Neues Album von Käptn Peng: Unruhestifter mit Wobwobwob
Es klackert, schnarrt und piept: Das neue Album des Berliner Kollektivs um Käptn Peng ist nicht mit Mainstream-HipHop vergleichbar.
Arme lockern, winken wie eine japanische Glückskatze und sich getreu dem Motto „Ich denke nicht, ich tanze“ dem Beat hingeben: Wenn die Berliner Künstler Käptn Peng und Die Tentakel von Delphi im Song „Neue Freunde“ rappen „Ihr seid Türen und wir sind Zäune/doch wir sind ab heute eure neuen besten Freunde“, dann will man das laut skandieren. Die Band steht für einen sprachlich und musikalisch versierten Umgang mit den Wurzeln des HipHop und veröffentlicht nun mit „Das nullte Kapitel“ ihr zweites Album.
Wie Käptn Peng und seine Band klingt? Schrill, skurril, schnell. Beim ausverkauften Berliner Konzert vergangene Woche war das Publikum am Ende verschwitzt und euphorisiert: Hier kann jemand wirklich rappen! Das Gesicht des Käptn Peng kennt man dabei aus dem Fernsehen. Denn wenn er keine absurden Reime ersinnt, ist Robert Gwisdek Schauspieler und Autor.
Intensive blaue Augen, Strubbelhaare, leicht irrer Blick, so war er erst kürzlich im „Tatort“ zu sehen. Und sein Buchdebüt „Der unsichtbare Apfel“ erschien 2014. Seiner Karriere als Rapper steht das nicht im Wege, eher im Gegenteil: Glaubt man den abgedrehten Reimen des 33-Jährigen, vereint er ohnehin noch weitere Persönlichkeiten in seiner Künstler-Persona.
Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Johannes, bekannt unter dem Künstlernamen Shaban, veröffentlicht er seit 2012 auf dem eigenen Label Kreismusik vor allem deutschsprachigen Rap. Ihr eigenes Album als Duo, „Die Zähmung der Hydra“, war damals das erste Release der Plattenfirma. Seit 2013 haben die beiden Brüder – Söhne der SchauspielerInnen Michael Gwisdek und Corinna Harfouch – das Duo zum Quintett anwachsen lassen. Gemeinsam mit Bassist Boris Nielsen, Gitarrist Moritz Bossmann und Perkussionist Peter Bartz nennen sie sich seither Käptn Peng und Die Tentakel von Delphi.
Trash-Punk-Rap-Shit mit Fahrradklingel
Schon ihr Debütalbum „Expedition ins O“ (2013) hatte diesen eigenwilligen Sound, den Gwisdek selbst als „Trash-Punk-Rap-Shit“ charakterisiert. Als Instrumente dienten ihnen dabei gern auch mal Bürsten, Töpfe, Fahrradklingeln oder Betonkübel. Einer ihrer ersten Hits war „Der Anfang ist nah“, der aufgrund des ausgefallenen Textes gut ankam – und auch das humorvolle, filmisch abwechslungsreiche Musikvideo klickte sich wie wild. Bis heute sahen es 2,8 Millionen Menschen bei YouTube.
Prall gefüllt mit dieser übersprudelnden Kreativität ist auch das neue Album, vielleicht ist „Das nullte Kapitel“ sogar noch vielfältiger, selbstsicherer und abgedrehter. Textprobe: „Ich erwachte in einem Spiegelkabinett / Meine Haut war mit rasierten Igeln bedeckt (What?) / Sie fielen ab und griffen meine Reflexion an / Mir fehlten alle Zähne und ich hatte keine Hosen an“. Das wird zuvor mit dem Satz „Nach einer wahren Begebenheit“ angekündigt.
Käptn Peng und Die Tentakel von Delphi: „Das nullte Kapitel“ (Kreismusik/Soulfood).
Gut anzuhören sind auch die romantisch-anmutenden Töne, etwa der Song „Tango im Treibsand“, eine gekrächzte, abermals kuriose Liebesballade. Statt die Logik der Texte zu hinterfragen, die Beateffekte zu analysieren, kann man sich an den skurrilen Bildern und dadaistischen Wortspielen laben. Denn die Tracks stiften angenehme Unruhe im Kopf, verwirren und entlocken immer wieder Schmunzler. Aber man muss diesen Zustand ja auch nur auf Albumlänge durchleben – Käptn Peng dagegen muss seinen Gedankenstrom immer ertragen. Rappen, so sagt er, helfe gegen das „Gewitter im Kopf“.
Verstörend, beschwingend, eigenwillig, abwechslungsreich
Bereits die Titel der 15 Songs des neuen Albums, etwa „Wobwobwob“ oder „Backpfeifenernte auf dem Alphabeet“ verraten den Hang zum Absurden, wozu etwa das Rappen über die Zahl Pi zählt. Trotz der deutschen Texte will die Assoziation „Deutschrap“ nicht aufkommen, denn was die Tentakel sprachlich wie auch musikalisch anstellen, lässt sich schwer vergleichen mit dem hiesigen Mainstream.
Explizite, literarisch ansprechende Gesellschaftskritik wird etwa in dem Song „Gelernt“ geübt. Das Thema: Die Selbstwahrnehmung junger Frauen und wie sie ihnen eingetrichtert wird. Die Texte Gwisdeks sind literarisch anspruchsvoll, im Gegensatz zum meist authentizitätsfixierten Mainstream-Rap.
So klingen die Tracks gleichermaßen verstörend, beschwingend, eigenwillig und abwechslungsreich in den Beats und im Gesamtsound. Da klackert, schnarrt oder piept es, da weckt die Musik schon mal die Assoziation einer aufgezogenen Spieluhr. Aber klar, Käptn Peng und Die Tentakel von Delphi haben ja auch schön viel Wobwobwob. Was auch immer das sein mag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!