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Neues Album der Musikerin Soap & SkinAnverwandeln und zerdehnen

Die Musikerin Soap & Skin covert Songs von Sufjan Stevens, Shirley Bassey, David Bowie und The Doors. Was macht das neue Album „Torso“ so besonders?

Es ist etwas tröstend Artifizielles an diesen Liedern: Soap & Skin Foto: Katarina Soskic

Mit den Liedern und Texten der Wienerin Anja Plaschg fahren alle, Sängerin und Hörer:in, immer straight nach unten. Unter dem Namen Soap & Skin hat die 34-jährige Österreicherin in ihrem Sound eine große Ästhetik der Depression kultiviert. Darin hat sie in vielen Aspekten Überschneidungen mit anderen Pathosmusiken, unterscheidet sich von einigen aber fundamental: So fällt das Weise und Priesterhafte von Nick Cave bei Plaschg weg, das latent Larmoyante, das vielen Indie-Melancholikern eigen ist, ebenfalls.

Was genau beim neuen Werk „Torso“ anders klingt, lässt sich trotzdem nicht ohne Weiteres bestimmen. Es könnte aber damit zu tun haben, dass Anja Plaschg das Performative in ihrer Musik und ihrem Gesang immer hervorkehrt und nach vorne bringt. Ihr Signaturinstrument, das Klavier, klingt rabenschwarz und schwer, Streicherarrangements dröhnen, wenn nötig, und die Songtexte gehen immer ans Eingemachte.

Trotzdem geht alles das bei Soap & Skin immer mit dem eigentlich behaglichen Gefühl einher, einer Aufführung von etwas beizuwohnen. Auch wenn es wehtut. Zum Beispiel in dem Song „Vater“, zu hören auf dem Soap-&-Skin-Album „Narrow“ von 2012. „Wo immer ich aufschlage, find ich dich / Du fällst im Schatten der Tage als Stille und Stich“, singt Plaschg da. „Ich trink auf dich dutzende Flaschen Wein / Und will doch viel lieber eine Made sein“.

Nichts an dieser Musik und diesen Texten ist ironisch oder anderweitig abgefedert. Und doch wird man nicht von der Anmaßung eines echt sein wollenden Ausdrucks belastet, der als glaubwürdig und damit auch als wahrhaftig verstanden werden will. Der an die literarische Tradition Österreichs anschließende Gestus von Plaschgs Selbsthass und Selbstzerfleischung erzeugt Intensität.

Und doch singt die Künstlerin wie eine Schauspielerin, ihre Musik ist hörbar Kunstmusik und kommt eher aus einem Theaterkosmos und nicht etwa aus dem Blues. Es ist etwas tröstend Artifizielles an diesen Liedern, die deswegen aber, und das ist das eigentlich Paradoxe am bisherigen Werk, nichts von ihrer doch immensen Affektaufladung einbüßen.

Aneignung von Material

Eins zu eins im Sinne der Method-Acting-Tradition agiert Anja Plaschg interessanterweise eher dann, wenn sie als Schauspielerin in Erscheinung tritt, zuletzt als suizidale Bäuerin im Spielfilm „Des Teufels Bad“. In weitere Anspannung gerät die Diskrepanz zwischen Artifiziellem und Glaubwürdigem, wenn sie sich das Material anderer Künstlerinnen und Künstler aneignet.

Auf dem neuen Soap-&-Skin-Album „Torso“ sind ausschließlich Coverversionen zu hören. Die Plaschg singt unter anderem Songs von Velvet Underground, Shirley Bassey und The Doors („The End“ – was sonst?), aber auch neuere Lieder, zum Beispiel einen von David Bowies „Blackstar“-Album, einen Track von US-Indie-Singer-Songwriter Sufjan Stevens und einen Hit vom kalifornischen Superstar Lana Dey Rey.

Das Originalmaterial wird auf verschiedene Weisen verwandelt, ohne dass es gegen den Strich gebürstet würde. Das Klavier ersetzt die Gitarre, alles ist ein paar Lagen tiefer gestimmt und klingt stets nach einem Stück von Soap & Skin: das kann Filmmusik von Hans Zimmer genau so betreffen wie ein Stück der 4 Non Blondes.

Das Album

Soap & Skin: „Torso“ (Play It Again Sam/Rough Trade)

Fast immer aber wirken die Songs nun reicher, und wenn es nicht so anmaßend wäre, könnte man man meinen, der Titel „Torso“ bezieht sich hier auf die Originale, die sozusagen den Rumpf für die ganzen Körper der Cover-Versionen abgeben. Die Metapher haut spätestens bei Velvet Underground natürlich nicht hin, „Pale Blue Eyes“ ist schon im Original ein perfekter Song. Also geht es Plaschg darum, mit der Coverversion keinen Quatsch zu fabrizieren. Als Soap & Skin macht sie ein verlangsamtes Stück Dronefolk daraus – auch schön.

Bowies Kiekser in der Stimme

Überhaupt ist Verlangsamung ein Merkmal, das fast die gesamte Songauswahl auf „Torso“ durchzieht. Sufjan Stevens’ „Mystery of Love“, im Original äußerst melancholisch gestimmt, aber doch auch zärtlich-heiter, wird in der Bearbeitung von Anja Plaschg, die das Stück am Klavier begleitet und nicht mit der Gitarre, zu einem durchweg traurigen Liebeslied. Shirley Basseys „Born to Lose“ wird auf knapp sechs Minuten zerdehnt und wirkt damit hoffnungslos. „Girl Loves Me“ vom „Blackstar“-Album ist ein sehr genaues Reenactment des Bowie-Stücks, in dem Anja Plaschg dessen Kiekser in der Stimme exakt nachahmt.

Die drei genannten Versionen sind hörbar Hommagen. Andere Verwandlungen gehen sogar noch weiter. Die Interpretation von „Voyage Voyage“ von Kate Ryan lässt eine Disco-Nummer zum Klagelied werden, das aber so klingt, als sei dies im Original immer verborgen gewesen. „What’s Up?“ von 4 Non Blondes klingt nun nicht mehr trotzig, sondern tiefempfunden ratlos.

Anja Plaschg spielt die Stücke also nicht, wie eine Schauspielerin des Originals, nach (was auch, siehe zuletzt Cat Powers Bob-Dylan-Reenenactment „Cat Power Sings Dylan“, sehr interessante Verschiebungen ergeben kann).

Auf „Torso“ werden die Ausgangsstücke wie Partituren behandelt, die von einem Orchester gespielt werden. Es besteht im Wesentlichen aus der Solistin Soap & Skin, die zugleich Musikerin, Dirigentin und Sängerin ist und sie zu einem neuen ­Leben erweckt.

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