Deutscher Liedermacher: Franz Josef Degenhardt ist tot
Sein Lied von den "Schmuddelkindern" prägte den Zeitgeist der Protestkultur in den 60er und 70er Jahren. Der Liedermacher Franz Josef Degenhardt ist im Alter von 79 Jahren gestorben.
QUICKBORN dpa/dapd | Der Liedermacher und Schriftsteller Franz Josef Degenhardt ist am Montag kurz vor seinem 80. Geburtstag gestorben. Sein Vater sei friedlich am Wohnort der Familie in Quickborn bei Hamburg eingeschlafen, sagte sein Sohn Kai Degenhardt. Degenhardt war mit gesellschaftskritischen Werken bekannt geworden.
Mit seinen zeit- und sozialkritischen Liedern prägte Degenhardt die Protestkultur der späten 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Sein größter Erfolg war das Lied "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", in dem er 1965 die bürgerliche Selbstgefälligkeit und Borniertheit verspottete.
Degenhardt etablierte sich in der Folge zu einem der bekanntesten Liedermacher der linken Bewegung in der alten Bundesrepublik. Seine kraftvollen Lieder trug er mit widerborstiger Stimme im Parlando-Stil vor, begleitete sich dazu auf der Gitarre. Zu Degenhardts Vorbildern zählten François Villon, Georges Brassens, Kurt Tucholsky und Bertolt Brecht.
Der Künstler legte rund 30 Alben und mehrere Textbücher vor. Außerdem verfasste er sieben Romane, darunter die 1975 erschienenen "Brandstellen".
Die Liste seiner Spitznamen ist beträchtlich: Singender Anwalt, schreibender Barde, dienstältester Liedermacher Deutschlands, poetisches Megafon der Linken und Väterchen Franz wurde Degenhardt zeitlebens genannt.
Von der SPD zur DKP
Am Rand des Ruhrgebiets, in Schwelm, am 3. Dezember 1931 geboren, wuchs Degenhardt in einer katholischen Familie auf. Sein Vetter war der konservative Kardinal Johannes Joachim Degenhardt (1926-2002), Erzbischof von Paderborn. Franz Josef studierte von 1952 bis 1956 Jura in Freiburg und Köln und begann eine Universitätskarriere. 1969 ging er als Anwalt nach Hamburg, verteidigte bei APO-Prozessen Sozialdemokraten und Kommunisten.
Als Folge des "Unvereinbarkeitsbeschlusses" 1971 nach zehn Mitgliedsjahren aus der SPD ausgeschlossen, trat Degenhardt 1978 der DKP bei. Noch bis 2004 füllte Degenhardt, unterstützt von seinem Sohn Kai an der Gitarre, die Konzertsäle mit inzwischen meist älteren Fans.
Der Berliner Verlag Kulturmaschinen veröffentlicht bis 2013 eine Werkausgabe Franz Josef Degenhardts, in diesem Herbst erscheinen "Zündschnüre" und "Brandstellen". In einer Mitteilung des Verlags am Montagabend hieß es: "Wir trauern mit seiner Familie und seinen vielen Freunden um ihn."
Politik gehöre für ihn in die Kunst, hatte der Liedermacher in einem seiner seltenen Interviews kurz vor seinem 75. Geburtstag gesagt: "Es ist ja kein Singen, kein Lesen, kein Malen außerhalb historischer Horizonte möglich. Es ist immer öffentlich, gesellschaftsbezogen und damit auch politisch." Er sei immer ein Gegner von Erklärungen gewesen, betonte Degenhardt damals. "Ich muss nicht erzählen, was der Dichter eigentlich gemeint hat. Wenn man richtig hinhört, erfährt man schon, was ich sagen will."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!