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Neue schwedische Mitte-rechts-RegierungKein orbanesker Regimewechsel

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Kristersson braucht die Rückendeckung der Rechtspopulisten. Was er er ihnen im Gegenzug anzubieten hat, steht auf einem anderen Blatt.

Auf dem Weg zur neuen schwedischen Regierung: der konservative Ulf Kristersson Foto: Jonas Ekstromer/reuters

N ein, sie werden nicht Teil der neuen, antisozialdemokratischen Regierung in Schweden: Die rechten „Schwedendemokraten“ müssen draußen bleiben. Sonst hätten die Liberalen den Regierungsblock umgehend verlassen – und ohne sie würde es dem konservativen Ulf Kristersson gar nicht gelingen, diesen Montag zum Nachfolger der Sozialdemokratin Magdalena Andersson gewählt zu werden.

Doch von den Rechtspopulisten hängt ab, ob die neue konservativ-liberale Koalition überhaupt fähig zu Regierungsgeschäften ist: Sie werden, so ist die Zusage, dulden, um nicht wieder die von ihnen verhassten Linken (plus Ökos) ans Ruder zu lassen. Ob Kristersson sein politisches Spiel, die „Schwedendemokraten“ ein bisschen ins Gehege der bürgerlichen Anständigkeit – und sei es über die Tolerierungsbereitschaft – zu lassen, tragfähig hält, hängt am Regierungsprogramm selbst.

Und da zeichnen sich schon jetzt heftige Konflikte ab. Kristerssons Konservative würden gern das ohnehin nicht mehr so dicht gewebte sozialstaatliche Gefüge weiter abbauen, aber die in sozialdemokratischen Wählermilieus fischenden, ausländerfeindlichen Populisten, immerhin seit den Wahlen zweitstärkste Partei noch vor den Konservativen, werden dies nicht mittragen.

Jetzt von Rechtsruck zu sprechen, ist insofern viel zu früh. Schwedens neue Regierung würde am liebsten Sozialstandards abbauen und dafür umso heftiger bürgerliche Elitenförderung betreiben: Aber an den „Schwedendemokraten“, in der politischen Artikulation unappetitlich und für schwedische Verhältnisse ausgesprochen hetzerisch gegen Einwanderer und Flüchtlinge, liegt dies nicht. Diese können nur so viel Einfluss haben, wie die Konservativen und ihre antilinken Alliierten es zulassen.

Der Mandatsvorsprung im Stockholmer Parlament ist faktisch zu gering, als dass Kristersson und die Seinen einen orbanesk anmutenden Regimewechsel in Gang setzen könnten. Rechtspopulistische Teilhabe an der Regierung kann im Übrigen auch wieder abgewählt werden – in Dänemark, Finnland und Norwegen war dies der Fall.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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2 Kommentare

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  • Aha! - 🙀🥳🥺 -

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      „Was er anzubieten hat, steht auf einem andren Blatt...“ - Schweden-Lyrik.



      Palmström mäßig: „Und er folgert messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“ - (C. Morgenstern)