Neuer Direktor der Kestner-Gesellschaft: Ein Internationalist an der Leine
Adam Budak ist neuer Direktor der Kestner-Gesellschaft in Hannover. Seine vorherige Arbeit in Prag hatte er aus politischen Gründen aufgeben müssen.
Sein Handy läuft noch unter tschechischer Nummer, die ersten Tage im neuen Büro verbrachte er dann damit, sich seinen zukünftigen Kolleg:innen anderer Kulturinstitutionen wohl nicht nur in Hannover zumindest per Telefon vorzustellen. Und ja: Er teilt ihre Enttäuschung, dass all ihre Angebote als verzichtbare „Freizeit“ aktuell dem bundesweiten Infektionsschutz zum Opfer fallen, woran auch ein Brandbrief niedersächsischer Kulturschaffender an den Ministerpräsidenten nichts zu ändern vermochte. „Aber“, so Budak, „ich will positiv denken.“
Das muss er auch, zumindest was die seit langen Jahren stagnierenden Landeszuschüsse an sein Hannoveraner Haus anbelangt. Seiner Vorgängerin Christina Végh war es gelungen, für 2019 einmalig um 100.000 Euro erhöhte Landesmittel zu akquirieren, ansonsten wäre wohl ihre ambitionierte Ausstellung zur legendären Kunstschule California Institute of the Arts (Calarts) mit vielen aus den USA herbeigeschafften Exponaten zum Scheitern verurteilt gewesen – das wollte natürlich niemand verantworten.
Végh, die im Februar 2020 die Leitung der Kunsthalle Bielefeld übernahm, zog noch während ihrer Zeit in der Kestner-Gesellschaft die Reißleine, reduzierte das Programm von jährlich vier, in der Regel Doppelausstellungen, auf nur noch drei. Die für 2021 durchstrukturierte Planung muss Budak nun umsetzen, erst 2022 kann er mit vollständig eigenen Ausstellungen beginnen.
Sein genereller Optimismus wird ihn nun über mögliche, auch finanzielle Durststrecken hinweg tragen müssen: „Unsere Energie und unsere Leidenschaft sind ja kostenlos“, meint er. Und sowieso müsse sich ein Haus wie die Kestner-Gesellschaft nicht nur über Ausstellungen definieren. Es gebe auch andere Formate, die nicht so teuer, aber gleichermaßen wichtig seien. Da will Budak seine institutionskritischen Reflexionen ansetzen, als „Gastgeber“ die Potenziale des Hauses heben, es lebendig machen.
Die zentrale, non-monetäre Ressource für seine Arbeit sieht Adam Budak ohnehin im gegenseitigen Vertrauen, der Zusammenarbeit, einer „Dynamik von Geben und Bekommen“, wie er es ausdrückt.
Diesem Thema hatte er 2016, zum 220-jährigen Jubiläum der Nationalgalerie in Prag, eine programmatische Sonderausstellung in sechs Häusern des weitverzweigten Museumsbetriebes gewidmet. „Großzügigkeit – die Kunst zu beschenken“, so der Titel, versammelte Werke von Ai Weiwei bis Andy Warhol, alles globale Großkünstler. Wird er dieses Umfeld jetzt nicht vermissen? Jenes international gewichtige Museum mit eigenen Sammlungen alter und neuer Kunst, Kunsthandwerk, Architektur, Asiatika?
Seine Vorgängerin wählte ja den naheliegenden Weg von einem Kunstverein zu einem nicht ganz unbedeutenden Museum, er kommt, umgekehrt, nun von einem großen Haus an eine kleine Einrichtung?
Nein, meint Budak, die Nationalgalerie, an der er ab 2014 gearbeitet hat, sei eine bürokratische Maschine, ein postsowjetischer Albtraum bar jeglicher Systemtransformation. Er hatte dort als künstlerischer Leiter und Chefkurator, direkt dem Generaldirektor Jiří Fajt unterstellt, Freiheiten genossen, dessen Schwerpunkt mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kunst Mitteleuropas ergänzte sich mit Budaks, der Moderne. Seine Rolle war die des „Dramaturgs“ für alle Sammlungen unter der „Intendanz“ Fajts gewesen. Zusammen hätten sie einiges bewegen können, meint Budak.
Der Kinský-Palast etwa wurde für Sonderausstellungen freigeräumt, aber auch die „enzyklopädische Gemeinsamkeit“, eine übergreifende Identität aller Standorte geschärft. Als Fajt im Mai 2019 abberufen wurde – offiziell wegen finanzieller Misswirtschaft und Korruption, inoffiziell wegen seiner kritischen Haltung gegenüber Präsident Milos Zeman – empfand das auch Budak als deutliches, politisches Signal zu gehen. Da kam das Angebot der achtköpfigen Findungskommission für den Direktorenposten der Kestner-Gesellschaft Hannover wohl gerade zur rechten Zeit.
Professionelle Verbindungen zu seiner Heimat Polen pflegt Adam Budak seit 2003 nicht mehr, die politische Situation empfindet er dort als ähnlich restriktiv wie in Tschechien, sie würde internationale Ausrichtungen verhindern. Zu Budaks globalen Stationen zählen nicht nur Studien in England, sondern auch Tätigkeiten am Kunsthaus Graz, diverse Biennalen in Venedig, die 7. Manifesta, 2007 in Amsterdam, und das Hirschhorn-Museum in Washington. In Hannover freut er sich nun auf die Konzentration, das kleine Team, die Intensität der Arbeit. „Ich liebe Intensität“, setzt er nochmals nach.
Bleibt ein einziger Wermutstropfen: Adam Budak schätzt auch die Mobilität, wie sein Lebenslauf ja unübersehbar zeigt. „Ich bin bisher nirgends lange geblieben“, benennt er es selbst. Vielleicht vermag Hannover, ihn eine Weile zu halten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert