Neue Vorwürfe gegen Middelhoff: Karstadt droht die Zerschlagung

Finanzinvestoren pokern um die Zukunft der Warenhauskette. Die Staatsanwaltschaft wertet vor der Gläubigerversammlung neue Vorwürfe gegen den ehemaligen Konzernchef Thomas Middelhoff aus.

Der Ex-Vorstandsvorsitzende des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor, Thomas Middelhoff, steht im Verdacht, den Konzern durch völlig überzogene Reisekosten geschädigt zu haben. Bild: dpa

BOCHUM tazKurz vor der Karstadt-Gläubigerversammlung am heutigen Montag weitet die Staatsanwaltschaft Bochum ihre Ermittlungen gegen den ehemaligen Chef der Warenhauskette, Thomas Middelhoff, aus. Der Ex-Vorstandsvorsitzende des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor steht jetzt auch im Verdacht, den Konzern durch völlig überzogene Reisekosten geschädigt zu haben: Allein 2006 soll Middelhoff über 800.000 Euro verflogen haben. Selbst für eine nur 86 Kilometer lange Strecke habe er seinen Firmenjet benutzt, ist in Bochum zu hören.

Der Arcandor-Konzern mit seinen Töchtern Karstadt und Quelle hatte nach jahrelangem Missmanagement im Juni 2009 Insolvenz anmelden müssen. Der Quelle-Versandhandel wurde vor Weihnachten vergangenen Jahres abgewickelt; allein rund um die Nürnberger Quelle-Zentrale verloren über 4.000 Mitarbeiter ihren Job.

Die Bochumer Ermittler gingen bereits zu diesem Zeitpunkt dem Verdacht nach, Konzernchef Middelhoff könne Arcandor auch durch undurchsichtige Immobiliengeschäfte geschädigt haben: Der Manager hat sich an einem Immobilienfonds der Privatbank Sal. Oppenheim und des Projektentwicklers Josef Esch beteiligt. Dieser soll Karstadt-Gebäude gekauft, zu überhöhten Preisen zurückvermietet und so zu der Pleite der Warenhauskette beigetragen haben.

Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg dagegen kämpft noch heute um die Zukunft der verbliebenen 120 Karstadt-Filialen mit ihren rund 26.000 Mitarbeitern. Bei der Gläubigerversammlung in Essen sollen rund 35.000 Karstadt-Geldgeber auf Zahlungen in Milliardenhöhe verzichten.

Eine Zustimmung der Gläubiger gilt trotzdem als sicher - nur mit ihrer Zustimmung zum Insolvenzplan kann Görg Karstadt überhaupt an einen Investor verkaufen. Auch die Arbeitnehmer hatten zuvor abermals auf Geld verzichtet: "Mit dem von uns abgeschlossenen Sanierungstarifvertrag verzichten die Karstadt-Mitarbeiter auf 150 Millionen Euro", sagt die Sprecherin der Gewerkschaft Ver.di, Cornelia Haß.

Dennoch droht dem Warenhauskonzern die Zerschlagung. "Zurzeit prüfen sechs Interessenten die Bücher", sagt Görgs Sprecher Thomas Schulz. Kursierende Namen von Hedgefonds wie Blackstone, Sun Capital oder Permira aber will er nicht bestätigen. Zwar bekäme ein Käufer Karstadt bei Insolvenzquote von 3 Prozent beinahe geschenkt, allerdings müsste sich der Investor laut Insolvenzplan verpflichten, alle Filialen bis mindestens Herbst 2011 zu erhalten.

Als denkbar gilt daher, dass Insolvenzverwalter Görg - wie schon zuvor bei Quelle - zum angekündigten Termin keinen Investor präsentieren kann, der Karstadt als Ganzes erhalten will. Mögliche Käufer könnten dann nur für besonders rentable Standorte bieten, weniger profitable Häuser stünden wie bereits Filialen etwa in Hamburg, München und Dortmund vor der Schließung. "Dann müssten wir mit Gläubigern, Arbeitnehmern und Vermietern über jedes einzelne Haus verhandeln", warnt Görgs Sprecher Schulz schon heute. "Das wäre sehr komplex, sehr kompliziert, sehr schwierig."

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