piwik no script img

Neuer Sozialraumatlas vorgestelltWeniger Kleinkinder sind arm

367.000 unter Dreijährige galten 2011 als arm. Das sind 18,2 Prozent – und weniger als 2010. In Berlin ist jedes dritte Kleinkind betroffen, in München nur jedes Zehnte.

Dieses Kind hat Glück: Es lebt in München und hat ein sehr geringes Armutsrisiko. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Risiko für unter Dreijährige, in Armut aufzuwachsen, ist im vergangenen Jahr erneut gesunken. 2011 galten bundesweit 18,2 Prozent oder 367.000 Kleinkinder als arm. 2010 waren es noch 19,8 Prozent. Das zeigen Daten des neuen Sozialraumatlas der Bertelsmann Stiftung. Für den zählte die Stiftung solche unter Dreijährige als arm, deren Eltern das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhalten.

Die Zahlen schreiben seit 2008 einen Trend fort, den Anette Stein von der Stiftung so erklärt: „Immer mehr Mütter mit Kindern unter drei Jahren gehen arbeiten.“ Auch das gestiegene Kindergeld (bis 2008 für das erste Kind 154 Euro, heute 184 Euro) sowie der 2005 eingeführte Kinderzuschlag für Geringverdiener von maximal 140 Euro hätten die Armut verringert, so Stein.

Abgemildert hat sich auch das Ost-West-Gefälle. Vor allem in Thüringen hat sich die Kleinkinderarmut reduziert. Doch leben immer noch mehr arme Kinder im Osten als im Westen. In den alten Bundesländern betrug die Armutsquote der unter Dreijährigen zuletzt 15,8 Prozent, in den neuen Ländern 25,5 Prozent.

Enorme Schere

Auch ist die Schere, die sich zwischen einzelnen Bundesländern und Großstädten auftut, nach wie vor enorm. In München wächst nur jedes zehnte Kind mit Eltern auf, die Hartz IV bekommen, in Berlin hingegen mehr als jedes dritte Kind. Grundsätzlich gilt: In Großstädten, vor allem im Ruhrgebiet, leben deutlich mehr arme Kinder als in kleineren Städten oder auf dem Land.

„Wir müssen in gute Infrastruktur wie Kitas investieren. Und da zählt nicht nur Masse, sondern auch Qualität“, forderte Stein angesichts der Zahlen. Gerade für Kinder aus armen Familien sei eine intensive und gute Betreuung wichtig, die so früh wie möglich beginne.

Doch längst nicht alle Familien ergattern einen Platz. So finden beispielsweise in Bremen 21,8 Prozent der Familien und in NRW 17,8 Prozent der Familien keinen Kitaplatz, zeigen neue Zahlen des Deutschen Jugendinstituts in München.

Stein forderte auch „eine ungleiche Verteilung der Mittel“. So sollten die Kommunen mehr in Stadtteile investieren, in denen die Kinderarmut hoch sei. Gemeinden mit Haushaltsnotstand dürfte der Bund dabei nicht allein lassen. „Armutsbekämpfung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagte Stein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • H
    Hans

    Ich würde den Titel der Studie nicht unbedingt für bare Münze nehmen. Denn es gibt auch viele Menschen, die vollzeit arbeiten, aber immer noch arm sind. Einige beziehen Hartz-IV dazu, andere nicht. Bei der Darstellung konnte ich nicht erkennen, wie die Bertelsmann-Stiftung gezählt hat. Nach ein paar Jahren mit Wachstum wäre das Ergebnis allerdings auch zu erwarten gewesne, nur die Frage ist, wie es sich mit Kindern verhält, bei denen die Eltern arbeiten, die aber immer noch arm sind.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Ein erneuter staatlicher Schwindel nach unten!

     

    Auf welcher statistischen (Zahlen-) Grundlage erfolgte die Berechnung?

     

    Berücksichtigen wir, dass im Jahr 2003 die Armutsgrenze bei rund 938 Euro lag, so würde sie heute (2012) bei mtl. rund 1.100 Euro liegen!

     

    Hieraus ergibt sich auch die tatsächliche Ableitung für die Berechnung der realen Kinderarmut in Deutschland 2012.

     

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) berichtete bereits zum Armutsbericht (2008) am 19.05.2008 wie folgt: "Die Dimension des Armutsproblems wird umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass die Armutsschwelle trotz der hohen Inflation von 2003 bis heute (von 938 auf 781 Euro) abgesenkt wurde." (DGB, 19.05.2008)

     

    [um so mehr Einkommensarmut in die statistische Zahlenkosmetik einbezogen wird, um so geringer die Bemessungsgrundlage. Natürlich wurde der real zunehmende Reichtum der deutschen Bourgeoisie und Erbschafts-Milliardäre nicht berücksichtigt!]

     

    Trotz alledem, braver deutscher Wahl-Michel, 2013 aufwachen!

  • JK
    Juergen K.

    Ich meine gehört zu haben, dass die Kinder, die vormals unter 3 waren,

     

    jetzt über 3 sind.

  • LD
    Le Durkheim

    Das hat aber lange gedauert. Die staatliche Rassen..ähm Kassen.. ähm Klassenlehre funktioniert, es dauert bloß bisschen länger.

    Die Zahlen belegen das die Vermehrung des Prekariat nicht mehr stattfindet und die der Höherwertigen gestoppt ist. Das Sacrum Romanum Imperium grüßt, die Gefahr des warnenden Politologe Franz Walter und seine "Entbehrliche der Bürgergesellschaft" ist gebannt.

    Oder weswegen wurde die Geburtenrate nicht in den Artikel geschrieben?

    Sie ist seit langem gesunken.

    Wer will denn ohne nachhaltige Lebensplanung in Deutschland Kinder, womöglich in SPD Sippenhaft großziehen?

    Die Twens, Studenten, Auszubildende die momentan preiswerten Wohnraum suchen, werden sich bei den Startschwierigkeiten viermal überlegen ob Kinder in ihre deutsche Lebensplanung passen.

     

    Passend das Bertelsmann indirekt in die Partnervermittlung der niveauvoll, akademischen Grade mit breitbandig, medialer Werbung finanziell eingestiegen ist. Muss die Ausscheideordnungen der Versicherungen angepasst werden? Selbstverständlich, just in Time.

     

    Diametrale Inhalte "Bertelsmann Gütersloh, 01.02.2012 Kinderarmut: Unter Dreijährige besonders stark betroffen – Große Unterschiede zwischen den Bundesländern und Regionen – Ost-West-Gefälle verringert sich."

    Focus 1.9.2012 "Deutschlands Geburtenrate sinkt schon wieder"