Neuer Premierminister von Irland: Schwul und konservativ
In dem erzkonservativen katholischen Land wird ein Homosexueller mit Migrationshintergrund Staatschef. In seiner Partei steht er weit rechts.
Dass Sozialminister Varadkar, der früher Verkehrs- und Gesundheitsminister war, ihn beerben wird, steht fest, sein Vorsprung vor seinem Konkurrenten, dem Wohnungsbauminister Simon Coveney, ist laut Umfragen sehr deutlich. Noch vor den Sommerferien soll Varadkar vom Parlament als Premierminister abgesegnet werden. Der 38-Jährige wäre der jüngste irische Premierminister seit der Staatsgründung 1922 und erst der vierte offen homosexuelle Regierungschef der Welt. Er hatte sich im Januar 2015 an seinem 36. Geburtstag geoutet, damit man ihm vor dem erfolgreichen Referendum über die gleichgeschlechtliche Ehe keine „versteckte Agenda“ unterstellen konnte.
Sein Partner ist Matthew Barrett, ein Arzt an der Uniklinik. Auch Varadkar hat am Dubliner Trinity College Medizin studiert und danach als Arzt am Krankenhaus von Blanchardstown in Dublin gearbeitet. Sein Vater Ashok, ein Hindu aus Mumbai, ist ebenfalls Arzt, er war in den sechziger Jahren nach England ausgewandert, bevor er sich mit seiner irischen Frau Miriam 1973 in Dublin niederließ.
Vor noch nicht allzu langer Zeit wäre es undenkbar gewesen, jemanden wie Varadkar zum Taoiseach, wie der offizielle Titel des Premierministers lautet, zu machen. Homosexualität war bis 1993 strafbar, die katholische Kirche hatte erhebliche politische Macht, doch durch eine Serie von Pädophilieskandalen ist ihr Einfluss geschwunden. Und auch die nächste Schlacht wird sie verlieren: Das Abtreibungsverbot wird spätestens im nächsten Jahr per Referendum aus der Verfassung gestrichen.
Dass er schwul ist, macht Varadkar freilich noch lange nicht zu einem progressiven Politiker. Er gehört in seiner Partei, in die er bereits als Oberschüler eingetreten ist, dem rechten Flügel an. Varadkar ist gewerkschaftsfeindlich, er will die Sozialversicherung umkrempeln, Autobahnen bauen, Dublin eine U-Bahn bescheren, mehr Botschaften im Ausland einrichten und die Steuern für Reiche senken. Er sagt, er werde sich vor allem für die Menschen einsetzen, die „morgens früh aufstehen“. Sich selbst beschreibt er als „Sozial- und Wirtschaftsliberalen“: „Das bedeutet, dass ich bei sozialen Themen links und bei ökonomischen Fragen rechts vom Zentrum stehe.“
Varadkar ist in seiner Partei nicht unumstritten. Die Mehrheit der Mitglieder ist für Coveney, aber die Abgeordneten und Senatoren sind auf Varadkars Seite. Und deren Votum hat mehr Gewicht, nämlich 65 Prozent, während die Stimmen der Basis nur mit 35 Prozent zu Buche schlagen.
Ob es Varadkar gelingen wird, das Image von Politikern in der irischen Öffentlichkeit aufzupolieren, ist zweifelhaft. Nach der Finanzkrise und den Lügen in diesem Zusammenhang hat sich Zynismus breitgemacht, Politiker werden auf der Straße häufig beschimpft. Varadkar wird daran auch nichts ändern können.
Sein ehemaliger Mitarbeiter Darragh O’Brien beschreibt ihn wenig freundlich als „rechthaberisch, jähzornig und dickköpfig“. Er wirft ihm vor, dass er 2015 die Pensionsansprüche für 15.000 Angestellte von Aer Lingus wegverhandelt habe, um die Fluglinie für die Privatisierung fit zu machen. „Er ist eben ein echter Tory“, sagt O’Brien.
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