Neue ZDF-Intendanz: Am Besten nichts Neues
Wenn im deutschen Fernsehen ein neuer Posten zu vergeben ist, dann kommen immer die gleichen zum Zug. Zur Not macht's Thomas Gottschalk. Wie öde!
D as deutsche Fernsehen gehört zu den verlässlichsten der Welt. Was sich schon daran festmacht, dass es sich immer um dieselben Nasen dreht. Da stehen die Medien ja so im dynamischen Wandel. Drohen von neuen Playern überrollt zu werden. Müssen und wollen sich ständig neu erfinden. Doch neue Gesichter, wirklich junge Menschen, Quereinsteiger*innen oder gar die Mitbewohnerin sind nicht zugelassen.
Nun hört Thomas Bellut nächstes Jahr als ZDF-Intendant auf. Der Mensch wird am Sonntag 66 und ist kein Fritz Pleitgen, der anno 2007 mit fast 70 beim WDR am liebsten weitergemacht hätte. Natürlich muss seine Nachfolge eine Frau antreten. Weshalb ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler als aussichtsreichster Kandidat gehandelt wird. Das ist Lerchenberg-Ironie. Doch Gemach, auch Bettina Schausten ist im Gespräch. Das wäre ebenfalls eine logische Erbfolge. Bellut war früher, genau wie Schausten, in der Innenpolitik fürs Zweite unterwegs.
Ganz anderes Beispiel: Bei Welt (TV) talkt Michel Friedman künftig ohne zeitliche Begrenzung. Das teilte Frank Hoffmann, der Programmchef des Fernsehablegers von Springers Blatt, mit. Friedman ist ein schlimmer Finger, kriegt aber oft mehr aus seinen Gesprächspartner*innen raus als der Rest der TV-Fragenabhaker*innen. Und ausreden lassen, ohne von Anne Will mit dem Stichwort-Zettel ausgebremst zu werden, hätte ja was. Aber mal ganz neue Gesichter ranlassen?
Nö, lieber tauscht man durch. Frank Hoffmann war vor seinem zweiten Frühling bei Springer mal RTL-Programmgeschäftsführer. Michel Friedman ist ein Gewächs der Öffentlich-Rechtlichen. Der Privatsender Vox warb als neuen Programmchef Sascha Schwingel vom ARD-Produktionsmulti Degeto ab. Die letzten fünf neuen ARD-Intendant*innen kommen alle aus, erraten, ARD-Anstalten. Die Liste lässt sich problemlos fortsetzen. Das Fernsehkarussell dreht sich um sich selbst. Und wenn gar nichts mehr geht, holt man Thomas Gottschalk.
Dabei gehen von den Streamern wie Netflix und Amazon über Youtube-Wunderkinder wie Rezo oder Julian Bam bis zum geschützten Labern bei Clubhouse ganz andere Impulse aus. Doch davon kommt beim klassischen Fernsehen so gut wie nichts an. Lieber spielt man unter sich und pokert, Klein wie Groß, um Kai Pflaume. Selbst dass den Privaten wie den Öffentlich-Rechtlichen die Kreativen davonlaufen, wird dort weiter verwundert bestaunt. Ohne dass sich etwas ändert.
Bevor es hier übrigens zu Missverständnissen kommt: Ja, das ZDF sollte in jedem Fall eine Intendantin bekommen. Hat damals schon beim WDR prima geklappt. Auf Fritz Pleitgen folgte Monika Piel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“