Neuer Sprecher im US-Repräsentantenhaus: Trumployalist gewählt
Wochenlang hatte das US-Repräsentantenhaus keinen Sprecher. Jetzt übernimmt Mike Johnson. Er unterstützt Trump und leugnet Bidens Wahlsieg.
“Wir wollen unsere Verbündeten in aller Welt wissen lassen, dass diese legislative Kammer wieder bereit ist, ihre Arbeit aufzunehmen“, sagte Johnson kurz nach seinem Wahlerfolg.
Und die Zeit drängt. Mit zwei Kriegen und einem drohenden Regierungs-Shutdown hat der US-Kongress in den kommenden Wochen alle Hände voll zu tun. Johnson gewann die Wahl zum Sprecher mit 220 Stimmen, nicht ein einziger Republikaner stimmte gegen ihn. Die Demokraten wählten wie gewohnt ihren eigenen Parteivorsitzenden Hakeem Jeffries, der am Ende auf 209 Stimmen kam, elf Stimmen weniger, als Johnson erhielt.
Johnson, der seit 2016 ein Abgeordnetenmandat innehat, ist für viele Außenstehende ein Unbekannter. Er gehört zwar zum Führungsteam der Republikaner, doch außer seiner Rolle als einer von Trumps Verteidigern im ersten von zwei Amtsenthebungsverfahren im Jahr 2020 sowie seinem Versuch, den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen von Demokrat Joe Biden anzufechten, hat Johnson bislang kaum auf sich aufmerksam gemacht.
Konservativ, religiös, Trump-loyal
Er gilt als sozialkonservativ und äußerst religiös. Er hat wenige Feinde innerhalb der Partei und einen sehr wichtigen Unterstützer – Ex-Präsident Donald Trump. Johnson war der vierte Kandidat, der von den Republikanern für das Sprecheramt nominiert wurden. Die ersten drei Kandidaten schafften es nicht, die verschiedenen Lager innerhalb der Fraktion hinter sich zu vereinen.
“Ich glaube, er wird ein großartiger Sprecher sein“, sagte Trump am Mittwoch. Gegen den Ex-Präsidenten und aktuellen Favoriten auf die erneute Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner laufen gegenwärtig mehrere Gerichtsverfahren.
Donald Trump
Präsident Biden gratulierte Johnson zu seinem Wahlsieg und erklärte, dass es an der Zeit sei, zügig und verantwortungsvoll zu handeln, um einen Staatshaushalt zu verabschieden und weitere Hilfsleistungen für die Ukraine und Israel zu bewilligen.
“Trotz der Tatsache, dass wir in wichtigen Sachverhalten unterschiedlicher Meinung sind, sollte es unser gemeinsames Anliegen sein, wenn immer möglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden“, sagte Biden in einer Stellungnahme.
Im Schatten des drohenden Shutdowns
Biden bat den Kongress in der vergangenen Woche darum, ein Hilfspaket in Höhe von 105 Milliarden Dollar zu verabschieden. Darin enthalten sind Hilfsleistungen zur Unterstützung der Ukraine und Israels sowie zur Sicherung der US-Südgrenze mit Mexiko.
Hinzu kommt, dass bis spätestens 17. November zwölf individuelle Haushaltsgesetze verabschiedet werden müssen, um die US-Regierung am Lauf zu halten. Sollte es den Abgeordneten im Repräsentantenhaus und Senat nicht gelingen, diese Frist einzuhalten, würde dies zur Schließung von bundesstaatlichen Behörden und zur Aussetzung von Sozialleistungen führen. Außerdem müssten Millionen Angehörige der US-Streitkräfte während eines “Shutdowns“ auf ihr Gehalt verzichten.
Da die Republikaner nur eine geringe Mehrheit im Repräsentantenhaus besitzen und Gesetze bekanntlich auch vom Senat verabschiedet werden müssen, um in Kraft zu treten, wird auch Johnson Kompromisse mit Demokraten eingehen müssen.
Demokraten erklärten, dass sie mit Johnson und Republikanern, wenn möglich, zusammenarbeiten wollen. Gleichzeitig kritisieren sie jedoch Johnsons Standpunkt in sozialen Fragen wie Abtreibungsrecht oder das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe. Auch sein anhaltendes Leugnen von Bidens Wahlsieg stellt für die Demokraten ein Problem dar.
Mit Johnsons Wahl als Sprecher kann der US-Kongress nach Wochen des Stillstands endlich wieder seine Arbeit aufnehmen. Wie leistungsfähig das Repräsentantenhaus unter dessen Führung jedoch sein wird, bleibt abzuwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht