin.“ Nichts gegen Bratäpfel. Aber braucht es das noch? Wen will Kai Degenhardt aufrütteln? Sicher, seine Songs sind altbacken, genauso sicher sind sie aber auch recht schön. Die Texte sind manchmal etwas verquer, doch auch nicht zu metaphernlastig, und das lyrische Werk der allseits beliebten Punkband Feine Sahne Fischfilet glänzt ja, für sich allein genommen, auch nicht gerade.

Kann man machen

Nein, niemanden wird Kai Degenhardt mit diesem Album aufrütteln, er bestätigt, was seine Hörerinnen und Hörer wissen, manchmal ganz melancholisch, ganz hoffnungslos: „Es ist ja auch schon viel zu spät, um umzudrehen / Wenn alles auseinanderfällt, bleibt vieles, bloß die Zeit nicht stehen.“ („Die endlos lange Straße“).

Degenhardts Musik ist ein bisschen aus der Zeit gefallen. Und alle Versuche, sie noch an die Gegenwart zu koppeln, mithilfe der Politik, verfangen nicht wirklich. Klischees blitzen auf und auch ein bisschen von der klassischen linken Selbstgerechtigkeit – das lyrische Ich der Songs hat die Welt verstanden, nur der Rest halt noch nicht, schade. Allerdings: Altbacken ist Rock ’n’ Roll nun auch schon seit 30 Jahren, Punk ist unangenehm untot, und wer seine Existenzberechtigung einzig und allein aus der Körperpolitik des House zieht, sollte das bitte auch hinterfragen.

Wie gesagt, „Auf anderen Routen“ ist ein schönes Album geworden, ein leises Ding, und selbstverständlich ist das Werk zur „CD des Monats der Liederbestenliste“ gewählt worden. Ja, kann man machen.

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4 Kommentare

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  • Ja wat denn nu*¿*

    “…n bisschen aus der Zeit gefallen, aber irgendwie okay:



    oder



    “Altbacken, aber schön“

    alt·ba·cken



    /ˈaltbakn̩,áltbacken/



    Adjektiv



    1.



    (von Backwaren) nicht [mehr] frisch; trocken, hart



    "altbackenes Brot"



    2.



    ABWERTEND



    altmodisch, überholt, veraltet



    "altbackene Ansichten"

    unterm——z.B. —-;)



    “[ ]ist ein Programm, das wie aus der Zeit gefallen scheint, so archetypisch-universell [...] einfacher Holzstuhl, auf dessen Gestell eine ergonomisch geformte Sitzfläche ruht, und der über eine bequeme Lehne verfügt. The result is a program that seems to have fallen out of time with its archetypal-universal



    thonet.de



    & einfach mal reinhören



    m.youtube.com/watc...5hgH-Ud_UacbEJiwMI

    Liggers. “Kann man machen“



    & Däh!



    Aber dann noch son Flacheisensatz - Booey:



    “…zudem steht außer Zweifel, dass der Sprössling ein weitaus besserer Gitarrist ist als sein Vater.…“



    Ach ja & *¿* & at das je jemand angezweifelt?



    Peinlich. Dege - Väterchen Franz - konnte nicht nur Gitarre&Singen - kerr.



    “Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Freiburg 1952–1956 und Ablegen des ersten juristischen Staatsexamens 1956 sowie des zweiten juristischen Staatsexamens 1960 arbeitete er ab 1961 für das Institut für Europäisches Recht der Universität des Saarlandes. Er promovierte 1966 mit einer Studie über Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. 1968 verteidigte Degenhardt als Rechtsanwalt in mehreren Prozessen Sozialdemokraten oder Kommunisten, die wegen Aktionen der APO angeklagt waren. 1972/73 verteidigte er Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe.[2]

    1961 trat Degenhardt der SPD bei, wurde jedoch 1971 ausgeschlossen, weil er in Wollnich.Schleswig-Holstein zur Wahl der DKP aufgerufen hatte. 1978 trat er in die DKP ein.…“

    kurz - Sach mal so - Gütersloh un letzter Cowboy - is ja nich soo wiid wech van Schwelm. Wollnichwoll.



    Aber *1970 - beeten jung - Jung - Wollnich?!



    Liggers.

    • @Lowandorder:

      btw & anders sprachlich gewendet -

      “Aus der Zeit gefallen…“ beginnen die liner notes der letzten CD auch.

      Bei - “altbacken“ - hätt ich gefragt -



      “Noch alle Latten am Zaun*?* - 'nen



      Nassen Hut mit alter Krempe auf*!*“

      Sojet halt …servíce.;)

      • @Lowandorder:

        Hippes politisches Liedgut muss Feine Sahne sein. Aber auch die schlagen wie Campino eines Tages auf CDU Jubelfeiern als Stimmungsmacher ein. Was einem Degenhardt erspart bleiben wird. Das ist der Unterschied.

        • @Rolf B.:

          Yes - my friend.

          Aber seien wir der Jugend weiter gnädig gewogen. Newahr. Normal.



          &



          Als Dege im Audimax Uni Mbg/L.



          “Spiel nicht mit den Schmuddelkindern



          …“ anstimmte & im Beifall abbrach:



          “Zwischentöne das ist Krampf im Klassenkampf“… anstimmte.



          Sagte hinterher jemand vor mir “das ist nicht mehr mein Dege!“ “Naja - Musiker sind halt nicht dein Privatbesitz - gelle!“ - fügte ich an.



          & ps



          Zugegeben - Dr.Dr.mult. Schwendtner - mit sei Drömmelche - ging mir schonn schwer auffe Eier. Das ja.



          &



          (1000 Jahre Tote Hosen - paschd scho;)(