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Neuer Speaker im US-RepräsentantenhausSieg der Verhinderer

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Das US-Parlament ist formal wieder arbeitsfähig, zahlt dafür aber einen hohen Preis: Der neue Parlamentssprecher dürfte einen Kurs ohne Kompromisse fahren.

25.10.2023, Washington: Mike Johnson wird als Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses vereidigt Foto: Alex Brandon

N ach über drei Wochen hat das US-amerikanische Repräsentantenhaus wieder einen Vorsitzenden und ist damit arbeitsfähig. Eigentlich ist das eine gute Nachricht. Kein Speaker, keine Gesetze, kein Haushalt – das konnte kein Zustand mehr sein. Wohl vor allem deshalb ging es jetzt plötzlich schnell, die republikanische Chaoten-Fraktion auf den weitgehend unbekannten evangelikal-konservativen Trump-Unterstützer und Wahlleugner Mike Johnson aus Louisiana einzuschwören.

Im Ergebnis haben allerdings diejenigen Hardliner, die vor drei Wochen den vorherigen Speaker Kevin McCarthy stürzten, ihr Ziel erreicht. Der Vorsitz ist politisch deutlich nach rechts gerückt – und ihre eigene Macht ist gestärkt. Genau wie die von Donald Trump, der zwar seinen Lieblingsrechtsaußen Jim Jordan nicht hatte durchbringen können, am Schluss aber kräftig daran mitwirkte, den deutlich moderateren Tom Emmer zu verhindern und Mike Johnson auf den Thron zu hieven.

Das wiederum dürfte bedeuten, dass es mit der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit des Kongresses dann doch nicht so weit her ist. Denn jene, die den Putsch gegen McCarthy anzettelten und sich nunmehr durchgesetzt haben, sehen die Aufgabe des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses nicht darin, der Biden-Agenda ein paar konservative Tupfer abzutrotzen, sondern in konsequenter und kompromissloser Obstruktion.

Was das heißt, wird schon Mitte November deutlich werden. Dann läuft die Zwischenfinanzierung aus, die Kevin McCarthy Anfang Oktober mit demokratischen Stimmen durchgebracht hatte, um die landesweite Schließung von Bundesbehörden zu verhindern. Genau das hatte ihn zum Abschuss freigegeben – Johnson weiß, was das bedeutet. Jede Kompromissbereitschaft mit den Demokraten kann auch ihn den Kopf kosten.

Für die Unterstützung der Ukraine wird es eng

Konkret wird das bedeuten: Für die weitere finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine wird es eng. Einen verabschiedeten Gesamthaushalt wird es bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr geben – Zwischenfinanzierungen werden sich die Republikaner mit immer neuen Kürzungsforderungen bezahlen lassen.

Johnson wird gleichzeitig versuchen, eine eigene Agenda zu setzen. Das dürfte heißen, dass das noch von McCarthy begonnene Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden wegen mutmaßlicher Verwicklung in womöglich krumme Geschäfte seines Sohnes Hunter unter Johnson Fahrt aufnehmen wird. Als gelernter Anwalt, der als Abgeordneter Donald Trump in dessen Impeachmentverfahren verteidigte, hat er da Expertise. Und im Wahljahr Trump zu helfen, kommt in der Partei gut an.

Außerdem wird Johnson diverse Kulturkampfthemen zur Abstimmung bringen: Vom landesweiten Abtreibungsverbot bis zu Einschränkungen von LGBTQi-Rechten. Die haben zwar alle keine Chance, auch den demokratisch kontrollierten Senat zu passieren, nutzen aber zur rechten Profilierung im Wahlkampf.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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11 Kommentare

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  • So ist das halt in einer Demokratie, die Mehrheiten bestimmen das handeln.

    Ist es bei uns besser? Keiner wollte Von der Leyen, keiner hat sie gewählt und trotzdem ist sie jetzt



    Präsidentin der Europäischen Kommission.

  • Im Hintergrund steht immer Herrn Trumps zerstörerisches Vorgehen. Er will den Rest an US-Demokratie zu seinen Gunsten abschaffen. Angesichts seiner Mafia-Strukturen, in die er seit Jahrzehnten verstrickt ist, hat er auch keine andere Wahl, als Wahlergebnisse und Gerichtsurteile gegen ihn selbst anzuzweifeln.



    Er ist vielleicht auch davon überzeugt. Indes kann es auch sein, dass sein Verhalten nichts anderes ist als ein öffentlichkeitswirksames Schauspiel, auf das die Hälfte der US-Bevölkerung hereinfällt hinter der leeren Versprechung, dass eines Tages die USA wieder die Weltwirtschafts- und militärische Ordnung bestimmen werden.



    Herr Trump gehört für alle seine Gesetzesbrüche angemessen verurteilt und allen öffentlichen Ämtern entzogen.

  • warum haben die Demokraten denn den gemäßigten bisherigen Vorsitzenden mit abgewählt? Hoffen sie, dass sie von der Polarisierung profitieren?

    Das kann gut gehen, weil sie Stimmen in der Mitte gewinnen - aber wenn es schief geht, haben sie geholfen, die Büchse der Pandorra zu öffnen.

    • @Dr. McSchreck:

      Den "gemäßigten bisherigen Vorsitzenden mit abgewählt" hat man, weil der eben keineswegs gemäßigt war. Der hatte erst kurz vorher die Demokraten geärgert - und das völlig unnötig. Um Hilfe hat er auch nicht gebeten. Vielleicht hatte er auch keine Lust mehr.

    • @Dr. McSchreck:

      "haben sie geholfen, die Büchse der Pandorra zu öffnen."

      Die war schon seit Trumps Staatsstreichsversuch so offen, wie sie nur sein kann.

  • Ganz was Neues in der USA, es wird verlogen, schmutzig, und das bis in höchste Kreise. Die Probleme des Landes können warten.

  • Mit Mike Johnson kommt jetzt aber kein Lautsprecher. Er ist eher der Typ braver Familienvater und Gefolgsmann. Es wird also stark von der aktuellen Tagespolitik abhängen, wie es sich entwickelt. Global bauen sich ja die Fronten Israel/USA gegen Palästina/Russland auf. Da Johnson erklärtermaßen pro-Israel ist, kann er schwer gleichzeitig Verständnis für Russland haben. Sollten also arabische Staaten eingreifen, müsste sich Johnson erklären.

  • Ich frage mich immer, wie die Trumpisten in der GOP sich ihre Zukunft vorstellen. Es wird nicht mehr lange dauern, und Trump ist nicht mehr "einsatzfähig", siehe (www.youtube.com/watch?v=6bqvGXGN4DA)



    Sobald das passiert ist, ist die Karriere von Leuten wie Johnson beendet.

    • @Kaboom:

      "Ich frage mich immer, wie die Trumpisten in der GOP sich ihre Zukunft vorstellen."

      Gott wird sie erretten. Nicht alle von denen glauben das, aber doch ein Großteil.

  • Dann hat sich doch unterm Strich gegenüber dem Zustand ohne Sprecher nichts verändert.

    • @insLot:

      Der schlagende Punkt ist, dass es davor einen Sprecher gab, der durchaus kompromissbereit war.



      Nur wurde der mit Hilfe der Demokraten von den Ultrarechten abgesägt. Ich weiß nicht was die Demokraten geritten hat, da mitzuwirken und die Möglichkeit, _irgendwas_ zu bewirken, gegen die jetzige Situation einzutauschen. Was haben die gedacht was jetzt passiert? Alle merken, wie doof Trump, seine Anhänger und die Reps im Allgemeinen sind und bei der Wahl nächstes Jahr werden sie dann überragend gewinnen?



      Das wird jetzt vermutlich spürbare Konsequenzen haben, für alles was irgendwie mit Staatsausgaben zu tun hat also auch so banale Dinge wie Sozialausgaben, Bildung, Gesundheitswesen und die Jobs von den Leuten die dort angestellt sind, von Internationalen Themen wie der Unterstüzung der Ukraine mal ganz abgesehen. Das hat halt wirkliche Auswirkungen auf das Leben von Menschen.



      Wenn die Demokraten das so im Blick hatten, dann sind die nicht weniger egoistisch und moralisch bankrott wie die Reps und das macht mir im Anbetracht der Alternativen wirklich Sorgen.