Neuer Präsident von Albanien: Vom Armeechef zum Staatschef

In Albanien wählen die regierenden Sozialisten Bajram Begaj im Alleingang zum Präsidenten. Das vertieft die politischen Gräben.

Ein Mann in einer Loge

Nach der vierten Abstimmung: Bajram Begaj wird neuer Präsident Albaniens Foto: Gent Onuzi/imago

BERLIN taz | Gescheiterte Wahlgänge, eine Kandidat*innen-Nominierung hinter verschlossenen Türen und ein Boykott der Opposition: Die umstrittene Wahl des Ex-Armeechefs Bajram Begaj zum neuen Präsidenten Albaniens vertieft die politischen Gräben in dem Balkanland weiter.

Enkelejd Alibeaj, Opposition

„Der neue Präsident wird eine Erweiterung von Edi Rama sein“

Am Samstag stimmten 78 von 140 Abgeordnete des Parlaments in Tirana für den 55-Jährigen. Vier Abgeordnete stimmten gegen Begaj und ei­ne*r enthielt sich, wie die Nachrichtenagentur ATA berichtete. In den Tagen zuvor waren bereits drei Wahlgänge gescheitert. Daraufhin hatten die rechtskonservative Oppositionspartei der Demokraten (DS) und die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) die Abstimmung boykottiert.

„Der neue Präsident wird eine Erweiterung von Rama sein“, sagte Enkelejd Alibeaj (DS) vor der Wahl über den Ministerpräsidenten Edi Rama und seine regierende Sozialistische Partei (PS). Doch beim vierten Durchgang wurden ihre Stimmen ohnehin nicht mehr gebraucht. Der Wahlgang am Samstag war der erste, bei dem für eine erfolgreiche Wahl die 50-Prozent-Mehrheit im Parlament ausreichte, über die die Sozialisten verfügen.

Begaj hatten die Sozialisten erst 24 Stunden vor der Abstimmung für das höchste Staatsamt nominiert. Selbst regierungsnahe Medien erhielten keinerlei Informationen und kritisierten den undurchsichtigen Prozess.

Polarisierung des politischen Systems

Eigentlich hat der Präsident in Albanien laut Verfassung kaum Machtbefugnisse: Vielmehr soll er als einigende Figur über dem politischen Alltag stehen. Doch dieses Ziel hat in Albanien, dessen Parteiensystem von der Feindschaft zwischen PS und DS geprägt ist, schon lange kein Präsident mehr verfolgt – auch Begajs Vorgänger Ilir Meta nicht. Er galt als Kritiker Ramas, der seit seinem Amtsantritt 2013 seinen Einfluss kontinuierlich ausbaute.

Bereits zweimal versuchte die Regierungspartei PS Meta aus dem Amt zu drängen – als der ehemalige Präsident sich 2019 weigerte, Lokalwahlen anzuberaumen und weil sich Meta bei den Parlamentswahlen 2021 eingemischt habe. Dem widersprach das Verfassungsgericht.

Nun konnte Ministerpräsident Rama mit Begaj seinen Wunschkandidaten in den Posten hieven. Dieser Eindruck hat sich durch die Geheimniskrämerei rund um die Wahl verstärkt. „Wir haben Albanien einen normalen Präsidenten gegeben, eine unbestreitbare Figur, was Integrität, Humanismus und Engagement für das Land angeht“, sagte Rama nach der Abstimmung. „Einen normalen Präsidenten für ein normales Land.“

Allianz gegen Edi Rama

Begaj studierte in Tirana Medizin und arbeitete als Militärarzt. In den Streitkräften brachte er es zum Oberkommandierenden des Sanitätsdienstes. Vor knapp zwei Jahren wurde er Oberbefehlshaber der Streitkräfte des Nato-Mitglieds Albanien. Als solcher habe er insbesondere die Beziehungen zum Nato-Partner USA ausgebaut, sagte die Generalin Manushaqe Shehu dem Onlinemedium BIRN. Erst am Vortag wurde er von seinem Vorgänger Meta aus dem Amt entlassen – nur so wurde die Wahl laut Verfassung möglich.

„Vom Pförtner bis zum obersten Richter des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts, alle sind in den Klauen einer einzigen Partei“, kritisierte DS-Chef Sali Berisha die regierenden Sozialisten am Dienstag. „Wir haben ein Regime, das auf der totalen Aneignung aller Macht durch eine einzige Partei beruht.“ Er kündigte an, mit Ex-Präsident Meta eine Allianz zu schmieden. „Nichts wird unseren Kampf gegen Edi Rama aufhalten“.

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