Neuer Ort für Kulturzentrum „Zukunft“: Zukunft statt Autobahn
Die Betreiber des Kulturstandorts Zukunft am Ostkreuz haben einen neuen Standort gemietet. Das Gelände ist eine Vorratsfläche für die A100.
Berlin taz | Zuletzt gehörte es fast zum Standardangebot eines jeden Wochenendplans: eine Abschiedsparty in der Zukunft am Ostkreuz. Der alternative Kulturstandort mit Kino, Biergarten, Räumen für Theater und Konzerte in der Laskerstraße nahe dem Ostkreuz, so viel war klar, ging seinem Ende entgegen. Schon Ende März vergangenen Jahres war der 2021 gekündigte Mietvertrag ausgelaufen; mehrmals gab es erst kurz vor dem Stichtag eine kurzzeitige Verlängerung des Vertrags durch den Grundstückseigentümer.
Dass die Zukunft aber weichen müsste, war besiegelt. Das Vermarktungsinteresse der neuen Investoren im Laskerkiez mit Plänen für Büro- und Start-up-Neubauten oder überteuerte Studenten-Appartements ließ keinen Platz mehr für das selbstgezimmerte, antikommerzielle Projekt. Was auf dem Gelände der Zukunft passieren soll, ist bis heute nicht bekannt; dagegen startet der Bau zweier Bürokomplexe zu beiden Seiten des Kulturstandorts durch den Investor Trockland in den nächsten Wochen. Das Gebiet entlang des Markgrafendamms ist trotz zahlreicher Proteste von Anwohner:innen und Nutzer:innen der Verödung preisgegeben.
Für die Zukunft ist nun aber eingetreten, womit kaum jemand rechnen konnte: Sie hat eine Zukunft. Nicht an ihrem jetzigen Standort, dafür in unmittelbarer Nähe, in Alt-Stralau, zwischen dem Club Wilde Renate und den S-Bahn-Gleisen. Am Freitag ging die Zukunft, die zum Betreiber der Tilsiter Lichtspiele und des Intimes gehört, mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, ein „neues Zuhause“ gefunden zu haben.
Zugleich starteten sie ein Crowdfunding-Projekt, über das mindestens 50.000 Euro für Baumaßnahmen eingetrieben werden sollen. Bereits etwa 13.000 Euro sind am ersten Wochenende zusammengekommen. „Wir hoffen, dass wir spätestens im Sommer den Biergarten eröffnen können“, sagt Andi Sommer vom Kollektiv der Zukunft-Beschäftigten der taz.
Im Weg der A100
Die Verhandlungen über das neue Gelände liefen mehr als ein Jahr, intensiv begleitet durch die Bezirks- und Landespolitik, und seien erst im Dezember zum Abschluss gekommen, sagt Sommer. Der Vermieter ist wieder der alte, die Groß-Berliner-Damm GmbH, die das Grundstück ihrerseits von der Deutschen Bahn AG, der eigentlichen Eigentümerin, gepachtet hat. Die Zukunft erhält einen mehrjährigen, aber zeitlich befristeten Mietvertrag. Das ist üblich für Gewerbemieter, aber zugleich auch damit begründet, dass das Grundstück eine Vorhaltefläche für den geplanten 17. Bauabschnitt der A100 ist (siehe Kasten).
Sollte die Autobahn, wie etwa von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) beabsichtigt, irgendwann vom Treptower Park bis zur Storkower Straße verlängert werden, wird sie eine Spur der Verwüstung durch Friedrichshain schlagen, der dann neben der Zukunft auch weitere Clubs und Gewerbe zum Opfer fallen würden.
Doch noch ist es längst nicht so weit. Julian Schwarze, Grünen-Abgeordneter aus Friedrichshain und Sprecher für Stadtentwicklung und Clubkultur, spricht gegenüber der taz gar von einem „Anfang für eine neue Kulturnutzung auf den A100- Vorhalteflächen“ – und Grundstücke im Besitz der Bahn gäbe es noch einige mehr. Die Zukunft zeige auf, „was man mit Flächen der Autobahn machen kann“. Schwarze spricht von „Kultur, Freiräumen und bezahlbarem Wohnraum“.
Der 17. Bauabschnitt soll die die Stadtautobahn vom Treptower Park, dem Endpunkt, der zurzeit fertiggestellt wird, bis zur Storkower Straße verlängern – entlang der S-Bahn, nur teilweise untertunnelt.
Das Bundesverkehrsministerium hat die Planungsleistungen ausgeschrieben. Rot-Rot-Grün in Berlin steht geschlossen gegen die Pläne und realisiert den Neubau der Elsenbrücke ohne Abstimmung.
Symbolisch klingt es gut, diese Abkehr von einer Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Klimapolitik, die stets zu lasten der Menschen geht: Zukunft statt Autobahn. Für das Kollektiv aber ist die Lage auch ein Wermutstropfen. Sommer sagt: „Wir können uns jetzt kurz ausruhen, aber dann könnte das gleiche Spiel von vorne beginnen und wir müssen uns wieder dafür einsetzen, dass wir bleiben können.“ Erst mal aber steht die Freude im Vordergrund: „Es ist absoluter Wahnsinn, dass wie in dieser Zeit noch ein Gelände innerhalb des Rings, nur ein paar hundert Meter die Straße runter, gefunden haben.“
Comeback der Alternativkultur
Die Baumaßnahmen an den zwei Baracken auf der großen Fläche haben bereits begonnen. Beteiligt sind die etwa 20 Beschäftigten des Zukunft-Kollektivs, aber auch der anderen Kinos des Betreibers. Der Aufwand sei groß, sagt Sommer, denn getan werden müsste alles: Wasser, Gas, Strom, Dächer instandsetzen, Räume herrichten.
„Zuversichtlich“ ist er, den Charme des alten Ortes, den unfertigen DIY-Style auch an den neuen überführen zu können. Und die Bedingungen, möglichst viel parallel laufen zu lassen, etwa Kino und Theater oder Konzerte, dazu Barbetrieb mit selbst gebrautem Bier, seien auf dem neuen sogar noch besser.
Für Berlins Alternativkultur ist die Rettung der Zukunft die dritte gute Nachricht in kurzer Zeit. Ende des Jahres hatte die Neuköllner Bar Tristeza mit neuem Kollektiv wiedereröffnet; zuletzt kündigte die vor zwei Jahren geräumte Kneipe Syndikat an, neue Räumlichkeiten gefunden zu haben.
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