Neuer Actionfilm von Michael Bay: Autos zu Blechschrott türmen
Die Kamera springt, die Handlung eskaliert in „Ambulance“. Der schnörkellose Actionthriller bringt zwei ungleiche Brüder in unguter Mission zusammen.
![Ein schwarzer und ein weißer Mann stehen sich gegenüber Ein schwarzer und ein weißer Mann stehen sich gegenüber](https://taz.de/picture/5466756/14/2546-D100-00091-CC-1.jpeg)
Neongelbe Reflexionsstreifen, die in der Sonne glühen. Für einen Moment wirken die Feuerwehrleute am Unfallort übergroß, die Uniformen scheinen in den Himmel zu ragen, die Rettungsscheren wirken wie gigantische, mechanische Verlängerungen ihrer Arme. Die Besatzung des Rettungswagens wird mitten hineinkatapultiert in das Wirrwarr von Blech und Giganten.
Rettungssanitäterin Cam Thompson (Eiza González) verschafft sich in Sekunden einen Überblick über die Lage, dirigiert Feuerwehrmänner zu einem Auto mit einem verletzten Mädchen. Die Sonne über Los Angeles blitzt auf den zusammengeschobenen Karosserien, reflektiert matt auf dem dunkelroten Blut. Alles in Michael Bays „Ambulance“ ist Oberfläche, alles ist Handlung.
Der Film beginnt mit einem schwarzen Jungen, der mit zwei Werkzeugkästen eine Straße in der Abendsonne herunterkommt. Eine Ecke weiter wartet ein weißer Junge. Als der schwarze Junge beim weißen ankommt, lachen sich die beiden an und gehen gemeinsam weiter. Die Szene wirkt wie aus einer Spendenwerbung für Jugendarbeit. Doch statt des Pathos, das eine Werbung interessieren würde, geht es Bay bei dieser Szene um die Kürze.
Zwei Brüder, Danny und Will Sharp, einer schwarz, einer weiß, beide aufgewachsen als Söhne eines notorischen Bankräubers. Ein Leben, mit dem Will vor Jahren gebrochen hat. Später werden die Rückblenden eher die Gefühle der beiden Brüder abrufen – Vertrautheit, gemeinsames Spielen –, aber diese erste richtet sich direkt an die Zuschauer.
Banküberfall aus Not
Als Will (Yahya Abdul-Mateen II) Geld braucht für eine Operation seiner Frau und die Versicherung mauert, steht er im Laden seines Bruders. Dort blitzen Luxusautos im Ausstellungsraum, im sonnendurchfluteten Pausenraum glänzt das Chrom der Espressomaschine. Statt Geld bietet Danny (Jake Gyllenhaal) Will an, bei einem Banküberfall mitzumachen. Will zögert, die Zeit drängt.
Der Überfall wird ein Fiasko. Vor der Bank lauert eine Sondereinheit der Polizei darauf, dass eine Bande serienmäßiger Bankräuber auftaucht, und dann steht ein Streifenpolizist mitten während des Überfalls vor dem Schalter. Es bleibt nicht dabei. Das Fluchtauto stockt, der Partner des Polizisten vor dem Gebäude schöpft Verdacht, das große Schießen beginnt.
„Ambulance“. Regie: Michael Bay. Mit Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II u. a. USA 2022, 136 Min.
Das Drehbuch zu „Ambulance“ führt die Figuren der Handlung geschickt zusammen. Die Bildebene setzt vor allem zu Beginn auf Verwirrung. Wiederholt zeigen die Bilder örtliche Sprünge. Wie in einem Parcours fliegt die Kameradrohne die Hochhäuser der Innenstadt von L. A. hinauf, überschlägt sich und rast zurück in die Tiefe. In diesen Sprüngen geht es nicht darum, von wo nach wo gesprungen wird, sondern dass die Handlung räumlich disparat ist.
Danny und Will sind als Einzige noch im Bankgebäude. Ihre Komplizen stehen draußen einer wachsenden Überzahl von Polizist_innen gegenüber. Drinnen suchen die beiden Brüder mit dem Polizisten als Geisel nach einem Ausweg. Als der Polizist bei einem Gerangel versucht, Danny die Waffe abzunehmen, schießt Will auf ihn.
Bereitschaft zur konstanten Eskalation
Der Krankenwagen, der den Polizisten ins Krankenhaus bringen soll, wird zu ihrem Ausweg. Die beiden schlagen den Fahrer nieder und nehmen die Sanitäterin Cam und den Polizisten als Geisel. Die Sondereinheit der Polizei entfesselt mit unzähligen Autos eine Verfolgungsjagd durch die Stadt im Rennen gegen die Zeit, bevor der Berufsverkehr über die Straßen hereinbricht.
Michael Bays „Ambulance“ ist in seiner Bereitschaft zur konstanten Eskalation, seiner Reduktion der Handlung auf atemlose Action, der Wucht enthemmter visueller Gestaltung beglückendes Kino. Alles ist Handlung, nichts ist Schnörkel. Die Hauptrollen in „Ambulance“ haben gerade genug Hintergrund, um die Handlung plausibel zu machen.
Nebenrollen wie die nerdige Polizistin (Olivia Stambouliah), die den Krankenwagen in unzähligen Kameras im Blick behält, bekommen genug Raum, um ihre ganze Schratigkeit zu entfalten. Die Autos türmen sich in der Verfolgungsjagd zu Blechschrott. Michael Bay pustet das Hirn gründlich durch.
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