die gesellschaftskritik
: Niemand vertraut Tiktok

Die USA will das „moderne trojanische Pferd“ Tiktok verbieten

Das Internet hat schon immer ein Problem mit Vertrauen. Im besten Fall taucht der Typ nicht auf, der auf Kleinanzeigen noch versichert hatte, die alte Wohnzimmerlampe abzuholen. Im wesentlich schlechteren Fall verbreitet jemand Fremdes private Daten.

Weil die USA genau davor Angst haben, wurde ein Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der es Präsident Joe Biden erlauben könnte, die Social-Media-App Tiktok zu verbieten. Im Weißen Haus fürchtet man ein „mögliches Risiko für die nationale Sicherheit“, wie die Sprecherin Karine Jean-Pierre es am Mittwoch nannte. Tiktok gehört dem chinesischen Unternehmen Bytedance. Das steht unter Verdacht, Daten von Usern an die chinesische Regierung weiterzuleiten. Der republikanische Abgeordnete Michael McCaul nennt die App deswegen ein „modernes trojansches Pferd der Kommunistischen Partei Chinas“.

Genau dieses Pferd hat was dagegen, nicht mehr nach Troja gelassen zu werden. Niemand will sich gerne aus dem Politik-und-Daten-Spiel ausschließen lassen. Denn das spielen ja auch andere, wie spätestens seit Camebridge Analyticas Mikrotargetting im US-Wahlkampf klar sein dürfte. Tiktok argumentiert gegen ein Verbot mit der freien Meinungsäußerung in den USA.

Weniger dramatisch wirken die Verbote der App auf Dienstgeräten von Regierungsmitarbeiter*innen. In Kanada ist das schon umgesetzt. In den USA dürfen Angestellte des Weißen Hauses, des Militärs und von anderen Einrichtungen die App schon bald nicht mehr nutzen. EU-Parlament und Europäische Kommission haben ihren Mitarbeitenden noch eine Schonfrist bis 15. beziehungsweise 20. März gesetzt.

Das Verbot von Tiktok auf EU-Parlamentshandys bedeutet aber auch, dass einige Abgeordnete eine relevante Gruppe verlieren: junge Menschen, die den großen Teil der laut Tiktok 125 Millionen User in der EU ausmachen. Doch Minderjährige sollen ohnehin nicht mehr so viel auf der Plattform rumhängen dürfen. Tiktok behauptet nämlich nun, sich für Kinder- und Jugendschutz zu interessieren, und will darum mit Passwörtern ihre tägliche Nutzungsdauer beschränken. In China ist das schon 2021 passiert – weil die Behörden es so beschlossen haben. Als wüssten junge Menschen nicht, wie man Sperrungen umgeht – und verbotene Apps trotzdem nutzt.

Johannes Drosdowski