Neuer Trend im Justizvollzug: Rot-Grün schleift Knäste
Die Landesregierung hat entschieden: In Niedersachsen sollen rund 600 Haftplätze wegfallen und zwei Gefängnisse geschlossen werden.
HANNOVER taz | Wegfall wegen Unterbelegung: Rund 600 Haftplätze im geschlossenen Vollzug will die niedersächsische Landesregierung bis zum Jahr 2017 abbauen. Zum Teil solle das durch Umbauten geschehen, es würden aber auch ganze Gefängnisse geschlossen, teilte Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) am Dienstag in Hannover mit.
Nach wochenlangen Spekulationen äußerte sie sich erstmals selbst zur sogenannten „Neuordnung der Justizvollzugslandkarte“, die am Dienstag das rot-grüne Kabinett beschloss. Bis Ende 2014 soll zunächst das Gefängnis Salinenmoor bei Celle, Ende 2016 das Gefängnis in Braunschweig dichtgemacht werden.
In Aurich werden nur noch Untersuchungshäftlinge untergebracht, keine Sträflinge mehr. 355 Haftplätze wolle man durch Schließungen einsparen, so Niewisch-Lennartz. Ausgewählt worden seien die Standorte vor allem nach der Höhe ihres Sanierungsbedarfs: Den sieht sie für Salinenmoor bei 8,5 Millionen Euro, in Braunschweig liege er bei 5,5 Millionen.
6.600 Haftplätze hat Niedersachsen insgesamt, 5.400 davon im geschlossenen Vollzug. Und vor allem hier bleiben Zellen leer: Derzeit gibt es nur 1.000 Gefangene. Die Häftlingszahlen sinken in Niedersachsen seit 2004 – damit liegt das Land im bundesweiten Trend. Mit einem Anstieg rechnet Niewisch-Lennartz nicht.
Weitere Standorte werden laut Niewisch-Lennartz nicht geschlossen: Rund 250 Plätze will man im Zuge von Umbaumaßnahmen und Modernisierungen loswerden. Das soll 45 Millionen Euro einsparen. „Frei werdende Ressourcen“, wie es die Ministerin formuliert, wolle man für die „Erneuerung des Justizvollzugs“ einsetzen.
Übernommen habe sie die Gefängnislandschaft 2013 von den schwarz-gelben Vorgängern mit „erheblichen Leerständen einerseits und erheblichen personellen Engpässen an anderer Stelle“. Die 220 Bediensteten aus Salinenmoor und Braunschweig sollen in Zukunft dort eingesetzt werden, „wo bisher Personal fehlt“, sagte Niewisch-Lennartz. Verbessern will sie zudem die psychiatrische Versorgung von Häftlingen, Gewalt unter Gefangenen bekämpfen und die Häftlinge besser auf ihre Entlassung vorbereiten.
Vor „Fehlentwicklungen“ und einem „vorschnellen Abbau von Haftplätzen“ warnt der Landesverband der Strafvollzugsbediensteten: Im Gegensatz zur Ministerin rechnet er nicht mit einem anhaltenden Sinken der Gefangenenzahlen. „Keiner kann mir heute erzählen, wie sich die Zahlen entwickeln“, sagte der niedersächsische Verbandsvorsitzende Uwe Oelkers am Dienstag im Anschluss an die Verkündung der Ministerin.
Um flexibel auf Entwicklungen reagieren zu könnten, sollten keine ganzen Gefängnisstandorte aufgegeben werden, folgert Oelkers, sondern nur einzelne Trakte geschlossen.
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